Hamburg. Bürgerschaft ringt um richtigen Weg bei der Fahrradförderung. Regierung verspricht Bündnis für Radverkehr, Opposition ist skeptisch.
Der Radverkehr in Hamburg muss gefördert werden: darin sind sich alle Fraktionen der Hamburgischen Bürgerschaft einig. Bei der Frage nach dem Wie schieden sich am Mittwoch in einer Aktuellen Stunde des Parlaments jedoch einmal mehr die Geister. Die CDU-Opposition warf Rot-Grün vor, eine ideologisch motivierte Verkehrspolitik zu betreiben.
Streit gab es auch darüber, ob Fahrradfahrer auf Radfahrstreifen auf der Straße oder doch auf abgetrennten Radwegen fahren sollen. Verkehrssenator Frank Horch (parteilos) machte klar, dass der Radverkehr eine entscheidende Rolle spiele, andere Verkehrsteilnehmer deshalb aber nicht ausgegrenzt werden dürften. Insgesamt soll der Radverkehr nach den Plänen von Rot-Grün in den Zwanzigerjahren rund ein Viertel des Verkehrs auf Hamburgs Straßen ausmachen.
Kein Ausspielen einzelner Verkehrsteilnehmer
„Wir wissen um die Herausforderungen, die in einer Stadt wie Hamburg mit der Förderung des Radverkehrs zusammenhängen“, sagte Horch. Derzeit werde dafür eigens ein Bündnis für den Radverkehr geschmiedet, von dem die ganze Stadt profitieren soll. Horch betonte, bei der Planung jeder Straßenbaustelle werde auch der Radverkehr generell einbezogen. „Es geht nicht um ein Ausspielen einzelner Verkehrsteilnehmer, sondern um ein gutes, sicheres Miteinander auf Hamburgs Straßen.“
Angemeldet worden war die Aktuelle Stunde von den Grünen, für die das Radfahren ein zentrales Politikfeld ist. Bislang wollen SPD und Grüne bis 2020 insgesamt 14 Velorouten mit einem Streckennetz von rund 280 Kilometern fertiggestellt haben. Zudem sollen jedes Jahr 50 Kilometer Radweg neu gebaut, saniert oder umgewidmet werden. Im Jahr 2015 seien es knapp 24 Kilometer gewesen, in diesem Jahr werde mit gut 48 Kilometern gerechnet, sagte der Grünen-Verkehrsexperte Martin Bill.
Zudem seien mehr als 70 neue Stadtrad-Stationen geplant, wobei 56 bereits im Jahr 2015 errichtet worden seien und 20 in diesem Jahr hinzukommen sollen. „Die Ampeln stehen auf Grün: Hamburg wird Fahrradstadt“, sagte Bill.
Weniger Unfälle durch sichtbare Trassenführung
Als Erfolg bei der Vermeidung von Unfällen bewerten die Grünen die Verlegung von Radwegen auf die Straße. Laut Unfallstatistik kamen 2015 zwei Radfahrer im Straßenverkehr ums Leben - neun weniger als 2014. Die Zahl der Unfälle mit Radfahrern sank von 3274 auf 3242, die Zahl der verletzten Radfahrer von 2409 auf 2350. „Die zahlreichen Radstreifen und Schutzstreifen zeigen Wirkung, was auch wissenschaftlich belegt ist: weniger Unfälle durch gute und sichtbare Trassenführung“, sagte auch Senator Horch.
Der CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering sprach dagegen von einer gestörten Wahrnehmung innerhalb der rot-grünen Koalition. Tatsächlich lehne ein Großteil der Hamburger die rot-grüne Radverkehrspolitik ab. So seien Eltern nicht bereit, ihre Kinder auf Radstreifen neben 20- oder 30-Tonner-Lastwagen radeln zu lassen. Ähnlich verhalte es sich mit Senioren, die aus Angst gar nicht mehr aufs Rad stiegen. Die CDU forderte eine Verkehrspolitik nicht nur für „Profiradler“ und Berufspendler.
FDP nennt rot-grüne Radpolitik ein Desaster
Die FDP nannte die rot-grüne Radpolitik ein Desaster: „Die Parole von der Fahrradstadt hat einen einzigen Zweck, nämlich die gequälte grüne Seele zu beruhigen“, sagte der FDP-Verkehrsexperte Wieland Schinnenburg. Dabei wisse jeder, dass die grüne Radfahrpolitik nur dazu diene, Autofahrer zu drangsalieren.
Etwas freundlicher gingen die Linken mit den Grünen um, schossen sich stattdessen auf die SPD ein. „Die Grünen strampeln sich ab, um in der Öffentlichkeit wenigstens etwas Profil beim Radverkehr zu zeigen“, sagte deren verkehrspolitische Sprecherin Heike Sudmann. „Wichtiger wäre es, (Bürgermeister Olaf) Scholz und Horch von ihrem Auto-Trip herunterzuholen.“