Hamburg . Nach mehr als zwei Jahrzehnten geht Hörmann in Rente. Er hat die Hamburger Verbraucherzentrale zu bundesweiter Größe gemacht

Das Einkaufen überlässt er nicht so gerne seiner Frau. „Das übernehme ich lieber“, sagt Günter Hörmann, der seit mehr als zwei Jahrzehnten die Verbraucherzentrale Hamburg leitet. Bei seinem Beruf liegt ein häufiger Gang durch die Supermärkte nahe, denn der Hamburger Verbraucherschützer entdeckt häufig Mogel­packungen – als Profi. Ob Babycreme, Windeln oder Studentenfutter: Meist schrumpft der Inhalt um mehrere Gramm oder Stück, aber der Preis bleibt gleich, was eine versteckte Preiserhöhung bedeutet.

Nun hat der 65-Jährige mehr Zeit zum Einkaufen, denn der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Hamburg wird heute in den Ruhestand verabschiedet. Ein radikaler Schnitt für ihn. „Ich werde meine Kollegen nach meinem Ausscheiden nicht mehr mit Tipps nerven“, sagt Hörmann, der privat kein Pfennigfuchser ist. Er achtet zwar, wie er das seinen Kunden empfiehlt, auf günstige Telekommunikations- und Energieverträge. „Aber ich tätige auch den einen oder anderen Spontankauf ohne vorher große Preis- und Qualitätsvergleiche anzustellen.“ Nur in Ernährungsfragen ist er wieder ganz Verbraucherschützer: „Ich achte beim Einkauf sehr auf regionale Produkte.“ Erdbeeren im Winter kommen nicht in seinen Einkaufskorb.

Hörmann trat als Sanierer der Hamburger Verbraucherzentrale an

Seit 1992 leitet er die Verbraucherzentrale Hamburg. Damals wurde ein Sanierer gesucht, denn die Verbraucherzentrale stand Ende 1991 kurz vor der Insolvenz. Hörmann, im niedersächsischen Sulingen geboren, kannte Hamburg bereits vom Studium der Rechtswissenschaft und Soziologie. Danach arbeitete er als Referent für Finanzdienstleistungen bei der damaligen Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände in Bonn. „Ich dachte an einen Job für einige Jahre, bis der Laden wieder in Schwung kommt“, sagt Hörmann zu seinem Hamburg-Engagement. Doch es kam anders. „Ich war an eine der spannendsten und abwechslungsreichsten Aufgaben geraten.“

Bei seinem Amtsantritt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg einen Gesamtetat von umgerechnet 1,2 Millionen Euro und 70 Mitarbeiter. Heute sind es 4,5 Millionen Euro und 130 fes­te und freie Beschäftigte. Rund 200.000 Verbraucher werden pro Jahr persönlich, schriftlich, oder telefonisch beraten. Hinzu kommt eine stark nachgefragte Internetseite und viel Zuspruch auf Facebook. „In beiden Bereichen sind wir im Bundesvergleich auf Platz zwei hinter den Kollegen aus Nordrhein-Westfalen“, sagt Hörmann.

In Hamburg wurde die bundesweit erste Verbraucherzentrale 1957 gegründet. Obwohl die Stadt nur an 13. Stelle bei der Einwohnerzahl der Bundesländer steht, ist die Hamburger Verbraucherzentrale gemessen an Mitarbeitern und der Breite des Beratungsangebots die größte in Deutschland und liegt vor vergleichbaren Städten wie Berlin, München oder Köln. „Wir beraten zu allen Themen mit Ausnahme des Mietrechts“, sagt Hörmann. „Er hat maßgeblichen Anteil, dass der finanziell angeschlagene Verein saniert und inhaltlich profiliert wurde, insbesondere im wirtschaftlichen Verbraucherschutz“, sagt Hamburgs Verbraucherschutzsenatorin Cornelia Prüfer-Storcks über ihn.

E.on Hanse bekam die Macht der Verbraucherzentrale zu spüren

Der Aufstieg der Verbraucherzen­trale Hamburg zu einer Kontrollin­stanz mit bundesweitem Ruf hat vor allem mit der Liberalisierung der Märkte zu tun. War Verbraucherberatung bis Mitte der 1990er-Jahre vor allem Produktberatung, so kamen mit der Liberalisierung der Versicherungs-, Telekommunikations- und Energiemärkte ganz neue Fragen auf die Verbraucherschützer zu. Bei Problemen mit Versicherungen oder Energielieferanten geht es vor allem darum, Einzelfälle zu bündeln. Das ist Hörmanns Fachgebiet.

Keine andere Firma hat das so zu spüren bekommen wie E.on Hanse. Der norddeutsche Gasversorger hatte unwirksame Preisklauseln verwendet, wie sich aus mehreren Urteilen ergab. Folglich waren die Gaspreiserhöhungen nicht gültig. Die Kunden hatten sich teilweise geweigert, die höheren Preise zu bezahlen und wurden von E.on Hanse verklagt.

In Winsen hatte ein Richter an einem Tag die Verhandlung von 70 Klagen angesetzt und alle abgewiesen. Rund acht Jahre lang zog sich der Rechtsstreit hin. „Wir haben dabei erstmals die Möglichkeit einer Sammelklage genutzt“, sagt Hörmann. 54 Hamburger hatten ihre Rückzahlungsansprüche an die Verbraucherzentrale abgetreten, die für die Hamburger 75.000 Euro vor Gericht erstritt.

Dennoch ist Hörmann mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Verbraucher die das Risiko eingingen, die erhöhten Preise nicht zu bezahlen, mussten nichts nachzahlen. Doch das waren die wenigsten. 5000 Kunden hatten zwar Widerspruch eingelegt, aber die höheren Gaspreise bezahlt. Sie hätten sich ihr Geld durch individuelle Klagen zurückholen müssen. Doch Hörmann geht nicht davon aus, dass die Mehrheit das getan hat. Und Hunderttausende Kunden, die bisher überhaupt noch nichts unternommen haben, müssten einen Erstattungsanspruch erst noch prüfen lassen.

„Bei dem Löwenanteil der unrechtmäßigen Preiserhöhungen ist das Unternehmen davongekommen“, sagt Hörmann. „Wir können mit unseren erstrittenen Urteilen meist nur ein Signal setzen.“ In den meisten Fällen müssen die Verbraucher ihre Rechte selbst durchsetzen. „Die Verbraucherzentrale Hamburg hat mit zahlreichen Musterklagen wegweisende Urteile erstritten“, bestätigt Senatorin Prüfer-Storcks.

Hamburgs Verbraucherzentrale mit geringer Grundfinanzierung

Da Banken und Versicherungen nicht klein beigeben, enden die meisten Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH). So müssen Banken und Sparkassen zum Beispiel bei der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung im Kreditvertrag enthaltene mögliche Sondertilgungen berücksichtigen, erstritt die Verbraucherzentrale kürzlich (Az. XI ZR 388/14). Die Vorfälligkeitsentschädigung müssen Kunden bezahlen, wenn sie eine Baufinanzierung vorzeitig kündigen.

Die Allianz wollte Riester-Sparer, die weniger als 40.000 Euro in ihren Vertrag einzahlen, nur eingeschränkt an Überschüssen des Versicherungskonzerns beteiligen. Diese Ungerechtigkeit hat der BGH untersagt, nachdem die Hamburger geklagt hatten (Az. IV ZR 38/14). Doch auch in diesen Fällen müssen Verbraucher nun selbst aktiv werden. „Wir sind auch deshalb so erfolgreich, weil wir immer Ross und Reiter nennen und mit Musterbriefen die Rechte der Verbraucher stärken“, sagt Hörmann. Das hat die Hamburger bundesweit bekannt gemacht.

Zwar hinterlässt Hörmann ein fachlich gut bestelltes Haus und auch 4,5 Millionen Gesamtetat hören sich nach viel an. „Aber keine Verbraucherzentrale hat eine so geringe Grundfinanzierung im Verhältnis zum Gesamtetat“, sagt Hörmann. Rund 500.000 Euro kommen jährlich von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Zwar gibt es noch weitere staatliche Mittel, aber die sind an zeitlich begrenzte Projekte gebunden. Insgesamt bestreiten die Verbraucherschützer ihren Haushalt zu 40 Prozent aus selbst erwirtschafteten Einnahmen. Auch Hörmanns Nachfolger Michael Knobloch, der vom Institut für Finanzdienstleistungen kommt, sieht das Problem: „Es ist sehr schwierig, mit einer so geringen Grundförderung ein so großes System wie die Verbraucherzentrale Hamburg zu steuern.“