Hamburg. Bürgerschaftspräsidentin Veit und Fraktionschefs von SPD und CDU erhalten Mahnungen, obwohl sie nichts bestellt haben.

Gleich reihenweise sind Hamburger Spitzenpolitiker Opfer von betrügerischen Online-Käufern geworden. Der oder die Täter hatten sich offenbar Daten der Bürgerschaftsab­geordneten besorgt und dann in ihrem Namen Waren bestellt. Die Taten flogen auf, als Inkasso-Dienste Geld forderten. Unter den Opfern sind Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) und die Fraktionschefs Andreas Dressel (SPD) und André Trepoll (CDU).

Der Name und das Geburtsdatum, beides steht auf der Internetseite der Bürgerschaft – das genügte anscheinend schon. Dazu beschafften sich die Täter eine E-Mail-Adresse auf den Namen ihrer Opfer und eine ausgedachte Adresse. Darüber kauften sie dann bei Internethändlern wie Zalando ein.

Das war bereits kurz vor Weihnachten. Ob sich die Täter die Waren an eine Packstation oder eine verfälschte Briefkastenadresse schicken ließen, ist nicht bekannt. Die Waren sind jedenfalls verschwunden. „Bei mir waren es zwei Sendungen“, sagt André Trepoll. „Eine über etwa 1100 Euro und die andere über etwa 250 Euro.“ Was bestellt wurde, weiß Trepoll nicht. Denn auf den Zahlungsaufforderungen zweier Inkasso-Firmen, die Ende Februar und Mitte März bei Trepoll im Briefkasten lagen, war lediglich von „Warensendungen“ die Rede. „Ich habe Widerspruch eingelegt und bei der Polizei Strafanzeige erstattet“, sagt der CDU-Politiker.

"Ich dachte, meine Kinder waren es"

Mit Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit gehört auch eine der prominentesten Hamburger Politikerinnen zu den Opfern. Die Sozialdemokratin möchte um ihren Fall aber kein Aufheben machen, zumal ja noch unklar sei, ob sie und die anderen Abgeordneten zufällig oder gezielt zum Opfer der Betrüger wurden. „Solange sich das im privatrechtlichen Bereich abspielt, sollte es da keine Sonderbehandlung für Abgeordnete geben“, sagte die Juristin dem Abendblatt. „Wir werden dadurch ja nicht in der Ausübung unseres Mandats behindert.“ Allerdings begrüße sie es, dass das Landeskriminalamt prüfe, ob die Fälle zusammenhängen und ob es einen politischen Hintergrund gebe. „Aber das ist jetzt Sache der Ermittlungsbehörden, nicht der Bürgerschaft.“ Auch die Bürgerschaftsabgeordnete Karin Prien (CDU) wurde kurz vor Weihnachten Opfer eines Warenkreditbetrugs – es war nicht das erste Mal, dass jemand auf ihren Namen Waren im Internet bestellt hatte.

Diesmal sollte sie angeblich bei Nike.com Sportschuhe für 130 Euro geordert haben. „Ich dachte zuerst, dass meine Kinder dahinterstecken könnten, doch dann hat sich herausgestellt, dass niemand aus meiner Familie bei Nike eine Bestellung aufgegeben hat.“ Ihre Nachforschungen beim Dienstleister, der den Zahlungsverkehr von Nike abwickelt, ergaben vielmehr, dass die auf ihren Namen bestellten Herrenschuhe zu einer Adresse am Borchertring in Bramfeld geliefert worden waren. Da wohnt Prien aber gar nicht, noch nicht einmal in der Nähe. Zahlen sollte sie aber trotzdem – und zwar exakt 214,81 Euro, davon allein 70 Euro für die Inkasso-Firma.

Bei Forderungen in dieser Höhe zahlen viele Menschen lieber, statt sich auf ein langwieriges Hickhack mit möglicherweise gerichtlichem Finale einzulassen. Selbstverständlich ließ sich Rechtsanwältin Prien nicht einschüchtern und widersprach dem Mahnbescheid, da war schnell Ruhe. Strafanzeige erstattete sie nicht. An­dreas Dressel, Fraktionschef der SPD, hat ebenfalls Post von einem Inkasso-Unternehmen bekommen. „Bei mir sind es drei Warensendungen, für die ich die Mahnungen erhielt. Ich habe Strafanzeige erstattet“, sagt Dressel. Auch in seinem Fall hatten der oder die Täter kurz vor Weihnachten bestellt.

Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Joachim Lenders, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, hat ebenfalls Strafanzeige wegen des Missbrauchs seines Namen für einen Betrug Anzeige erstattet. Auch bei ihm waren der oder die Täter nach dem gleichen Muster vorgegangen.

Bei der Polizei ist die Abteilung Wirtschaftsdelikte zuständig für allgemeine Betrugsdelikte. Derartige Taten gelten dort als Massendelikt.