Hamburg. Allein in Hamburg und der näheren Umgebung beteiligen sich knapp 20.000 Beschäftigte in 40 Betrieben an den Warnstreiks.

Martina Benn ist mit gut 40 Kollegen aus dem Hauni-Werk in Schwarzenbek per Bus zum Spielbudenplatz auf St. Pauli gekommen. Die 53-Jährige ist stellvertretende Betriebsrätin in dem Zweigwerk des Bergedorfer Zigarettenmaschinenbauers, sie ist technische Zeichnerin und in der Konstruktionsabteilung tätig. An diesem Dienstag trägt Martina Benn eine orangefarbene Warnweste auf der „Wir für mehr“ steht. Es ist der Slogan der IG Metall in dieser Tarifrunde, und dies ist der Tag, an dem die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber erhöht. Martina Benn hat sich in ihrem Unternehmen abgemeldet, sie ist im Warnstreik für mehr Lohn.

Forderung und Angebot liegen noch weit auseinander: Die Gewerkschaft verlangt ein Lohnplus von fünf Prozent für die nächsten zwölf Monate. Die Arbeitgeber haben 2,1 Prozent in zwei Schritten plus eine Einmalzahlung von 0,3 Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre angeboten. In den vergangenen Wochen hat es da keine Bewegung gegeben, seit zehn Tagen treten die Beschäftigten hier und dort stundenweise in Warnstreiks – ohne erkennbare Wirkung.

Nun zeigt die Gewerkschaft beim bundesweiten Aktionstag die Folterwerkzeuge vor. Allein in Hamburg und der näheren Umgebung beteiligen sich an diesem Tag nach Angaben der Gewerkschaft knapp 20.000 Beschäftigte in 40 Betrieben an den Warnstreiks. In vielen Unternehmen, in denen im Schichtsystem gearbeitet wird, hat der Betriebsrat zu Arbeitsniederlegungen in einem Zeitraum von 24 Stunden aufgerufen. Das kommt im Ergebnis den Ganztagesstreiks schon sehr nahe, die die Gewerkschaft für den Fall angekündigt hatte, dass es vor Pfingsten zu keiner Einigung kommt.

„Bei Airbus beteiligen sich 8000 bis 10.000 Kolleginnen und Kollegen“, sagt Sophia Jacobsen, die Betriebsratsvorsitzende des Werks auf Finkenwerder. „Das ist zwar kein Vollstreik, aber in den Hallen passiert derzeit nicht viel. Die wenigen Kollegen, die da sind, können ja alleine nichts fertigstellen. Der Arbeitgeber bekommt das schon deutlich zu spüren.“ Auch beim Gabelstaplerbauer Jungheinrich hat der Arbeitskampf deutliche Auswirkungen. Die Produktion im Werk Norderstedt sei an diesem Tag „erheblich eingeschränkt“, sagt ein Unternehmenssprecher.

Gut 4000 Gewerkschafter versammeln sich am Vormittag auf dem Spielbudenplatz zur Kundgebung. Die meisten sind vorher in drei Demonstrationszügen durch die Stadt gezogen, haben IG-Metall-Fahnen geschwenkt, mit Trillerpfeifen und Rasseln gelärmt. Nun gibt es Grußworte und Reden, in denen bekräftigt wird, dass die Forderung der Gewerkschaft berechtigt ist und dass die Gegenargumente der Arbeitgeber falsch sind. Für deren Angebot gibt es Buh-Rufe und Pfiffe, als Symbol ihrer Forderung strecken die Gewerkschafter die Finger einer Hand in die Höhe. „Dass gehört einfach dazu“, sagt Martina Benn. Sie ist seit 28 Jahren in der Gewerkschaft und weiß nicht mehr ganz genau, an wie vielen Arbeitskämpfen sie sich schon beteiligt hat. „Ein richtig großer Streik war aber nicht dabei. Meistens einigt man sich doch schnell.“

Die Redner zeigen unterschiedlich viel Temperament: „Machen wir den Arbeitgebern Feuer unterm Arsch“, fordert etwa Ute Berbüsse, Betriebsratschefin beim Maschinenbauer Fette. Bezirksleiter Meinhard Geiken verlangt von den Arbeitgebern endlich ein Angebot vorzulegen, über das man verhandeln könne. Es ist Teil eines Rituals, an dem sich auch die Gegenseite beteiligt. Thomas Lambusch, der Präsident des Arbeitsgeberverbands Nordmetall, erklärt am Dienstag erneut, ein zu hoher Abschluss gefährde Arbeitsplätze, die Warnstreiks seien „verantwortungslose Gewerkschaftsfolklore“.

Während öffentlich Kampfbereitschaft demonstriert wird, mehren sich die Anzeichen, dass es in den nächsten Tagen zur Einigung kommen könnte. Im Tarifbezirk Nordrhein-Westfalen hat es am Montag weitere Gespräche gegeben. Offenbar sind Gewerkschaft und Arbeitgeber sich näher gekommen. Deshalb sollen die Verhandlungen morgen in NRW fortgesetzt werden, die für heute in Baden-Württemberg angesetzten Gespräche sind verschoben. Dass es auf einen Kompromiss hin­auslaufen wird, weiß jeder auf dem Spielbudenplatz. Bezirksleiter Geiken betont es trotzdem noch einmal. Und Martina Benn sagt: „Drei Prozent für ein Jahr wären okay. Damit könnten wohl auch die Betriebe leben, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht.“