Hamburg. Arbeitsagentur will mehr Lehrlinge in Betriebe vermitteln. Zahl der Arbeitslosen in Hamburg sinkt um vier Prozent auf 70.694.
Nach dem Abitur war Melanie Weide klar: „Ein Studium sofort nach der Schule kam für mich nicht infrage. Ich wollte lieber arbeiten, als nur zu lernen.“ Aber abgeschrieben hatte sie ein Studium nicht. Da sie schon während der Schule in einer Buchhandlung gearbeitet hatte, freute sie sich über eine Lehrstelle bei der Hamburger Fachbuchhandlung Boysen + Mauke. Inzwischen hat sie ihre Ausbildung beendet und beginnt im September ein BWL-Studium neben der Arbeit. Ihren Job hat sie dazu auf wöchentlich 30 Stunden verkürzt.
Angesichts gestiegener Abbrecherzahlen beim Studium rät die Arbeitsagentur Hamburg zu neuen Wegen bei der Ausbildung. Fast jeder dritte Student bricht sein Studium ab. In einigen Fachgebieten liegt die Abbrecherquote bei fast 50 Prozent. „Für einen Großteil der abgehenden Schüler ist daher der Berufseinstieg über eine klassische aber anspruchsvolle Berufsausbildung überschaubarer, verbindlicher und einfacher zu realisieren“, sagt Sönke Fock, Chef der Arbeitsagentur Hamburg. Er weist auf die vielen Hamburger Unternehmen hin, die gerade Abiturienten für eine gehobene Lehre gewinnen wollen, um sie dann fachlich weiter aufzubauen und schnell mit Führungsaufgaben zu betrauen. „Wir sprechen hier von Ausbildungsangeboten, die auf Abiturienten zugeschnitten sind. Deren Vorteil ist, dass sie sofort fest im Betrieb verankert sind, sofort Geld verdienen und mit höchster Wahrscheinlichkeit übernommen werden“, sagt Arbeitsagentur-Chef Fock.
Ohne Abitur geht fast nichts mehr
Der Anteil der Abiturienten, der sich zunächst lieber für einen Ausbildungsberuf entscheidet, steigt in Hamburg seit Jahren an. Von 2002 bis 2014 legte der Anteil der Abiturienten bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen von 29 auf 39 Prozent zu, geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hervor. Bei manchen Ausbildungen geht ohne Abitur fast nichts mehr. Dazu gehören Bankkauf-, Medien- oder Schifffahrtskaufmann.
Erstmals wird es in diesem Jahr eine spezielle Ausbildungsmesse für Abiturienten geben, an der sich 45 Hamburger Unternehmen mit ihren Ausbildungsangeboten beteiligen. Die Messe findet am 22. Juni in der Schule für Medien und Kommunikation statt (www.abi-up.de). „Gerade Ausbildungsangebote in kaufmännischen Dienstleistungsberufen sind eine anspruchsvolle Alternative zum Studium“, sagt Fock. Jährlich verlassen 9000 Abiturienten die Schule in Hamburg.
„Wir fahren am besten, wenn wir unser Personal selbst ausbilden“
Die Ausbildung kann das Interesse an einem Studium auch noch fördern. Nach ihrer Ausbildung zur Buchhändlerin bei Boysen + Mauke hat Isabel Bales eine weitere Ausbildung als Handelsfachwirtin im Abendstudium gemacht und Wirtschaftsinformatik studiert. Innerhalb des Unternehmensverbunds Schweitzer Fachinformationen, zu dem Boysen + Mauke gehört, arbeitet sie jetzt in Berlin im mittleren Management und betreut die Internetplattform für Fachinformationen und entwickelt auch neue Produkte. „Das Studium war nur aufgeschoben, aber durch die praktische Arbeit wusste ich besser, in welche Richtung ich gehen wollte“, sagt Bales.
„Gemeinsam schauen wir, welches Studium zu den künftigen Aufgaben im Unternehmen passt“, sagt Rudolf Oechtering, Geschäftsleiter der Buchhandlung Boysen + Mauke mit knapp 70 Beschäftigten. „Wir fahren am besten, wenn wir unser Personal selbst ausbilden“, sagt er. Die Aufstiegschancen würden vielfach unterschätzt, weil der Beruf des Buchhändlers zu Unrecht inzwischen als verstaubt gilt. „Doch Fachinformationen wie Gesetzestexte werden immer benötigt.“ Das Unternehmen versorgt Rechtsanwälte, Steuerberater, Hochschulen, Behörden und Unternehmen mit Fachliteratur. Boysen + Mauke ist im Unternehmensverbund Schweitzer Fachinformationen der verantwortliche Standort für Norddeutschland. Die neun Unternehmen der Schweitzer Fachinformationen beschäftigen derzeit an 24 Standorten über 600 Mitarbeiter und 25 Auszubildende.
Zahl der Arbeitslosen im Mai um knapp vier Prozent gesunken
Eine solide Ausbildung ist auch der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit, selbst wenn sich die Situation am Hamburger Arbeitsmarkt weiter verbessert hat. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist die Zahl der Arbeitslosen im Mai um 3,8 Prozent auf 70.694 Personen gesunken. „Von dieser Entwicklung haben alle Gruppen unter den Jobsuchenden profitiert“, sagt Fock. Das betreffe junge wie ältere Arbeitslose. Allerdings rechnet Fock im zweiten Halbjahr wieder mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit, weil das Arbeitskräfteangebot durch Flüchtlinge steige.
Die Zahl der Arbeitslosen ist in Schleswig-Holstein im Mai weiter gesunken. Insgesamt waren in dem Monat 93.700 Menschen ohne festen Job, 3000 weniger als im April. Dies ist die niedrigste Arbeitslosenzahl in einem Mai seit 23 Jahren. Im Vergleich zum Mai 2015 sank die Zahl der Erwerbslosen um 1200.
Wegen des Frühjahrsaufschwungs und der wieder erstarkten Konjunktur ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf den tiefsten Mai-Stand seit 25 Jahren gesunken. Insgesamt waren im Mai 2,664 Millionen Männer und Frauen ohne Job; das waren rund 80.000 weniger als im April und rund 98.000 weniger als vor einem Jahr, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte. Die Arbeitslosenquote sank um 0,3 Punkte auf 6,0 Prozent.