Hamburg. Noch gibt es wenige kleine Kaffeeröstereien an der Alster. Trend aus europäischen Metropolen erreicht auch die Hansestadt.
Als Paula Mendes die erste Tasse Kaffee ihres Lebens trank, dachte sie „Wow“. Ihr Großvater, ein brasilianischer Kaffeebauer, hatte an diesem Tag für die Familie geröstet. Paula Mendes war neun Jahre alt, und ihre Begeisterung für Kaffee hatte begonnen. 20 Jahre später will sie mit ihrem Freund Jörn Gorzolla in Hamburg selbst eine Rösterei eröffnen.
Die ehemaligen Büroräume an der Deichstraße werden noch renoviert, bevor dort von Mitte September an auf 200 Quadratmetern neben einem sechs Kilo fassenden Kaffeeröster bis zu 50 Gäste Platz finden sollen. Im Eingangsbereich werden Paula Mendes und Jörn Gorzolla den Kaffee – anfangs wahrscheinlich fünf Sorten – vor den Augen der Gäste rösten und zubereiten. „So eine offene Rösterei begeistert die Leute“, sagt Gorzolla, der jahrelang in der Kaffeerösterei Speicherstadt gearbeitet hat. Dort hat der 29-Jährige auch Paula Mendes kennengelernt, die als Barista angestellt war. „Viele Gäste wissen gar nicht, wie unverarbeiteter Kaffee überhaupt aussieht“, sagt sie.
In Deutschland gibt es nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbands 550 bis 600 Kaffeeröstereien, 90 davon sind Spezialitätenröstereien wie Nordcoast Coffee, das Unternehmen von Mendes und Gorzolla. Im Verteiler des Verbands sind 37 Hamburger Röstereien erfasst. Obwohl Hamburg als Kaffeestadt gilt, könnte es mehr kleine Röstereien geben, finden die Jungunternehmer. „Hamburg ist noch wenig entwickelt, was Spezialitätenkaffee angeht“, sagt Gorzolla, der schätzt, dass es in der Stadt zehn bis 15 Röstereien gibt, die in ihrer Größenordnung Nordcoast Coffee ähneln. „Hier ist die Szene längst nicht so aktiv wie beispielsweise in Berlin oder London.“ Dennoch: Kleine Röstereien seien auch in der Hansestadt im Kommen. „Das wird sich in den nächsten zwei, drei Jahren zeigen.“
Schon seit Jahren hält sich dieser Trend – weg vom Schnellen, Günstigen, hin zum Bewussten, Entschleunigten – in anderen Bereichen wie etwa Kleidung oder Lebensmitteln. Den Herstellern von Spezialitätenkaffee geht es auch darum. „Kaffee sollte nicht ausschließlich für den Koffeinkick in To-go-Bechern an Autobahnraststätten serviert werden“, sagt Jörn Gorzolla. Den Gedanken, die Kunden zusehen zu lassen, wie ihr Kaffee geröstet wird, haben in Hamburg unter anderem Carroux in Blankenese sowie Black Delight in Eimsbüttel und Quijote in Rothenburgsort aufgegriffen.
Veljko Tatalović hat vor einem Jahr Playground Coffee gegründet. Inzwischen vertreibt der 30-Jährige seinen Kaffee online europaweit, er beliefert die Gastronomie und Büros und verkauft von einer in das Schnellrestaurant Otto’s Burger am Grindelhof integrierten Theke. Dort gibt es eine Regel: „Tasse und Untertasse dürfen nie dieselbe Farbe haben.“ Sonst soll bei den Kaffeevariationen – passend zum Namen – spielerisch alles möglich sein. Tatsächlich ist die Farbkombination von Tasse und Untertasse aber nicht wirklich die einzige Regel, denn die Zubereitung des Kaffees erfolgt akribisch. Veljko Tatalović wiegt ab: Auf 200 Milliliter Wasser kommen 11,5 Gramm Kaffee. Ein leichter Kaffee, wie er zurzeit in Skandinavien im Trend ist.
Veljko Tatalović ist in Zagreb geboren, vor acht Jahren kam er nach Hamburg. Er arbeitete als Fotograf und in der Gastronomie und wurde dann, weil er ein Angebot bekam, Röster und Barista bei Elbgold. Was Spezialitätenkaffee angeht, meint auch er: „Hamburg schläft da ein bisschen. Es wäre toll, wenn mehr passieren würde in dieser Kaffeehauptstadt.“ Zu nahezu jeder Tasse Kaffee, die er über den Tresen reicht, gibt Tatalović Erklärungen ab. Genau wie die Jungröster von Nordcoast Coffee Transparenz ins Kaffeegeschäft bringen wollen, soll es auch bei Playground keine Geheimniskrämerei geben. Das ist Tatalović wichtig. „Deshalb rede ich viel und schnell – und das den ganzen Tag.“
Zurzeit rösten die dreieinhalb Mitarbeiter von Playground (der halbe ist ein Hund) einmal pro Woche in einer Rösterei in Rothenburgsort. Das Konzept, zu dem auch bunt gestaltete individuelle Etiketten für die unterschiedlichen Kaffeesorten gehören, scheint aufzugehen. Derzeit sucht Tatalović eine Einzelfläche für den Verkauf seines Kaffees, auf der er auch rösten kann. Dafür setzt er einen Fünf-Kilo-Röster aus den 1960er-Jahren instand.
Paula Mendes und Jörn Gorzolla haben sich bewusst ebenfalls für einen verhältnismäßig kleinen Röster entschieden. „Wenn man Kaffee abgepackt und womöglich schon gemahlen lagert, sind nach fünf bis sechs Wochen viele Gase entwichen, und der Kaffee hat entscheidend an Geschmack verloren. Wir wollen rösten und dann innerhalb von drei bis fünf Tagen verkaufen“, sagt Gorzolla, der sich mit dem Rösten exklusiver Sorten schon aus der Speicherstadt auskennt. „Solcher Kaffee kostet pro Kilo im Einkauf schon 50 bis 100 Euro. Da ist Expertise gefragt.“
Bei Wettbewerben haben die Röster ihr Wissen schon gezeigt
Dass sie Expertise haben, beweisen die Jungröster bei Wettbewerben innerhalb der Szene. Im Jahr 2014 ist Paula Mendes in Berlin Siegerin beim Karlsbader Kannen Cup der Deutschen Röstergilde geworden. Ihr Freund wurde Vize-Champion in der Kunst, im Porzellanfilter den besten Kaffee zu brühen. Dieses Jahr hat Jörn Gorzolla gute Chancen auf den Sieg, Paula Mendes will extra nicht antreten.