Hamburg. Politikerinnen kritisieren „Schieflage“. Wohnraum entsteht vor allem in belasteten Vierteln, Elbvororte bleiben ausgenommen.
CDU und Linkspartei haben den Senat aufgefordert, mehr für den sozialen Wohnungsbau zu tun. Die CDU wies darauf hin, dass allein 2015 gut 8000 Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen seien und jetzt frei vermietet werden können, aber nur 2041 neue Sozialwohnungen genehmigt wurden. Auch funktioniere die Steuerung nicht. Während in einigen Bezirken praktisch keine Sozialwohnungen entstünden, würden in Mitte und Harburg deutlich mehr als das versprochene Drittel gebaut, sagte die stadtplanungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Birgit Stöver. Ähnlich äußerte sich die Linksfraktion.
Sie forderte ein radikales Umdenken: Die Stadt solle selber bauen, sagte die Linken-Stadtplanerin Heike Sudmann und verwies auf Wien, wo 62 Prozent der 1,8 Millionen Einwohner zu moderaten Mieten in öffentlich geförderten Wohnungen leben.
Stöver: „Eigentlich müsste der soziale Wohnungsbau als Steuerungsinstrument für die Bevölkerungsstruktur in den Stadtteilen funktionieren. Dem ist aber nicht so.“ Laut Stadtentwicklungsbehörde sind im Bezirk Altona 2015 unter den 1969 genehmigten Wohnungen ganze 74 Sozialwohnungen gewesen, im Bezirk Wandsbek waren von 2045 Einheiten nur 116 Sozialwohnungen. Dagegen wurde in Hamburg-Mitte mit 915 von 1664 Genehmigungen weit mehr als das im „Bündnis für das Wohnen“ mit der Bauwirtschaft vereinbarte Drittel erreicht. Auch Harburg hat mit 249 Sozialwohnungen bei 722 Genehmigungen insgesamt sein Sozialwohnungssoll übererfüllt.
Stöver und Sudmann sprachen von einer „Schieflage“, die die Vermutung nahelege, dass der soziale Wohnungsbau eher da entstehe, wo er der Bevölkerungsstruktur weniger guttue und frei finanzierte Wohnungen schlechter verkäuflich seien. In Jenfeld, Billstedt, Wilhelmsburg, Hamm und Horn entstehe preiswerter Wohnraum, gern auch an Hauptstraßen, in den Elbvororten und im Alstertal dagegen nicht.
„Zum Gegensteuern reicht es nicht, wenn die städtische Saga GWG im Jahr 2000 Wohnungen baut“, sagte Sudmann. „Sie müsste im großen Stil Wohnraum schaffen.“ Auf der Basis der Erhebungen zum Mikrozensus 2012 haben 40 Prozent der Hamburger Haushalte wegen ihres geringen Einkommens Anspruch auf eine Sozialwohnung. Das entspricht 367.000 Hamburger Haushalten. Dem standen 2012 rund 97.000 Sozialwohnungen gegenüber. Ende 2015 waren es nur noch 87.335. – mit weiter stark rückläufiger Tendenz.
Der im gerade erneuerten „Bündnis für das Wohnen“ beschworene sogenannte Drittelmix, nach dem ein Drittel der genehmigten Wohnungen Sozialwohnungen sein sollen, suggeriere laut Sudmann zudem einen weit höheren Anteil günstiger Wohnungen, als er faktisch realisiert werde. So spreche die Koalition bei 2000 gebauten Sozialwohnungen von „Planerfüllung“, obwohl die genehmigte Anzahl von 9560 Einheiten einen Anteil von 3187 Sozialwohnungen erwarten ließe.
Weil aber im alten „Bündnis für das Wohnen“ nur eine Zielzahl von 6000 Baugenehmigungen steht, sieht die Regierung zumindest für 2015 schon mit ihren 2041 Sozialwohnungen das Ziel erreicht. Alles, was darüber liege, sei die Kür, heißt es. Auch wurde der Anteil der Sozialwohnungen im jetzt neu verhandelten „Bündnis für das Wohnen“ auf 3000 Einheiten jährlich erhöht.
Stöver und Sudmann befürchten dennoch, dass der Anteil an Sozialwohnungen weiter sinken werde. Weil es erstens weiterhin keine Handhabe gebe, den Bauherrn zum Bau von Sozialwohnungen zu zwingen. Die Stadt könne ihre Forderungen nur Nachdruck verleihen, wenn der Bauherr eine Befreiung vom geltenden Baurecht brauche. Zweitens habe die Wohnungswirtschaft erreicht, dass sich das zu bauende Drittel Sozialwohnungen in Streitfällen nicht mehr auf das ganze Bauvorhaben bezieht, sondern nur noch auf durch Befreiung zusätzlich genehmigte Wohnungen. Auch wenn der Passus geltender Rechtsprechung entspricht, regt sich dagegen selbst bei SPD-Politikern Protest.