Hamburg. Viele Wirte finden keine Fachkräfte. Deutlich mehr freie Stellen als im Vorjahr. Einige stellen auf Selbstbedienung um.
Der Sommer steht vor der Tür und mit ihm die Hochsaison für die Gastronomen. An zusätzlichen Außenständen werden Bier gezapft und Würstchen verkauft, und sobald die Sonne herauskommt, ist auf den Terrassen der Bars, Restaurants und Cafés kaum ein freier Platz zu finden. Doch in dieser Saison könnte es vielerorts etwas länger dauern, bis das Bier auf dem Tisch steht.
Denn derzeit fehlt in der Hamburger Gastronomie an allen Ecken und Enden Personal: Köche, Küchenhilfen, Kellner, Tresenkräfte. Wie die Hamburger Agentur für Arbeit mitteilte, sind in dem gesamten Bereich Gastronomie derzeit 829 Stellen ausgeschrieben (Stand April 2016). Das sind 145 Stellen oder 21,2 Prozent mehr als im Frühjahr 2015. Die vakanten Stellen verteilen sich auf Hotels (197), Restaurants, Gaststätten, Imbisse, etc. (489) sowie Caterer (126) und weitere. Und mutmaßlich wird das Problem in den kommenden Jahren nicht kleiner werden – im Gegenteil. Denn die Branche steht immer auch im Verhältnis zum Tourismus. Und weil Letzterer stetig wächst, erhöht sich auch der Bedarf in der Gastronomie. So ist die Gesamtzahl der Beschäftigten von 2015 auf 2016 um 1900 auf 35.900 gestiegen.
Die Qualifikation der Bewerber ist meist nicht ausreichend
Michael Müller, Chef des bekannten Cafés Strauss in Eimsbüttel, ist direkt betroffen. „Wir suchen schon seit Monaten nach Personal in der Küche und im Service und finden keine geeigneten Bewerber“, sagt Müller. Im Internet hat er Anzeigen geschaltet, im Freundeskreis herumgefragt. Das Übliche. Aber meist war die Qualifikation der Bewerber nicht ausreichend. „Bevor es den Mindestlohn gab, haben wir auch dann und wann mal gänzlich Ungelernte eingestellt, denen aber dann in der Einarbeitungszeit weniger gezahlt als den anderen. Heute müssen wir vom ersten Tag an 8,50 zahlen. Ein gewisses Know-how muss ich dafür schon verlangen.“
Auch im Landhaus Walter im Stadtpark klingen die Erzählungen ähnlich. „Im Moment ist es eine Katastrophe“, sagt Personalchefin Susanne Westphal. „Besonders im Küchenbereich ist es schlimm. Eine Außenstation können wir im Moment gar nicht erst öffnen, weil das Personal fehlt.“ Aus ihrer Sicht spielt der Mindestlohn eine große Rolle. „Erfahrene Leute sehen nicht mehr ein, für 8,50 Euro zu arbeiten und damit dasselbe zu verdienen wie eine ungelernte Kraft. Also müssten wir mit dem Lohn noch weiter nach oben gehen. Aber das können wir uns nicht leisten“, so Westphal weiter. Normalerweise bildet das Landhaus Walter auch aus. Doch auch auf die freie Azubi-Stelle hat sich bisher niemand gemeldet. „Wir suchen wirklich dringend.“
Problem der Kinderbetreuung spielt eine Rolle
Dass Gastronomen den Mindestlohn als Begründung für die Probleme heranziehen, stößt bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) auf deutliche Kritik. „Viel zu häufig wurden in der Branche selbst Fachkräfte mit Niedriglöhnen abgespeist. Nach einer mehrjährigen, harten Ausbildung muss einfach mehr drin sein. Kurz gesagt: Wer seinem Koch keine 8,50 Euro zahlen kann, sollte sein Geschäftsmodell überdenken“, so NGG- Sprecher Jonas Bohl.
Bei der Arbeitsagentur nach den Gründen für die Probleme bei der Besetzung nachgefragt, heißt es: „Die oftmals geringen Verdienstmöglichkeiten und schwierigen Arbeitszeiten halten viele davon ab“, so Sprecher Knut Böhrnsen. Zudem spiele besonders beim weiblichen Personal auch das Problem der Kinderbetreuung eine Rolle. „Welche Kita hat schon bis 22 Uhr geöffnet?“ Böhrnsen verweist auch darauf, dass eine große Zahl der Ausbildungsverhältnisse innerhalb des ersten halben Jahres wieder gelöst werden. Das „Gastro-Gen“, wie Böhrnsen es nennt, hätten eben nicht alle.
Zu wenige Menschen wollen den Beruf erlernen
Laut Ulrike von Albedyll, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Hamburg, kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. „Im Schnitt ein Drittel der Auszubildenden in der Gastronomie waren bisher Abiturienten. Doch der Trend geht einfach hin zum Studium. So kommt es, dass es inzwischen einfach zu wenig Menschen gibt, die den Beruf erlernen wollen.“ Die Branche setze nun auch auf die Flüchtlinge, die dauerhaft in Hamburg bleiben. Einige Fälle sind ihr bereits bekannt, in denen Geflüchtete eingestellt wurden. Von einer flächendeckenden Lösung kann aber bei Weitem nicht die Rede sein. Bei vielen Gastronomen drängt aber gerade jetzt die Zeit.
Jan-Dirk Dicht, Chef der Bar Die Bucht am Stadtpark, hat zumindest inzwischen teilweise resigniert. Bis vor wenigen Jahren noch wurden die Gäste auf seiner Terrasse bedient, aber dann blieb das Personal weg. Über seriöse und gängige Portale wie www.hotel- career.de machte er sich auf die Suche nach neuen Kräften – ohne Erfolg.
„Deswegen mussten wir auf unserem Außenbereich den Service ganz einstellen und auf Selbstbedienung umstellen.“ Eigentlich sei diese Maßnahme nur als Übergangslösung gedacht gewesen. Doch daraus wurde nichts. „Auch in dieser Saison können wir draußen keinen Service anbieten.“