Hamburg. Finanzinvestoren aus China übernehmen Geschäft mit Standardhalbleitern von NXP. 800 Mitarbeiter in Lokstedt sind betroffen.
Eine Hamburger Hightech-Fabrik mit langer Tradition kommt in asiatische Hände: Der niederländische Chiphersteller NXP verkauft sein Werk für Halbleiter in Lokstedt an Finanzinvestoren aus China. Rund 800 Mitarbeiter, die in der Hansestadt insbesondere Halbleiter für Fahrzeuge, Computer sowie Konsumelektronik herstellen, wurden am Dienstag von der NXP-Geschäftsführung informiert, dass sie mit den Chinesen einen neuen Arbeitgeber bekommen. Das Geschäft ist Teil des Verkaufs der NXP-Standardhalbleiter-Sparte an ein Konsortium aus den Firmen Jianaguang Asset Management und Wise Road Capital. Der Kaufpreis beträgt 2,75 Milliarden Dollar, teilte NXP mit.
Nach der Übernahme soll der Bereich unter dem neuen Namen „Nexperia“ als unabhängiges Unternehmen mit Sitz im niederländischen Nijmegen weitergeführt werden. Das bisherige Bereichsmanagement bleibt an Bord. Der Standort Hamburg gilt als Kernstück des neuen Konzerns. Im Frühjahr hatten sich die asiatischen Interessenten in der Hansestadt bereits ein Bild verschafft von der Produktion, die auf eine lange Historie zurückblickt (s. Kasten). Es hieß am Dienstag aus der Firma, dass die Übernahme erwartet worden war, große Unruhe herrsche nicht.
Die Mitarbeiter fertigen hier jährlich mehr als 70 Milliarden Halbleiter. Dies entspricht ungefähr einem Viertel aller weltweit verkauften Dioden und Transistoren. Es handelt sich bei den Standardchips um ein Massenprodukt, das auch von Konkurrenten wie ON Semiconductors oder Diodes inc. aus den USA sowie RHOM aus Japan angeboten wird. Jedes Jahr drücken Abnehmer wie Bosch oder Continental die Preise. Doch ein hohes Produktionsvolumen bringt NXP in diesem Geschäft Wettbewerbsvorteile, immerhin sind die Niederländer in der Sparte Weltmarktführer. Während NXP mit den Massenprodukten eine Umsatzrendite von 20 Prozent erzielt, liegt die Marge bei den komplexeren Chips beispielsweise für sicherheitsrelevante Anwendungen deutlich höher. Dagegen sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei den Standardchips geringer. „Wir sind bei der Profitabilität im Vergleich zu Wettbewerbern vorbildlich“, sagt Erik Just-Wartiainen, Finanzgeschäftsführer bei NXP Deutschland. Der Hamburger, der die Sparte der Standardhalbleiter bei NXP auch weltweit leitet, ist daher auch für die Zukunft optimistisch: „Wir arbeiten weiter an unseren Wachstumsplänen“, sagte der 48-Jährige am Dienstag dem Abendblatt. Auch wenn NXP an anderen Standorten, etwa im chinesischen Guangdong, Halbleiter fertige, sehe er keine Gefahr für das Werk in Hamburg. „Es rechnet sich nicht, eine so große Fabrik zu verlagern“, trat der Diplom-Ökonom derartigen Befürchtungen entgegen. In den vergangenen Jahren hatte der Konzern stets in die Effizienz seines wichtigsten Standorts für Halbleiter investiert. „Wir haben die Preisreduzierungen am Markt auf der Kostenseite kompensiert“, sagte Just-Wartiainen. Die Mitarbeiter in der Hansestadt schütze zudem eine Beschäftigungsgarantie, welche die Investoren unterschrieben haben. Wie lange diese Zusage gilt, wollte die Geschäftsführung nicht mitteilen.
2015 erzielte NXP mit den Standardchips einen Umsatz von 1,2 Milliarden Dollar, ein Fünftel des Gesamterlöses. Die Sparte beschäftigt weltweit 11.000 Mitarbeiter. NXP will sich in Zukunft auf sein Kerngeschäft mit komplexeren Chips konzentrieren, weil hier die Wachstumsfantasien vielversprechend sind. Ein Beispiel: Lösungen rund um das Thema kontaktloses Bezahlen gehören zu den tragenden Säulen. Die entsprechenden Chips von NXP stecken etwa in Mobiltelefonen und ermöglichen das Bezahlen ohne Bargeld. Mit Samsung und Apple gehören die Platzhirsche der Branche zu den Kunden. In solchen Bereichen arbeiten die verbleibenden Mitarbeiter bei NXP in Hamburg, aber auch mit der Kommunikation zwischen Fahrzeugen beschäftigen sich die 850 Ingenieure oder Programmierer, die weiter bei NXP in der Hansestadt angestellt sind und auch räumlich bisher schon von der nun verkauften Abteilung getrennt waren. Wandel sind die NXPler jedenfalls gewöhnt: Ihr Konzern war mit der fast zwölf Milliarden Dollar schweren Übernahme von Rivale Freescale 2015 zum führenden Chiphersteller für die Autoindustrie aufgestiegen. Die aktuelle Transaktion mit den Asiaten soll nach der erforderlichen Zustimmung der Behörden im ersten Quartal 2017 abgeschlossen werden.