Hamburg. Christian Growitsch verlässt das Institut wegen unterschiedlicher Auffassungen. Henning Vöpel wird alleiniger Geschäftsführer.

Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, da sprach Christian Growitsch voller Begeisterung von seinem neuen Job. Der frühere Privat­dozent (PD) aus Köln wurde Sprecher der Geschäftsführung beim Ham­burgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Gemeinsam mit Professor Henning Vöpel übernahm der damals 38-Jährige im September 2014 die Leitung des HWWI. „Dass ich dieses Institut nun leite, ist tatsächlich ein Traum, der in Erfüllung geht“, sagte Growitsch, der in Hamburg geboren wurde und in Poppenbüttel Abitur machte.

Seit Mittwoch nun ist dieser Traumjob Vergangenheit. „Wegen unterschiedlicher strategischer Auffassungen“ haben sich die beiden Hamburger Gesellschafter – die Universität und Handelskammer – „im gegenseitigen Einvernehmen“ von ihm getrennt, teilte das HWWI in einer Zehnzeilenmeldung mit. „Die Gesellschafter dankten mit dem Ausdruck des Bedauerns Herrn PD Dr. Growitsch“, hieß es. Der Volkswirt Vöpel wird das Institut künftig als alleiniger Geschäftsführer leiten.

Über den Dissens, der zu der Trennung führte, wollten sich die Beteiligten nicht äußern – weder die Gesellschafter noch der Betroffene. Dem Vernehmen nach hat Growitsch, der für eine Stellungnahme nicht mehr erreichbar war, seinen Schreibtisch mit sofortiger Wirkung geräumt. Für Insider kommt die Nachricht nicht überraschend. „Growitsch ist eigentlich nie in Hamburg aufgetreten“, sagte ein Beobachter dem Abendblatt. Dabei sollte er in der Doppelspitze die Funktion des Sprechers übernehmen, die jedoch in der Praxis eher Henning Vöpel zufiel.

Während Vöpel die Bundesregierung aufforderte, mehr Schulden zu machen, um wachstumswirksame Investitionen zu erhöhen, konzentrierte sich Growitsch auf fachspezifische Botschaften zur Digitalisierung oder Energiepolitik. Doch gerade der Handelskammer ist die öffentliche Wirkung des Instituts besonders wichtig. Dabei geht es nicht nur um wissenschaftliche Arbeiten, sondern um Botschaften, die auch außerhalb Hamburgs wahrgenommen werden. Der Vorgänger, Gründer und langjährige Leiter des HWWI, Thomas Straubhaar, beherrscht diese Spielart blendend. Er ist gern gesehener Gast in vielen Talkshows zu wirtschaftspolitischen Themen, mit Kolumnen präsent und stets auf Akquise von neuen Forschungsaufträgen. Andere wunderten sich von
Beginn an, warum ein so kleines Institut wie das HWWI überhaupt eine Doppelspitze brauche. Nun soll Vöpel das In­stitut allein führen. Vöpel gilt zugleich als Mann der Handelskammer und hat auch ihr vollstes Vertrauen, sagte der Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz.

In Absprache mit den Gesellschaftern will Vöpel, der bereits seit 2010 im HWWI tätig ist, das HWWI künftig auf vier Forschungsschwerpunkte konzentrieren. Erstens: Weltwirtschaft, internationaler Handel und Konjunktur. Zweitens: Stadt- und Regionalforschung mit Schwerpunkt Hamburg. Drittens: Arbeit, Familie und Demografie. Viertens: Energie, Klima und Umwelt. „Mit dem HWWI wollen wir Forschung betreiben, die der Hamburger Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik konkret hilft“, sagte Vöpel dem Abendblatt. Diese Erwartungen und Anforderungen stellten auch die Sponsoren und finanziellen Unterstützer an das Institut. Durch die Konzentration auf diese Kernthemen soll die öffentliche Bedeutung des HWWI weiter erhöht werden, sagte der 42-jährige Vöpel dem Abendblatt.

Sein Schwerpunkt liegt auf der Globalisierung und internationalen Wirtschaft. In der Griechenland-Krise sorgt Vöpel derzeit mit Ideen für eine Neuregelung von partiellen Staats­insolvenzen innerhalb der Euro-Zone für neue Denkanstöße. Auch das internationale Handelsabkommen TTIP steht in seinem Fokus. Zudem ist Vöpel ein Experte in den Bereichen Mikro-, Makro- und Spieltheorie und gilt als gefragter Kenner der Sportökonomie. Das HWWI ist ein privat finanziertes Forschungsinstitut. Gesellschafter sind die Universität Hamburg sowie die Handelskammer Hamburg. Hinzu kommen weitere finanzielle Förderer und Mäzene wie die Berenberg Bank, Hamburger Sparkasse und HSH Nordbank. Insgesamt arbeiten derzeit 25 bis 30 Wissenschaftler für das Institut, das in Bremen einen weiteren Standort mit vier Beschäftigten unterhält. Und an dieser Struktur, so Vöpel, sind derzeit keine Änderungen geplant.