Hamburg. Kundenzentren, Familienkasse, Rentenberatung: Die Anmeldefristen sind lang – und die Bürger in Hamburg sind empört.

Warten, warten, warten. Wer sich an die Hamburger Ämter wendet, braucht Zeit. Viel Zeit. Nicht nur die Kundenzentren der Bezirksämter sind überlastet, auch bei der Familienkasse und bei der Rentenberatung kann man derzeit nicht mit schneller Hilfe rechnen. Trotz Online-Terminmanagement (Kundenzentren), elek­tronischer Akte (Familienkasse) oder E-Service (Rentenversicherung): Auf einen Termin oder eine Telefonauskunft müssen die Bürger lange warten. Die Kundenzentren vergeben Termine nur 60 Tage im Voraus, und wer bei der Familienkasse anruft, landet in der Warteschleife oder wird wegen „ungewöhnlich hohen Anrufaufkommens“ um einen erneuten Anruf gebeten.

„Vor zwei Jahren bin ich hier einfach rein, habe mir an der Information einen Stempel geholt und das war’s“, sagt Stefan Dettmering, der in einer Schlange vor dem Kundenzentrum des Bezirks Hamburg-Mitte an der Steinstraße steht. „Heute warte ich schon seit fast eineinhalb Stunden. Das ist definitiv zu lang für so eine Kleinigkeit.“ Der Hobbyangler, der eigentlich nur seine Fischereiabgabe zahlen möchte, um weiterhin angeln zu dürfen, ist sauer. Denn heute müssen alle Besucher des Kundenzentrums Hamburg-Mitte zur Information. Der Grund steht auf einem Zettel, der neben dem Eingang klebt: „Wegen hohem Publikumsaufkommen wurde die Wartemarkenausgabe eingestellt.“

Was eigentlich nur im Ausnahmefall passieren soll – etwa kurz vor Feierabend, wenn feststeht, dass keine weiteren Besucher mehr abgefertigt werden können – wird in den Kundenzentren immer häufiger zur Regel. Weil viele Besucher Anliegen haben, die nicht 60 Tage warten können, kommen sie ohne Termin.

Dort sind noch immer viele Stellen unbesetzt. Das Personal kann den Kundenansturm oft nicht bewältigen. „Unsere Kunden müssen leider Wartezeiten in Kauf nehmen. Das gilt für den Vorlauf bei der Online-Terminvergabe als auch für die Spontanbesucher“, sagt der Harburger Bezirksamtsleiter Thomas Völsch, unter dessen Federführung das Online-Terminmanagement steht. Und gibt zerknirscht zu: „Man kann uns vorwerfen, nicht darauf geachtet zu haben, dass alle Stellen besetzt sind.“ Seit die Bezirksämter 2011 aufgefordert wurden, einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten, hätten sie frei werdende Stellen oft nicht wieder besetzt Mittlerweile sind von 213 Planstellen nur 185 besetzt (Stand 6. Juni). Noch immer viel zu wenig – wenn auch schon besser als Ende März: Da waren nur 170 Stellen besetzt.

Den Kunden bleibt nichts anderes übrig, als sich darauf einzustellen. Eine Alternative zum Spontanbesuch ist nur die zeitraubende Online-Suche nach einem Bezirksamt, das freie Termine anbietet. Eine Stichprobe ergab: Von den 20 Hamburger Kundenzentren gab es für ein Anliegen, das im System mit fünf Minuten terminiert ist (Personalausweis beantragen), lediglich in einem Bezirksamt innerhalb von 60 Tagen einen freien Termin: in Altona am 9. Juli. Sieben konnten keinen Termin anbieten. Bei zwölf weiteren Kundenzentren waren 217 Termine frei – allerdings erst am 8. August.

Jana Cremer kann nicht so lange warten. Seit 6.50 Uhr verharrt sie auf einem Stuhl vor den Anmeldung im Kundenzentrum des Bezirksamts Eimsbüttel, das um 9 Uhr öffnet. Sie muss sich ummelden, weil sie von Altona nach Eimsbüttel gezogen ist und sie für die dreiwöchige Thailandreise auch einen neuen Reisepass braucht. Sie ist zum dritten Mal hier, ohne Termin. „Die ersten beiden Male sagte man mir, dass ich warten könne, aber bestimmt nicht mehr drankomme“, sagt Jana Cremer. Sie ist dann wieder gegangen. „Mein Arbeitgeber hat bald kein Verständnis mehr für mein Fehlen.“ Sie selbst ist sauer und sieht sich schon am Baggersee urlauben statt am Strand in Thailand. Doch kurz vor 10 Uhr ist es mit dem Bangen vorbei: Sie kommt dran und kann ihren Pass beantragen.

Über Ärger berichten auch Eltern, die mit der Familienkasse zu tun haben. Mehrfach wurden sie aufgefordert, für ihre volljährigen Kinder schon längst eingereichte Immatrikulationsoder Schulbescheinigungen nachzureichen. „Ich soll das Kindergeld für das letzte Schuljahr meiner Tochter nachzahlen“, sagt etwa Michael R., dessen Tochter im vergangenen Jahr Abitur gemacht hat. In einem anderen Fall nützte es nichts, dass eine Mutter die angeforderten Unterlagen einer Sachbearbeiterin vor Ort vorlegte und sich das schriftlich bestätigen ließ. Trotzdem erhielt sie den Bescheid, dass sie mehr als 3000 Euro nachzahlen sollte. Als sie dem schriftlich widersprach, erhielt sie eine Mahnung. Erst nach vielen vergeblichen Anrufversuchen kam ein Gespräch zustande, mit dem die Angelegenheit dann endgültig erledigt war. „Die Poststücke, die wir erhalten, werden digitalisiert und der elektronischen Akte zugeführt. Geschätzt fünf Prozent werden dabei falsch zugeordnet“, sagt Knut Böhrnsen, Sprecher von Familienkasse und Arbeitsagentur.

Seit der Einführung der Rente mit 63 Jahren beantragen immer mehr Menschen eine Beratung. Das bedeutet für die Mitarbeiter Mehrarbeit – und für die Kunden längere Wartezeiten. Aktuell dauert es drei Monate, bevor man bei den Filialen der Rentenversicherung am Friedrich-Ebert-Damm oder am Millerntorplatz online einen Termin bekommt: Telefonisch ist das fast gar nicht möglich und erfordert mehrere Anrufe. Das ist ärgerlich, sagt Angelika Schneider. Sie hat sich extra freigenommen und wartet jetzt auf die Beratung. „Schon die drei Monate Wartezeit sind eine Zumutung“, meint sie. „Nach der Einführung der abschlagsfreien Rente mit 63 ist die Zahl der jährlichen Kontakte mit Antragsstellern von vorher 28.000 auf 32.000 gestiegen“, sagt. Axel Tiemann Abteilungsleiter Leistungen der Rentenversicherung Nord. Ähnlich wie bei der Familienkasse kann es auch hier Pro­bleme bei der Zuordnung geben, etwa wenn Kunden arbeitslos waren und die Rentenbeiträge nicht an die Rentenversicherung gingen. Auch solche Pannen auszubügeln koste Zeit, so Tiemann.