Hamburg. Thomas Lambusch, Präsident des Arbeitgeberverbandes Nordmetall, warnt vor einer Eskalation in den aktuellen Tarifverhandlungen.

Der Tarifkonflikt in der Metall- und Elektroindustrie erreicht einen neuen Höhepunkt. Die IG Metall hat zu einem bundesweiten Aktionstag mit Warnstreiks, Demonstrationszügen und Kundgebungen aufgerufen. In Hamburg werden heute Vormittag mehrere Tausend Metaller durch die Innenstadt zum Spielbudenplatz ziehen, um der Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn für die nächsten zwölf Monate Nachdruck zu verleihen. Bei Airbus auf Finkenwerder sind die Beschäftigten aufgerufen, zwischen 6.00 und 18.00 Uhr die Arbeit niederzulegen. Zugleich mehren sich Hinweise auf eine Einigung möglicherweise bereits in den nächsten Tagen. Das Abendblatt sprach mit Thomas Lambusch, dem Präsidenten des Arbeitgeberverbandes Nordmetall im Tarifbezirk Küste, über die Chancen auf eine Einigung und die von der Gewerkschaft angekündigten 24-Stunden-Streiks in ausgewählten Betrieben, falls es vor Pfingsten keinen Abschluss gibt.

Hamburger Abendblatt: Herr Lambusch, wie optimistisch sind Sie, dass es schnell zu einem Tarifabschluss kommt?

Thomas Lambusch: Leider habe ich wenig Anlass, optimistisch zu sein. Für einen Erfolg der Verhandlungen kommt es darauf an, dass man von der Palme herunterkommt. Die Gewerkschaft tut mit dem Aktionstag das Gegenteil, sie treibt ihre Mitglieder weiter die Palme hinauf. Das macht es sicher schwieriger, sich zu einigen. Die IG Metall muss sich von ihrem Wunschdenken jetzt langsam verabschieden. Die Arbeitgeber haben in der dritten Verhandlungsrunde mit dem Angebot von 2,1 Prozent mehr Lohn in den nächsten 24 Monaten und einer Sonderzahlung in Höhe von 0,3 Prozent neue Vorschläge zur Laufzeit und zur Struktur unterbreitet, bei der Gewerkschaft ist dagegen null Bewegung. Sie beharrt einfach auf ihrer Forderung. Das muss sich jetzt ändern.

Bislang ist der Arbeitskampf doch eher moderat. Bundesweit gehen vor einer Einigung oft bis zu 700.000 Arbeitsstunden durch Warnstreiks verloren. In diesem Jahr ist es erst etwa die Hälfte.

Lambusch: Die Zahl der ausgefallenen Arbeitsstunden liegt bislang im üblichen Rahmen. Aber einzelne Unternehmen wie zum Beispiel Daimler sind schon jetzt empfindlich getroffen.

Die IG Metall hat 24-Stunden-Streiks in ausgewählten Betrieben angekündigt, wenn es vor Pfingsten keinen Abschluss geben sollte ...

Lambusch: Hier im Norden sind die Betriebe auch heute schon von solchen Aufrufen betroffen. Das ist rechtlich sehr fragwürdig und Gesamtmetall hat ja bereits angekündigt, einen solchen Streik gerichtlich überprüfen zu lassen, wenn es dazu kommt. In jedem Fall ist ein solcher Ganztagesstreik unverhältnismäßig. So etwas trifft ein Unternehmen sehr schwer, kostet die Gewerkschaft aber wenig, selbst wenn sie ihren Mitgliedern Streikgeld zahlt.

Wie würden die Arbeitgeber auf diese Form des Streiks reagieren? Sind dann auch Aussperrungen denkbar?

Lambusch: Wir denken derzeit nicht in Richtung Eskalation. Auch die Gewerkschaft sollte vielmehr im Interesse der Beschäftigten darüber nachdenken, wie man die Belastungen für die Unternehmen in diesem Arbeitskampf reduzieren kann.

Dann würden die Arbeitgeber einen 24-Stunden-Streik einfach hinnehmen?

Lambusch: Nein, ich würde dann in unseren Gremien dafür plädieren, den Maßregelverzicht infrage zu stellen. In den bisherigen Tarifauseinandersetzungen haben die Unternehmen nach einer Einigung regelmäßig darauf verzichtet, die während der Warnstreiks ausgefallenen Arbeitsstunden den Streikenden vom Lohn abzuziehen. Bei dieser Praxis sollte es dann nicht mehr bleiben.

Am Mittwoch findet die vierte Verhandlungsrunde in Baden-Württemberg statt, wo es viele wirtschaftlich starke Autobauer gibt, am Donnerstag sind Verhandlungen in Nordrhein-Westfalen angesetzt. Hat Nordmetall einen Favoriten für die Rolle des Pilotbezirks?

Lambusch: Auch in Baden-Württemberg gibt es viele Maschinenbaubetriebe, denen es im Moment nicht besonders gut geht. Aber richtig ist, dass der Bezirk Nordrhein-Westfalen mit seinen vielen sehr unterschiedlichen Unternehmen von der Struktur her eher der im Bezirk Küste entspricht. Eine echte Präferenz gibt es bei uns aber nicht. Und wenn es in beiden Bezirken keine echten Fortschritte gibt, würden wir es halt hier im Norden versuchen.

Im öffentlichen Dienst hat es nach einigen wenigen Warnstreiks sehr schnell eine Einigung auf ein Lohnplus in Höhe von 4,75 Prozent innerhalb von zwei Jahren gegeben. Was spricht aus ihrer Sicht dagegen, einen solchen Abschluss auch für die Metall- und Elektroindustrie zu vereinbaren?

Lambusch: Im öffentlichen Dienst gab es – anders als bei uns – einen Nachholbedarf aus den vergangenen Jahren. Und wenn ich jetzt höre, wie stark der Anstieg der Personalkosten viele Kommunen belastet, kann man schon Zweifel an der Höhe haben. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass der öffentliche Dienst ja nicht im inter- nationalen Wettbewerb steht, wie viele der bei Nordmetall organisierten Unternehmen. Ein zu hoher Abschluss wäre nicht nur für viele Mittelständler ein Problem, sondern auch für große Konzerne. Unser Angebot von 2,1 plus 0,3 Prozent bringt den Beschäftigten in diesem Jahr ein deutliches Reallohnplus und verhindert, dass die Personalkosten zu einem Nachteil im Wettbewerb der Standorte in Europa und sogar innerhalb eines Konzerns werden.