Hoheluft-West. Die Polizei will erstmals alle Fahrraddiebstähle zentral erfassen und Serientäter ermitteln. Gewerkschaft fordert Härte von der Justiz.
Jeden Tag werden in Hamburg 47 Fahrräder gestohlen, im vorigen Jahr stieg die Zahl der Taten auf insgesamt 17.217 noch einmal dramatisch. Jetzt soll erstmals eine Sonderkommission (Soko) der Polizei den Fahrraddiebstahl in der Hansestadt eindämmen. Gemessen an der Zahl der Einwohner ist die Gefahr, Opfer von Fahrraddieben zu werden, nur in den Großstädten Leipzig und Bremen größer als in Hamburg.
Die Soko wird „täterorientiert“ arbeiten. Das heißt, die Ermittler sollen Strukturen erkennen, Tatorte analysieren, Abnehmer und Serientäter ermitteln. Das soll durch die erstmals zentrale Erfassung der Taten leichter werden.
Hier werden die meisten Räder geklaut
Die derzeit vierköpfige Soko sitzt seit dem 2. Mai in der Wache Hoheluft an der Troplowitzstraße. Damit sitzen die Beamten „mittendrin“ in einer der Hochburgen der Fahrraddiebe. „Wir haben mit dem Bereich Eimsbüttel und Hoheluft sowie Bergedorf und Altona die Brennpunkte“, sagt Polizeisprecher Timo Zill über Fahrraddiebstahl.
Die Täter stehlen dort besonders viele Fahrräder, wo diese zwar abgeschlossen sind, aber nicht angeschlossen werden können, wie beispielsweise an festen Fahrradbügeln. Das ist oft an Bahnhöfen, Sportstätten und Schwimmbädern der Fall, wo es häufig zu wenig Fahrradbügel gibt.
Die Täter fahren teilweise mit Kleintransportern vor und heben die abgeschlossenen Räder auf die Ladefläche. Dabei suchen die Diebe gezielt die Räder aus, die vom Wert her zwischen 250 Euro und 2500 Euro liegen. „Nach der Erfahrung der Ermittler ist jedes sechste gestohlene Fahrrad überhaupt nicht gesichert gewesen“, sagt Polizeisprecher Zill.
Der erste Erfolg der Soko
Bislang war die Arbeit der Hamburger Polizei wenig erfolgreich: Die Aufklärungsquote bei Fahrraddiebstählen lag 2015 bei mageren 3,2 Prozent, während die Zahl der Taten seit Jahren kontinuierlich steigt. Allein im vorigen Jahr registrierte die Polizei eine Zunahme um 8,8 Prozent gegenüber dem Jahr 2014. Auch im ersten Quartal 2016 wurden die Zahlen des Vorjahrszeitraums noch einmal übertroffen.
Hinter den massenhaften Fahrraddiebstählen steckt nach Erkenntnissen der Polizei zumeist nicht der einzelne Gelegenheitstäter, der das Fahrrad für den „Eigenbedarf“ stiehlt. „Wir gehen schon von Strukturen aus“, sagt Zill. Die Ermittler haben Hinweise darauf, dass die gestohlenen Räder in Sammeltransporten nach Osteuropa geschafft und dort verkauft werden.
Ein erster Erfolg der Soko belegt diese Vermutung: Auf der A 1 bei Harburg stoppte die Polizei am vergangenen Montag einen Kleintransporter, in dem sich 42 zerlegte Fahrräder befanden. Fahrer und Beifahrer waren Rumänen. Von den 42 Fahrrädern konnten bislang nur zwei konkreten Diebstählen zugeordnet werden, obwohl davon ausgegangen wird, dass alle Räder aus Diebstählen stammen.
Strukturen erkennen, Präventionsarbeit leisten
„Die meisten Fahrradbesitzer schreiben sich nicht die Individualnummer vom Fahrradrahmen auf. Noch weniger lassen ihr Fahrrad codieren, obwohl wir das regelmäßig an allen Polizeikommissariaten anbieten“, sagt Zill. Jetzt will die Polizei auch bei Facebook Fahrräder zeigen, die sichergestellt wurden und deren rechtmäßige Eigentümer gesucht werden.
„Fahrraddiebstahl ist ein Delikt, das wenig Möglichkeiten für Tatortarbeit bietet“, sagt Zill. „Wir wollen deshalb an die Strukturen herankommen. Das ist die repressive Schiene. Gleichzeitig wollen wir verstärkt Präventionsarbeit leisten und die Hamburger dazu bringen, wenigstens die Individualnummer ihres Fahrrades aufzuschreiben. Dann hätten wir zumindest etwas, das wir für die Sachfahndung in die Datenbanken eingeben können.“
Durch die Erkennung von Strukturen will die Polizei auch die Gewerbsmäßigkeit und den Tatbestand des Bandendiebstahls nachweisen, damit die Täter zu höheren Strafen verurteilt werden können.
Doch Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, hat Zweifel. „Es ist gut und richtig so eine Ermittlungsgruppe einzurichten“, sagt er. „Wenn man aber nachhaltig den Fahrraddiebstahl eindämmen will, muss man ein ganz klares Signal an die Tätergruppierungen senden. Das kann nur von der Justiz kommen.“ Der Hintergrund: Wie berichtet, kamen fast alle Wohnungseinbrecher, die nach Ermittlungen der Soko „Castle“ festgenommen wurden, wieder auf freien Fuß. Auch die beiden rumänischen Fahrraddiebe mussten wieder freigelassen werden, nachdem sie eine Sicherheitsleistung hinterlegt hatten.