Hamburg. Der Elektronikkonzern fusioniert mit Gamesa zum Branchenprimus. Vorstand künftig in Spanien. Werk Cuxhaven wird weitergebaut.
Hamburg hat in den vergangenen Jahren massiv vom Wachstum bei der Windenergie profitiert. Anbieter wie Nordex, Pfannenberg und nicht zuletzt Siemens beschäftigen Tausende Spezialisten auf dem Zukunftsmarkt in der Hansestadt. Doch nun verliert der Standort in der Branche an Einfluss. Siemens schließt seine Windkraftsparte mit der spanischen Gamesa zusammen, teilte der Elektrokonzern am Freitag mit. Damit vereinen sich zwei Schwergewichte im Geschäft mit erneuerbaren Energien.
Verwaltung für 13.000 Mitarbeiter bisher in Hamburg
Und nach der Fusion mit Gamesa soll das kombinierte Unternehmen seinen Hauptsitz in Spanien haben. Bisher steuerte Siemens sein weltweites Windenergiegeschäft von Hamburg aus. Markus Tacke, Vorstand des Konzerns, hatte sein Büro in der Hansestadt. Dazu kamen mehrere Zentralbereiche, die eine solche Verwaltung für immerhin 13.000 Mitarbeiter weltweit mit sich bringt. Der Sitz dieses Geschäftsfeldes wird nun nach Spanien verlagert. Wie viele Mitarbeiter von der Entscheidung betroffen sind, konnte ein Siemens-Sprecher am Freitag noch nicht sagen.
Die Details des Kaufs: Für gut eine Milliarde Euro übernimmt Siemens 59 Prozent an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen, in das er seine eigene Windkraft-Sparte einbringt. Mit der Fusion entsteht ein weltweit führender Anbieter von Windrädern mit einem Umsatz von rund 9,3 Milliarden Euro. Der Abschluss der Transaktion wird für Anfang 2017 erwartet. Die Unternehmen versprechen sich aus dem Zusammenschluss später Einsparungen von jährlich 230 Millionen Euro. Zusammen verfügt das Konglomerat über eine installierte Windkraftleistung von 69 Gigawatt, das entspricht etwa 15 Prozent aller Windturbinen weltweit. Das neue Spitzenduo liegt damit vor den Hauptkonkurrenten Vestas aus Dänemark und General Electric (GE) aus den USA.
Der Schwerpunkt bei Gamesa liegt auf Windkraft an Land, die Spanier sind hier weltweit der viertgrößte Hersteller. Siemens gilt dagegen auch bisher schon als Weltmarktführer bei Offshore-Anlagen. Bei den Windrädern auf See, die hohen Belastungen ausgesetzt und nur schwer ans Stromnetz anzubinden sind, haben die Deutschen einen technologischen Vorsprung. Entsprechend werden die Zentralen für den Onshore-Bereich in Spanien und für Offshore in Deutschland sowie Dänemark angesiedelt sein, hieß es von Siemens. Das Geschäft mit den riesigen Windparks in Nord- und Ostsee steuert der Konzern auch in Zukunft aus Hamburg, bestätigte ein Siemens-Sprecher.
Bisher arbeiten 850 Mitarbeiter bei Siemens in Hamburg in der Windbranche. Darüber hinaus baut der Konzern in Cuxhaven derzeit ein neues Werk für Windkraftanlagen, das noch einmal 1000 zusätzliche Jobs mit sich bringen soll. Hamburg werde auch von dieser neuen Produktionsstätte profitieren, hatte Michael Westhagemann, Niederlassungsleiter von Siemens in Hamburg, kürzlich noch betont. Zentrale Dienste wie Arbeitssicherheit, Personal oder Ausbildung würden für Cuxhaven bald aus Hamburg gesteuert. Diese Wachstumspläne sowohl in Cuxhaven als auch in der Hansestadt seien durch die Fusion mit Gamesa nicht in Gefahr, sagte ein Siemens-Sprecher.
Vielmehr ergänzten sich die Aktivitäten der nun vereinigten Firmen. Die Deutschen sind vor allem bei den Offshore-Windanlagen in Nordeuropa und in Nordamerika stark, die Spanier bei Windanlagen an Land in China, Indien, Südamerika und Südeuropa. „Der Zusammenschluss unseres Windgeschäfts mit Gamesa folgt einer klaren und überzeugenden Branchen-Logik in einem sehr attraktiven Wachstumsmarkt“, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser. In dem Bereich brächten Skaleneffekte einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Größe senkt die Kosten. „Das kombinierte Geschäft passt genau in die Vision 2020 von Siemens und unterstreicht unser Bekenntnis zu einer bezahlbaren, zuverlässigen und nachhaltigen Energieversorgung“, sagte der Vorstandschef.
Die junge Branche befindet sich in der Konsolidierung
Mit der Windkraft ist es ähnlich wie bei den Automobilen vor gut 120 Jahren: Die Technologie ist jung und damit teuer. Und die Gesellschaft beäugt die Entwicklung ebenso skeptisch wie bei der ersten Fahrt im Jahr 1888, als Bertha Benz in dem Motorwagen ihres Mannes von Mannheim nach Pforzheim rollte. Die Branche, die sich mit den modernen Windmühlen beschäftigt, muss ihre Kräfte bündeln. Denn Geld verdienen können die Unternehmen angesichts der hohen Entwicklungskosten für immer größere Anlagen erst allmählich. Kaeser hatte kürzlich noch betont, die Kosten für Windkraft könnten noch um 40 Prozent sinken. Fusionen sind daher in der Branche weit verbreitet: Der Siemens-Erzrivale GE hat bereits Interesse an Adwen angemeldet, Nordex und
Acciona sind bereits zusammengegangen. Solche Konsolidierungen sind im Energiebereich heute ebenso verbreitet wie zu Zeiten von Henry Ford – als Automarken wie Horch oder Wanderer zugunsten von aufstrebenden Global Playern vom Markt verschwanden.