Hamburg. Stadt und Wohnungswirtschaft einigen sich auf den Bau 10.000 Wohnungen pro Jahr. Auch der Umweltsenator Jens Kerstan ist zufrieden.

Gut ein Jahr haben die Verhandlungen gedauert – jetzt ist das Hamburger Bündnis für das Wohnen in Sack und Tüten. Am Dienstag unterschrieben mehrere Senatoren und Vertreter der Wohnungswirtschaft den Vertrag, der den Bau von 10.000 Wohnungen vorsieht. Damit dieses Ziel auch erreicht wird, werden die Bezirke stärker als bisher in die Pflicht genommen.

Bürgermeister Olaf Scholz gehörte zwar selbst nicht zu den Unterzeichnern, ließ sich die Zeremonie im Kaisersaal des Rathauses nicht entgehen. „Der kooperative Stil ist das eigentlich Erfolgsgeheimnis des Wohnungsbaus in Hamburg“, sagte der Senatschef und nahm damit Bezug auf die Ergebnisse des ersten Bündnisses.

Das Ziel, künftig jedes Jahr 10.000 Wohnungen zu errichten, sei „keine leichte Sache“ und ausgesprochen anspruchsvoll. „Alle müssen gemeinsam an einem Strang ziehen“, sagte Scholz. Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) ergänzte, die 8500 im vergangenen Jahr übergebenen Wohnungen seien Ausdruck der „sehr guten Zusammenarbeit von Wohnungswirtschaft und Senat“.

Der Chef des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner, äußerte sich zufrieden darüber, dass im neuen Bündnisvertrag die Verpflichtungen der Behörden und der Bezirksämter festgehalten worden seien. Man habe Anfang des Jahres darauf hingewiesen, dass auf Grund von bürokratischen Hindernissen 1100 Wohnungen in Hamburg hätten nicht gebaut werden können.

Bündnis für das Wohnen gilt als Erfolgsmodell

Hamburgs Bündnis für das Wohnen gilt weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus als ein Erfolgsmodell. Angesichts des angespannten Wohnungsmarkts einigten sich im Jahr 2011 der SPD-Senat und die Wohnungswirtschaft darauf, jedes Jahr mindestens 6000 Wohnungen zu bauen – 2000 davon öffentlich gefördert. Mit dem Ende der Legislaturperiode im März 2015 lief auch die Bündnisvereinbarung aus.

Der Erfolg ist – vor allem im Vergleich mit anderen Metropolen – beeindruckend. Nach Anfangsschwierigkeiten schnellten die Bauzahlen in die Höhe. Rund 30.000 Wohnungen wurden seit 2011 fertiggestellt. Auch für die nahe Zukunft sieht es gut aus: Für 18.000 Wohnungen liegt eine Baugenehmigung vor.

Zuletzt hatte es noch einmal heftigen Streit innerhalb der rot-grünen Koalition gegeben. Nachdem Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) den Abschluss der Verhandlungen verkündet hatte, stellte sich Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) quer. Er werde das Papier nicht unterzeichnen, wenn nicht im Gegenzug mehr Geld für die Pflege von Grünanlagen erhalte, erklärte der Senator. Bau- und Umweltbehörde einigten sich daraufhin auf einen sogenannten „Ökofinanzausgleich“.

Viele unterschiedliche Interessen müssen an einen Tisch

Die Herausforderung des Bündnisses besteht darin, Partner mit unterschiedlichen Interessen an einen Tisch zu bekommen. Zum einen ist da die Bauwirtschaft, ohne die ein Wohnungsbauprogramm nicht machbar ist. Zum anderen sind es die Bauämter der sieben Hamburger Bezirke, ohne deren Beamte im Alltagsgeschäft nichts läuft.

Das Erfolgsgeheimnis des ersten Bündnisses für das Wohnen lag in der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Regelmäßig trafen sich Beamte aus der Baubehörde und den Bezirken mit Vertretern von Wohnungsgenossenschaften, Baufirmen, Maklern und Grundeigentümern. Probleme wurden früh angesprochen und ausgeräumt.

Die Verhandlungen über eine Neuauflage des Bündnisses nach der Bürgerschaftswahl waren trotz der Erfolgsbilanz von Anfang an mit Problemen behaftet. Unter dem reinen SPD-Senat gehörte die Umwelt- zur Stadtentwicklungsbehörde, und die damalige Senatorin Jutta Blankau machte keinen Hehl daraus, dass ihr der Bau von jährlich 6000 Wohnungen mehr am Herzen lag als die Forderungen nach einem „überzogenen“ Umweltschutz.

Das lag auch daran, dass sich unter Baupolitikern und bei der Wohnungswirtschaft mehr und mehr Widerstand gegen eine weitere Erhöhung energetischer und umwelttechnischer Anforderungen an den Wohnungsbau formiert hatte. Experten zufolge verursachen diese Anforderungen in erheblichem Maß steigende Baukosten, die – vor allem in Ballungsgebieten – die Mietpreise nach oben treiben. In Hamburg, heißt es, ist es ohne staatliche Förderung kaum mehr möglich, für weniger als zwölf Euro pro Quadratmeter eine Wohnung zu bauen.

Allerdings galt auch die Mietpreisbremse seit ihrer flächendeckenden Einführung am 1. Juni 2015 als Zankapfel zwischen Senat und Wohnungswirtschaft. Letztere wies stets daraufhin, dass in weniger angesagten Stadtvierteln die Nachfrage nach Wohnraum bereits stagniere. Eine Mietpreisbremse, wonach Neumieten nur noch maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen, würde hier die Probleme verschärfen.

Olaf Scholz wollte retten, schaltete sich ein

Um das Bündnis zu retten, schaltete sich in den vergangenen Monaten Bürgermeister Olaf Scholz selbst in die Verhandlungen ein. Verhandlungsteilnehmer berichteten, dass alle wichtigen Punkte seiner Zustimmung bedurften – auch der Verzicht auf ein bereits versprochenes wissenschaftliches Gutachten über die Lage des Wohnungsmarktes in den einzelnen Stadtteilen.

Daneben macht Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt seit Monaten keinen Hehl daraus, dass Hamburg auf der grünen Wiese wachsen muss, um den jährlichen Zuzug von mehreren Zehntausend Menschen zu bewältigen. Kritik daran war von den Grünen eher wenig zu hören. Auch den Plan, 4800 Expresswohnungen für Flüchtlinge – ein Teil davon auf Grünflächen – zu errichten, trug der kleine Koalitionspartner mit.