Altstadt. Nach Morddrohungen gegen Hamburger Politiker: Bürgerschaftspräsidentin ruft zur Vernunft auf und warnt AfD vor „Spiel mit dem Feuer“.

Es ist ein Privileg, das selten genutzt wird, und das zeigt die Bedeutung dieses Vorgangs. Nach den massiven Beschimpfungen und Morddrohungen gegen Hamburger Politiker hat Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) am Mittwoch das Wort ergriffen und einen eindringlichen Appell an die Abgeordneten und die Bürger gerichtet, in der politischen Debatte zu Maß und Mitte zurückzufinden.

Politiker seien „nicht zimperlich“ und bereit, harte Kritik einzustecken, sagte Veit. „Aber das, was einige von uns in den vergangenen Monaten ertragen mussten, überschreitet jede Grenze.“ Ohne Namen zu nennen, spielte Veit damit auf den Fall Stefanie von Berg an: Wie berichtet, hatte die Abgeordnete der Grünen im November in einer Bürgerschaftsrede zur Flüchtlingspolitik die These aufgestellt, dass es irgendwann „keine ethnischen Mehrheiten“ mehr geben werde und hinzugefügt: „Und das ist auch gut so.“

Die AfD-Fraktion hatte sich an der Debatte nicht beteiligt, später aber ein Video mit der Rede im Internet veröffentlicht und behauptet, „Ziel der Grünen“ sei: „Es soll keine deutsche Bevölkerungsmehrheit mehr geben.“

Übelste Mord- und Vergewaltigungsdrohungen

Von Berg wurde daraufhin über Wochen mit übelsten Mord- und Vergewaltigungsdrohungen aus aller Welt überschüttet, ihr Sohn am Telefon bedroht. Auch viele andere Abgeordnete wurden vor allem in Zusammenhang mit dem Thema Flüchtlinge massiv bedroht und beschimpft. „Es ist unsere Aufgabe, diesen unverhohlenen Drohungen, diesen Hasstiraden etwas entgegenzusetzen“, sagte Veit und betonte: „Aufrechte Demokraten lassen sich nicht einschüchtern.“ Mehrmals erhielt sie Applaus – aus allen Fraktionen.

Das galt sogar für den heikelsten Punkt ihrer Rede. Die Rolle der AfD im Fall von Berg sprach Veit nicht direkt an, aber Blickrichtung und Wortwahl waren auch so überdeutlich: „Es ist ein Spiel mit dem Feuer, sich als Abgeordneter zur außerparlamentarischen Opposition zu stellen und mit den Wölfen zu heulen, wenn es um die öffentliche Diskreditierung von Andersdenken, von Andersgläubigen, aber auch von Parlamentskollegen geht.“

AfD-Fraktionschef Jörn Kruse bezieht Stellung

Das Thema fand später eine Fortsetzung. Zunächst warf Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks der AfD in einer Debatte vor, sie habe den Wind gesät und von Berg dann den Sturm geerntet, und dennoch zeige die AfD keinerlei Selbstkritik. Deren Fraktionschef Jörn Kruse ging dann bei einer anderen Gelegenheit ans Mikro und entschuldigte sich bei von Berg: „Ich bedaure es außerordentlich, was Sie erleiden mussten.“ Die Rolle seiner Fraktion hinterfragte er aber erneut nicht.

Auch den späteren Versuch Kruses, sich persönlich zu entschuldigen, nahm die Grünen-Politikerin nicht an. Die AfD bedaure immer nur die Folgen, aber nie ihr Handeln. Außerdem würden Teile der Partei das Video mit der verdrehten Botschaft weiterhin verbreiten.

Scharfe Kritik an den „Shitstorms“ in den „sozialen“ Medien hatte zuvor auch Carola Veit geübt. Allerdings forderte sie auch Selbstkritik von den Abgeordneten: Sie müssten um die besten Lösungen für Hamburg ringen und sich nicht mit sich selbst beschäftigen. „Dazu gehören auch Würde und Ernst im Umgang mit der eigenen Rolle.“