Hamburg. Neuer Chef Michael Knobloch will neue digitale Projekte voranbringen – und fordert höhere finanzielle Zuschüsse von der Stadt.

Als neuer Chef der Hamburger Verbraucherzentrale muss sich Michael Knobloch nicht nur um die Interessen der Verbraucher, sondern auch um die Finanzen seiner In­stitution kümmern. 29 Cent pro Einwohner bekommt er im Jahr als Grundförderung von der Stadt Hamburg. „Das ist für die Grundfinanzierung unserer Arbeit viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass es in Nordrhein-Westfalen 70 Cent gibt“, sagt Knobloch. Der Jahresetat liegt bei 4,5 Millionen Euro. Zwar gibt es über die 518.000 Euro Grundförderung von der Stadt noch weitere staatliche Mittel, aber die sind an zeitlich begrenzte Projekte gebunden. Rund ein Drittel ihres Etats erwirtschaften die Verbraucherschützer selbst. Knobloch wünscht sich eine höhere Grundförderung. „Mit einer Verdoppelung wäre uns schon geholfen.“

Inhaltlich setzt Knobloch auf bessere Onlineangebote: Mehr Internet, weniger Hilfestellung am Telefon oder im direkten, persönlichen Gespräch. „Durch die Digitalisierung verändern sich die Zugangswege, dabei nimmt die direkte persönliche Beratung ab“, sagt der 45-jährige Jurist, der jüngst die Leitung der ersten in Deutschland gegründeten Verbraucherzentrale von seinem Vorgänger Günter Hörmann übernommen hat. „Wir müssen neue Wege erproben und der technischen Entwicklung folgen, ohne den persönlichen Kontakt zu vernachlässigen.“

Ein erstes Rechentool zur Berechnung der Restschuld von Krediten ist auf der Internetseite der Verbraucherzentrale bereits gestartet. Das ist wichtig für Verbraucher, die ihre Baufinanzierung widerrufen wollen. Eine einfache Version gibt es kostenlos. Wer sich eine ausführliche Berechnungsdokumentation herunterladen will, muss 30 Euro bezahlen. „Innerhalb von wenigen Wochen wurde der Rechner bereits 4000-mal genutzt, leider meist in der kostenlosen Variante“, sagt Knob­loch. Er denkt an weitere Tools, etwa zur Überprüfung von Sparverträgen und Krediten mit variablen Zinsen. Denn hier fehlt oft eine faire Anpassung durch die Banken. Die Kunden zahlen dann zu hohe Zinsen (Kredit) oder bekommen zu niedrige Zinsen gutgeschrieben (Sparvertrag).

Regionale Grenzen der Verbraucherzentralen verschwimmen

Weitere Möglichkeiten neuer Beratungsformen sieht Knobloch in der individuellen Videoberatung und in
„Webinaren“, also einem Seminar, dass über das Internet abgehalten wird. Damit verschwimmen auch die regionalen Grenzen der Verbraucherzentralen. „Schon heute bekommen wir Anfragen aus allen Teilen der Republik“, sagt Knobloch. „Webinare“ hält er bei allen Themen für möglich, die heute schon in klassischer Seminarform angeboten werden. Also etwa zur Baufinanzierung, Altersvorsorge oder zum Patientenschutz. Fragen, die bisher direkt an den Referenten gestellt werden, können über einen Chat beantwortet werden. Schon jetzt zeigt sich, wie stark das Internet die Arbeit der Verbraucherzentrale bestimmt. „Im vergangenen Jahr hatten wir 3,7 Millionen Verbraucherkontakte, wenn man unseren Internet- und Facebookauftritt mit einbezieht. Dem gegenüber stehen 180.000 direkte Beratungen einschließlich der Seminare“, sagt Knobloch.

Zwar will er wie bisher alle Bereiche des Verbraucherschutzes bis auf das Mietrecht abdecken, aber gleichzeitig Schwerpunkte setzen und Kampagnen starten. „Denn Verbraucher haben selten ein kollektives Bewusstsein, während die Anbieterseite mit immer gleichartigen Verträgen wesentlich besser aufgestellt ist“, sagt Knobloch.

Als ein großes Problem sieht er den Markt für Fernwärme. „Es gibt zwar 150 Fernwärmenetze in Hamburg, aber der Verbraucher hat keine Auswahl, leidet unter intransparenten Bedingungen – und während der Laufzeit können Preisanpassungsklauseln geändert werden.“ Hier plant die Verbraucherzentrale eine Transparenzoffensive. Allein durch eine bessere Einstellung der Anlagen könnte die Energieeffizienz um 20 bis 30 Prozent gesteigert werden. Aber das liege natürlich nicht im Interesse der Anbieter, sagt Knobloch.

Zunächst wollte der Mecklenburger Knobloch Arzt werden. Doch nach dem Physikum sattelte er doch auf Jura um. „Durch meine Freundin hatte ich einen Einblick in dieses Fach und gewann zunehmend Interesse.“ An der Universität Hamburg studierte er Rechtswissenschaften und arbeitete nebenbei für die Verbraucherzentrale Hamburg. „Der Kontakt ist nie abgerissen“, sagt Knobloch, der nach dem Studium in verschiedenen Kanzleien und zehn Jahre am Hamburger Institut für Finanzdienstleistungen (iff) tätig war. „Ich wollte etwas machen, was der Gesellschaft und den Menschen hilft“, sagt Knobloch. „Auf Wirtschaftsrecht hatte ich nie so große Lust.“

Zwar hat die Verbraucherzentrale Hamburg schon viele Urteile für Konsumenten erstritten, aber wer davon profitieren will, muss selbst aktiv werden. Knobloch will dieses Bewusstsein stärken. Im Rahmen der Initiative „Finanzmarktwächter“ kümmern sich die Hamburger um Versicherungen. „Es gibt viele Probleme: Intransparente Lebens-, Berufsunfähigkeits- oder Restschuldversicherungen mit weitreichenden Leistungsausschlüssen“, sagt Knobloch. Bald sollen erste Ergebnisse zu einer Untersuchung über die Verständlichkeit der jährlichen Standmitteilungen von Lebens- und Rentenversicherungen vorliegen. „Diese muss man verstehen, um zu entscheiden, ob eine weitere Einzahlung noch sinnvoll ist“, sagt Knobloch. Die Finanzmarktwächter sind ein bundesweites Netzwerk, an dem sich alle 16 Verbraucherzentralen beteiligen und Empfehlungen für die Politik geben.