Hamburg . Hauptsache handgemacht: Drei Hamburger Unternehmer verraten, was ihrenSenf, ihre mundgeblasenen Gläser und ihren Kaffee so besonders macht.
Es ist die Liebe zu jeder Kaffeebohne, zu jedem Senfkorn oder zum selbst geblasenen Weinglas – alles handmade in Hamburg. Kleine Manufakturen, also inhabergeführte, meist Kleinbetriebe, haben Konjunktur. Manufaktur, das klingt zwar etwas altmodisch und von gestern und liegt doch zwischen Zeitgeist und Tradition. Im Gegensatz zur Massenware ist jedes Stück ein Unikat.
Handgemachtes kommt beim Kunden an: „Der allgemeine Trend bei den Verbrauchern zum individuellen, zum regionalen und zum ökologisch verträglichen Produkt stärkt die Nachfrage nach Handgemachtem, also nach Manufaktur“, sagt Ute Kretschmann von der Handwerkskammer. Es geht um Qualität, Genuss und Lebensfreude. Das Hamburger Abendblatt hat drei Manufakturen besucht und die Menschen dahinter, die ihren Produkten eine persönliche Handschrift geben.
P.a.u.l.I steht für Produkte aus umweltbewusstem lokalem Idealismus
So wie Eva Osterholz mit ihren Senf- und Soßenprodukten. Die 40-Jährige liebt Senf und hat die Zuneigung dazu vor acht Jahren zum Beruf gemacht. In einem Hinterhof in Eilbek läuft an diesem Dienstagvormittag die Produktion auf Hochtouren. Drei Mitarbeiterinnen helfen mit, dreimal in der Woche ist Produktionstag.
Alles geschieht per Hand, natürlich auch das Etikettieren der Gläser. Auf den Schildchen stehen dann Namen wie „Himbeerfelder für immer“, „Mutprobe“ oder „Mord im Orient“. Darin sind mal pürierte Feigen und Rosinen, Ingwer und Zimt oder wie bei der Mutprobe Chili – für Menschen gedacht, die Essen als Herausforderung sehen.
Senfpauli heißt die Senffabrik, die mit St. Pauli nichts zu tun hat, obwohl Eva Osterholz aus Eimsbüttel dort einmal gewohnt hat. Stattdessen steht P.a.u.l.I für Produkte aus umweltbewusstem lokalem Idealismus. Idealistisch mag Eva Osterholz sein, naiv aber nicht. Studiert hat sie mal Soziologie – ein Studium, mit dem man alles oder nichts werden kann, gearbeitet hat sie lange in der Erwachsenenbildung, bevor sie ins Senfgeschäft eingestiegen ist. Einfach so, ohne Vorwissen. Denn: „Jedes Thema kann spannend sein, je mehr man darüber weiß.“
Der Unterschied zwischen Industrieprodukt und Manufaktur
Sie hat sich Fachwissen angeeignet und kann mühelos und ohne Pause aus dem Stand über weiße und schwarze Senfkörner referieren und über den unterschiedlichen Schärfegrad (die dunklen sind schärfer als die hellen, das Mischungsverhältnis entscheidet die Schärfe) und darüber, dass man Senf nicht über 30 Grad erhitzen darf, weil sonst die Aromen verloren gehen. Man merkt ihr an: Senfkörner sind nicht nur eine Materie, sie sind wie eigenständige Lebewesen.
Eva Osterholz arbeitet mit einer Steinmühle, die die Senfkörner mahlt. Anschließend wird das Mahlgut eingemaischt, also mit Flüssigkeit vermischt. Das ist der Clou an der Senfproduktion: „Ohne Flüssigkeit entsteht keine Schärfe“, sagt Eva Osterholz.
In dieser Maischephase – das lernt man bei einem Gespräch mit der Senffachfrau – wird der Senf gewürzt. Das Ganze habe etwas von einer Liebesbeziehung: „Die Zutaten müssen dann zueinanderfinden.“ Die Hauptbestandteile sind Wasser, Essig, Zucker und Gewürze. 13 verschiedene Sorten hat sie im Sortiment, zu kaufen in Feinkostläden, deutschlandweit. Der Unterschied zum Industrie-Senf aus dem Supermarkt: „Ich arbeite nicht mit Branntweinessig, sondern mit Apfel- und Weißweinessig.“ Beim Probieren ihres Senfes, einfach so auf Brot oder Käse, sagt sie, warum es denn unbedingt Senf sein muss: „Der Körper spürt, dass Senf guttut.“
Ein Glas Senf kostet zwischen 5,50 und 6,50 Euro. Weitere Infos, auch über den Verkauf, unter www.senfpauli.de
Helmut Wiederhold ist Glasbläser aus Leidenschaft
Er könnte ja längst aufhören, aber Menschen, die mit Leidenschaft bei einer Sache sind, lässt diese ja nicht einfach los, nur weil sie 72 Jahre alt sind. Und so setzt sich Helmut Wiederhold wie schon seit fast 60 Jahren, wenn auch nicht mehr täglich, aber doch viermal die Woche, seine Schutzbrille auf, um Gläser, Kerzenhalter oder Objekte aus Glas zu schaffen.
Seit 29 Jahren setzt er sich an seine Werkbank an der Koppel in St. Georg. Dann blickt er in diese grelle Flamme und zaubert aus einem fünf bis zehn Millimeter dicken Glasrohr Weingläser, Karaffen, Wassergläser. In der 1100 Grad heißen Flamme wird das Glas, widerstandsfähiges Borosilikatglas, in seiner Hand weich wie Butter und schmilzt dahin. Durch ständiges Drehen und Ziehen wie bei einem Kaugummi und durch Blasen formt er das Glas. Mit einem Graphitstab schafft er die Rundungen des Weinkelches.
Er ist Purist, mag es schlicht: „Ich setze Farbe nur wenig ein. Ich lege Wert darauf, dass man sich nicht vom Dekor ablenken lässt, sondern sich auf das Getränk konzentriert.“ Seine Philosophie: Er schafft das besondere Glas für den alltäglichen Gebrauch. „Die sollen bloß nicht in der Vitrine verstauben“, sagt er.
Seine Gläser sind spülmaschinenfest und robust. Geht etwas zu Bruch, kann er es wieder reparieren. Mit Industrie-Massengläsern sei das gar nicht möglich. Ein wenig Farbe darf es dann am Glasrand doch sein: Mit einem über der Flamme erhitzten, spaghettidünnen, roten Glasrohr scheint er die Farbe auf den Glasrand zu malen. Eine Viertelstunde dauert die ganze Prozedur, dann ist das Weinglas fertig. Seine Gläser bietet Helmut Wiederhold in Kleinserien an.
Gelernt hat er sein Handwerk im zarten Alter von 14 Jahren im heimischen Fulda. Erst hat er technisch gearbeitet und Thermometer und Neonleuchten hergestellt. Anders als beim klassischen Glasbläser vor dem Ofen arbeitet er mit einer Flamme aus einer Sauerstoffpropangasflasche. Das sei weniger anstrengend und auch noch mit 72 Jahren möglich. „Bei mir kommt es mehr auf die Feinmotorik an.“ Und die ist bei ihm so ausgeprägt, dass er seine Gläser nach Augenmaß formt.
Cactus Glas, Infos unter www.cactus-glasblaeserei.de. Die Gläser kosten pro Stück zwischen 25 und 49 Euro.
Mit Kaffeebohnen Geschmack der Zeit aufgreifen
Stoppen kann man Annika Taschinski und ihren Partner Thomas Kliefoth so schnell nicht, wenn sie einmal angefangen haben, über Kaffee zu sprechen. Die Bohnen sind ihr Leben, ihre Leidenschaft, ihre Freunde.
Klingt schwülstig und übertrieben? Ist aber so. Dass sie mit Elbgold ihre private Kaffeerösterei mit drei Cafés haben, ist ihr Lebenstraum. Und wer sich einen Lebenstraum erfüllt, sieben Tage die Woche daran arbeitet, der darf ruhig mal dick auftragen.
Was die Kaffeebohne so faszinierend macht
„Kaffee ist Gemütlichkeit, Geselligkeit. Er macht Menschen glücklich“, sagt Annika Taschinski. Für die 44-Jährige ist die Bohne mit ihren mehr als 700 Aromen eine Passion. Die Bohne könne süß, sauer sein, nach Schokolade oder nach Mandeln schmecken. Das sei wie bei Weinen. „Je länger man sich mit Kaffee beschäftigt, umso mehr entdeckt man“, sagt Thomas Kliefoth. Er gilt weltweit als Kaffeeexperte, als Koryphäe auf dem Gebiet, wird bei Wettbewerben als Juror eingeladen, und er sagt selbst, dass er nie auslerne.
Gelernt hat er die Kunst des Röstens. Geröstet wird bei Elbgold in den Schanzenhöfen an der Lagerstraße. Probat GG 45 heißt der 45 Liter fassende Trommelröster aus dem Jahr 1937 (aber mit moderner Technik ausgestattet), der sich wie eine Waschmaschine dreht und dabei die Bohnen erhitzt. Es ist laut. Die Röstung läuft auf Hochtouren.
Mit der neuen Fuhre aus Nicaragua ist der Chef höchst zufrieden. Überhaupt seien ihre Kaffeebohnen echte Perlen, persönlich vor Ort bei den Kaffeebauern sucht Thomas Kliefoth die Bohnen aus. 20 verschiedene Sorten hat er im Angebot. „Wir suchen weltweit nach den besten Bohnen, achten auf nachhaltigen Anbau und pflegen den Direkthandel mit Kaffeebauern und Kooperativen“, sagt der 45-Jährige.
Das Verhältnis zu den Kaffeebauern sei ein persönliches und herzliches. Das Kaffeegeschäft basiere auf Vertrauen. Aufs Gefühl kommt es bei der Röstung an. Etwa 18 Minuten dauert ein Röstvorgang bei fast 200 Grad, bis aus den grünen Bohnen braune werden. Der genaue Zeitpunkt, wann die Röstung beendet ist, darüber können Sekunden entscheiden. Ist es so weit, prasseln die braunen Bohnen aus der warmen Trommel in das runde Auffangbecken, wo sie langsam weiterbewegt und abgekühlt werden.
Bank war zunächst skeptisch
„Kaffee ist ein unglaublich komplexes Getränk“, sagt Thomas Kliefoth. Es werde nie langweilig. Bis zu zehn Tassen trinkt er am Tag, dabei habe er den Konsum schon reduziert. Eigentlich, sagen Thomas Kliefoth und seine Partnerin, tränken sie ständig Kaffee, er gehöre zu ihrem Leben. Fans der braunen Bohnen seien sie schon immer gewesen.
Das erste Geschenk, das Thomas seiner Annika machte? Natürlich eine Espressomaschine. Zu Beginn rösteten sie Kaffeebohnen zu Hause in der Pfanne. Sie haben viel ausprobiert, auf ihren Reisen zu den Kaffeeplantagen in Südamerika und Afrika viel über den Anbau und die Röstung gelernt und immer wieder getestet.
2004 haben der Architekt und die PR-Beraterin sich dann mit Elbgold selbstständig gemacht. Sie hätten es schon früher getan, Mitte der 1990er-Jahre, wenn die Bank ihnen einen Kredit gegeben hätte. Aber mit dem Rösten von Kaffee Geld verdienen? Das erschien dem Bankmitarbeiter damals seltsam. Die Zeit war noch nicht reif für Kaffee. Umso besser laufen die Geschäfte jetzt.
Weitere Infos unter www.elbgold.com. Diese und weitere Manufakturen sind auch in dem Bildband „Hamburg handmade“ vorgestellt, Junius Verlag, 19,90 Euro. Das Buch ist in der Abendblatt-Geschäftsstelle am Großen Burstah 18-32 erhältlich.