Hamburg. Hamburger Wirtschaftsforschungsinstitut in Not. Uni steigt als Gesellschafter aus, Helmut-Schmidt-Hochschule sagt Kooperation zu.

Das Hamburgische WeltWirtschafts-Institut (HWWI) hat zwar nicht mehr die Bedeutung seines Vorgängers, der unter dem Namen Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Ar­chiv (HWWA) einst zu den großen Forschungsintituten der Republik zählte. Aber ein Aushängeschild des Forschungsstandorts Hamburg ist das Institut mit Sitz in einer denkmalgeschützten Villa in Rotherbaum immer noch.

Doch hinter den Kulissen gibt es massive Probleme, die zu einschneidenden Veränderungen führen dürften. Nach Abendblatt-Informationen hat das HWWI in den Jahren 2014 und 2015 insgesamt eine Million Euro Verlust gemacht, der nur durch das Aufbrauchen von Rücklagen ausgeglichen werden konnte. Sogar eine Insolvenz war nicht ausgeschlossen.

Die Universität Hamburg, neben der Handelskammer zweiter Gesellschafter, will ihre Anteile an dem Institut nun abgeben und hat sie der Kammer zum symbolischen Preis von einem Euro angeboten. Ob das nur an den finanziellen Problemen liegt oder andere Gründe hat, dazu halten sich die Beteiligten bedeckt. Die Uni habe „das Interesse am HWWI verloren“, heißt es in einem internen Papier der Handelskammer mit dem Titel „Neuausrichtung des HWWI“, das dem Abendblatt vorliegt.

Handelskammer sucht neuen Gesellschafter

Demnach ist die Kammer bereit, das HWWI vorübergehend komplett zu übernehmen, sie sucht aber perspektivisch einen neuen Gesellschafter. In einem ersten Schritt soll die Helmut-Schmidt-Universität (HSU) der Bundeswehr als „wissenschaftlicher Kooperationspartner“ beim HWWI mit einsteigen. Ob die HSU auch Gesellschafter wird, ist noch offen und muss letztlich vom Bundesverteidigungs- und vom Finanzministerium entschieden werden.

Ulrich Brehmer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Kammer, bestätigte auf Abendblatt-Anfrage die intensiven Bemühungen um den Erhalt des Instituts: „Das HWWI hat bundesweit einen exzellenten Ruf. Die Stärke des Instituts, globale Entwicklungen auf Hamburg und Norddeutschland runterzubrechen, ist für uns unverzichtbar. Daher empfehlen wir unserem Plenum guten Gewissens die jetzt skizzierte Lösung.“ Nachdem das Kammer-Parlament am 2. Juni über die Lage informiert wurde, soll es am 7. Juli über die Zukunft des HWWI entscheiden.

Dietmar Strey, Sprecher der Helmut-Schmidt-Universität, bestätigte das Interesse an einer Kooperation mit dem HWWI: „Wir möchten unsere Expertise im Bereich Volkswirtschaftslehre stärker für Hamburg zur Verfügung stellen und erhoffen uns von dieser Kooperation positive Effekte.“

Wie aus dem Papier der Kammer hervorgeht, ist die Schieflage des HWWI „in Zusammenhang mit dem Ausscheiden des früheren Direktors“, Thomas Straubhaar, entstanden. Das ist jedoch nicht als Kritik, sondern eher als Lob für Straubhaar zu verstehen: Denn seinem Nachfolger Christian Growitsch, der im September 2014 zusammen mit Henning Vöpel die Geschäftsführung des HWWI übernommen und dabei als Sprecher fungiert hatte, sei es nie gelungen, die Lücke seines umtriebigen Vorgängers zu schließen, heißt es. Er sei öffentlich kaum in Erscheinung getreten, die Aufträge und damit die Einnahmen seien zurückgegangen. „Er hat nicht reüssiert“, bringt es ein Insider auf den Punkt. So erklärt sich im Nachhinein, warum die Gesellschafter sich bereits im Sommer 2015 „wegen unterschiedlicher strategischer Auffassungen“ von Growitsch getrennt und Vöpel zum alleinigen Geschäftsführer bestellt hatten. Unter seiner Führung, so heißt es aus Gesellschafterkreisen, sei es mit dem HWWI wieder aufwärts gegangen. Vöpel selbst wollte sich, ebenso wie die Universität Hamburg, nicht zu dem Vorgang äußern.

Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Carsten Ovens hat zu dem Thema bereits eine schriftliche Kleine Anfrage an den Senat gestellt. Vor allem will er erfahren, seit wann die Wissenschaftsbehörde über die Schieflage des HWWI informiert war und was sie unternimmt, um das Institut zu erhalten. Dessen Probleme seien für die Wissenschaftspolitik des Senats „eine weitere Kerbe in der Liste von Pleiten, Pech und Pannen“, schreibt der CDU-Politiker – eine Anspielung auf die Probleme des Studiengangs Holzwirtschaft oder etwa den Streit um die Exzellenzinitiative.

Stadt will nicht beim HWWI einsteigen

Tatsächlich ist die rot-grüne Landesregierung in die Suche nach einer Lösung für das HWWI eingebunden. „Sollten sich die Handelskammer und die Universität Hamburg auf eine neue Gesellschafterstruktur verständigen, finden wir das völlig in Ordnung“, sagte Senatssprecher Sebastian Schaffer. Das HWWI ist und bleibe „eine Bereicherung für Hamburg“.

Ein direkter Einstieg der Stadt beim HWWI ist nach Abendblatt-Informationen zwar nicht im Gespräch. Aber dass der Senat ein Interesse am Erhalt des Instituts hat, hat er schon einmal demonstriert: 2015 hatte die Uni 150.000 Euro zusätzlich für das HWWI bereitgestellt – das Geld hatte sie von der Wirtschaftsbehörde bekommen.

Satzungsgemäß stellt die Uni dem HWWI pro Jahr 100.000 Euro zur Verfügung, die Handelskammer 150.000 Euro – beide Beträge sind für 2016 eingezahlt. Als langfristige Partner helfen auch die Berenberg Bank, die Bucerius Law School, die Haspa, die Hamburg School of Business Administration (HSBA) und die HSH Nordbank bei der Finanzierung des HWWI. Zudem wurde mit der Helmut-Schmidt-Universität vereinbart, dass sie sich 2016 mit 70.000 und 2017 mit 80.000 Euro an den Personalkosten beteiligt. Zusammen mit den eigenen Einnahmen sollen so die jährlichen Kosten von 1,37 Millionen Euro mindestens gedeckt werden. Diese waren für 2016 schon um 700.000 gesenkt worden: 120.000 Euro spart das HWWI allein dadurch, dass es die Villa an der Heimhuder Straße verlässt und zum 1. September günstigere Räume in der Innenstadt anmietet. Auch ein Personalabbau steht im Raum.

Die HSU wird die Personalkosten wohl nicht in bar leisten, sondern einfach einen ihrer Volkswirtschaftler ans HWWI entsenden. Unklar ist noch, inwiefern er oder sie dann auch in die Leitung des Instituts mit einschert.