Hamburg. In Altona wurde eine moderne Anlage für Kreuzfahrer in Betrieb genommen. Doch kaum ein Schiff kann die Technik nutzen.

    Zu sehen gibt es nicht viel: einen überdimensionierten Stecker, ein paar Schalter und ein dickes Kabel, das irgendwo im Schiffsbauch verschwindet. Obgleich die neue Landstromanlage für Kreuzfahrtschiffe in Altona optisch nicht viel hermacht, galt ihr am Freitag maximale mediale Aufmerksamkeit: Mit einem Jahr Verspätung ist die neue Anlage nun endlich in Betrieb gegangen.

    Eine glanzvolle Gästeliste unterstrich die besondere Bedeutung des Projekts. Denn die neue Anlage, die zwölf Megawatt und damit so viel Strom liefern kann, wie ganz Lüneburg benötigt, soll dazu führen, dass die Kreuzfahrtschiffe während ihrer Liegezeit ihre Dieselmotoren herunterfahren und keine giftigen Schadstoffe mehr in die Luft pusten. Die Energie zur Aufrechterhaltung des Betriebs soll aus der Steckdose kommen. Um das zu feiern, war aus Berlin Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) angereist, von der EU aus Brüssel der Chef des Infrastrukturfonds, Andreas Boschen. Der Senat hatte seinen obersten Vertreter geschickt: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD).

    Landstromanlage ist ihrer Zeit (zu) weit voraus

    Sie alle lobten in ihren Reden die neue Anlage, die zehn Millionen Euro gekostet hat und vom Bund und der EU mit insgesamt 7,2 Millionen Euro gefördert wurde – viel Geld für eine Unternehmung, die ihrer Zeit eigentlich weit voraus ist. Denn die Landstromanlage in Altona wird vorerst kaum genutzt: Von den 160 Kreuzfahrtschiffbesuchen, die Hamburg in diesem Jahr erwartet, haben nur fünf Schiffe eine Steckdose, die eine landseitige Energieversorgung ermöglichen könnte. Aber nur eines von diesen Schiffen wird das Kreuzfahrtterminal in Altona anlaufen: die „Aidasol“. Deshalb wird es maximal achtmal in dieser Saison zur Nutzung der Landstrom­anlage kommen.

    Die „Aidasol“ stand auch bei ihrem Anlauf am Freitag für die Feier Pate. Während Reisebusse in dichtem Takt Trauben von Passagieren ausluden, die mit ihrem Gepäck in Urlaubslaune zum Check-in-Schalter zogen, wurde nebenan ein anderer Schalter umgelegt, der den Stromkreis schloss, damit die Passagiere bei ihrer Ankunft an Bord beleuchtete Gänge, einen beheizten Swimmingpool und eine gekühlte Minibar in der Kabine vorfinden.

    Scholz: „Einer muss vorangehen"

    Wohlwissend, dass die neue Landstromanlage bisher nur wenige Abnehmer findet und damit kaum wirtschaftlich betrieben werden kann, betonten alle Redner den Pilotcharakter, der diesem Projekt zukommt. Bundesumweltministerin Hendricks wünschte ihm „viele Nachahmer“. Der EU-Vertreter machte deutlich, dass Brüssel noch viel mehr Geld zur Verfügung habe, um so herausragende Dinge zu fördern. Und Bürgermeister Scholz bemühte die Geschichte, um die Fortschrittsfreundlichkeit Hamburgs zu demonstrieren. Er erinnerte in seiner Rede daran, dass es Albert Ballin war, der 1891 mit der Mittelmeerreise der „Augusta Victoria“ das heutige Kreuzfahrtgeschäft ins Leben rief. „Einer muss vorangehen. Das wusste Albert Ballin. Und so halten wir es auch heute“, sagte Scholz.

    Michael Westhagemann, Norddeutschland-Chef von Siemens, dem Erbauer der Anlage, wünscht sich, dass die EU endlich Druck auf die Hafenbetreiber macht, sich auch solche Landstromanlagen anzuschaffen. Dann könne man die Reeder endlich zum Umrüsten bewegen, so Westhagemann. Nach dem Motto: „Ihr kommt nur in unsere Häfen, wenn wir euch an die Leitung legen.“ Anschließend gab es Schnittchen, die sich die Festgesellschaft munden ließ, während vor ihren Blicken langsam die „Prinsendam“ der Holland-America-Line in Richtung HafenCity auf der Elbe vorbeizog. Ein Kreuzfahrtschiff mit allen Annehmlichkeiten für 800 Passagiere, aber ohne Steck­dose für eine Landstromversorgung.