Kiel. Die Windenergie-Branche beschert dem Norden viel Geld. Doch um sie zu schützen, bremst Schleswig-Holstein beim Ausbau.

Die Windenergie macht Schleswig-Holstein reich. Die Windmüller sind fürs Land so wichtig geworden, dass die Regierung das Tempo der Energiewende drosseln will, um die Branche vor Widerstand zu schützen. Das ist der Tenor einer Regierungserklärung von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), abgegeben am Mittwoch im Kieler Landtag. Flankiert wurde sie von einer Forderung des Landesverbands Windenergie, die das neue Selbstbewusstsein der Boombranche beweist. „Das Atomkraftwerk Brokdorf muss sofort abgeschaltet werden, um Netzkapazitäten zu schaffen“, verlangt der Verband.

Innerhalb von rund 20 Jahren hat sich der einstige Nischenproduzent Windkraft zum Branchenstar entwickelt. Immer neue Rekorde werden gemeldet. Albig erinnerte in seiner Regierungserklärung an den Auslöser für diese Entwicklung – den Reaktorunfall in Tschernobyl vor 30 Jahren. „Uns bleibt nur, auf erneuerbare Energien zu setzen“, sagte er. „Das ist ein Jahrhundertprojekt, und Schleswig-Holstein ist bei der Umsetzung dieses Projekts die treibende Kraft.“

16.000 Schleswig-Holsteiner arbeiten derweil in der Windkraftbranche. 2014 hat die Um­lage aus dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) 1,7 Milliarden Euro ins Land gebracht. „2015 waren es wohl über zwei Milliarden Euro“, sagte Albig. Gewiss, der Löwenanteil davon geht an die Offshore-Windparks in der Ost- und der Nordsee. Von dem Geld profitieren aber auch die Windmüller an Land und über die Gewerbesteuerzahlungen dann eben auch die Kommunen. Albig geht davon aus, dass der größte Teil dieser EEG-Beträge im Land bleibt.

Geldstrom durch die Windenergie ist in Gefahr

Seine Regierungserklärung war auch der Versuch, diesen Geldstrom abzusichern. Denn er ist in Gefahr. Bei den Schleswig-Holsteinern sinkt die Lust, ihre Landschaft mit immer mehr Rotoren vollstellen zu lassen. Der Ausbau der wichtigen Stromnetze lahmt. Und just während Albig in Kiel sprach, verabschiedete das Bundeskabinett in Berlin einen EEG-Gesetzentwurf, der den Ausbau der Windkraft drosseln soll. Der Windkraftbranche, so scheint es, geht es wie manch einem markt­beherrschenden Unternehmen: Mit der Größe und der Macht wächst die Kritik. „Der Ton wird rauer“, bestätigt Nicole Knudsen vom Landesverband Windenergie.

Albig will dieser Kritik entgegentreten. „Wir müssen jetzt nachjustieren, denn die Akzeptanz der Windkraft muss erhalten bleiben“, sagte er. Und er gab zu: „Ja, bei den Windanlagen hat es Wildwuchs gegeben.“ Zwar soll an dem Ziel festgehalten werden, in Schleswig-Holstein 42 Terrawattstunden Ökostrom im Jahr zu erzeugen. Aber: „Wir müssen uns dafür mehr Zeit lassen.“ Was das konkret bedeutet, sagte er nicht.

Die Oppositionsparteien fanden Albigs Regierungserklärung am Mittwoch ungenügend. Der Oppositionsführer Daniel Günther (CDU) sagte: „Das einzig Konkrete, das der Ministerpräsident heute in seiner Regierungserklärung genannt hat, ist die Einigung beim EEG-Gesetzentwurf. Wie die Umsetzung erfolgen soll, ist er den Menschen schuldig geblieben.“

Die Begeisterung für eine Energieform, die quasi unerschöpflich ist, ist augenscheinlich erschöpft. „Wir sind in den Mühen der Ebene angekommen“, sagte Albig. Der Ministerpräsident spürt: Der Gegenwind wird stärker.