Hamburg . Neuer Dachverband will Arbeit der Flüchtlingshelfer besser bündeln – und wehrt sich gegen Abstimmung über Großunterkünfte.

In Blankenese verhindern Anwohner mit zunächst unlauteren Mitteln den Bau einer Flüchtlingsunterkunft. Die AfD lädt in Rissen zu einer Informationsveranstaltung unter dem Titel „Brennpunkt Rissen: AfD-Plan gegen Olaf-Scholz-Gettos“. Und in fast allen Bezirken reichen Vertrauensleute der Initiative gegen Großunterkünfte Bürgerbegehren ein, um so einen vorläufigen Baustopp zu bewirken. Helga Rodenbeck kann es nicht länger ertragen, wie sie sagt. Aus Sicht der langjährigen Flüchtlingskoordinatorin und Bundesverdienstkreuzträgerin aus Blankenese wurde viel zu lange den „anderen“ das Feld überlassen. Damit soll Schluss sein.

Mit einer Gruppe engagierter Flüchtlingshelfer hat sie deshalb einen neuen Verband aus der Taufe gehoben. Unter dem Dach von „Hamburg in­tegriert“ sollen die Kräfte der zahlreichen Initiativen der Stadt gebündelt, Forderungen formuliert, Aufgaben mittels neuer Integrationsbeiräte auf Bezirksebene koordiniert und deutlich Stellung bezogen werden – vor allem auch gegen den geplanten Volksentscheid gegen Großunterkünfte der Initiative „Hamburg für gute Integration“.

Am Sonntag beschlossen die Helfer die Gründung, am Dienstag wurde die Hamburger Politik bei einem Treffen im Rathaus zur Flüchtlingsfrage mit Vertretern der Fraktionen und zahlreicher Verbände über die Pläne informiert. Zwischenzeitlich schrieben die Gründungsmitglieder Hamburger Verbände an. Die Resonanz war enorm. „Wir haben in der kurzen Zeit Rückmeldungen von etwa 70 Verbänden erhalten, die dem Projekt positiv gegenüberstehen und sich dem Verband anschließen wollen“, sagt Claus Scheide. Der Rissener Anwalt wurde zum Vorsitzenden und Sprecher von „Hamburg integriert“ bestimmt. „Daran sieht man einmal, wie viele unterschiedliche Gruppen es in der Stadt gibt und was alles an ehrenamtlicher Integrationsarbeit geleistet wird“, sagt er.

Mithilfe von „Hamburg integriert“ soll diese Arbeit erleichtert werden. Bislang agierten die Gruppen zumeist als Einzelkämpfer in den jeweiligen Stadtteilen. Nun solle es gelingen, Probleme schneller auszumachen und zu lösen. Dass es davon so einige gibt, wüssten die Flüchtlingshelfer aus eigener Erfahrung und bereits aus den ersten Rückmeldungen. So wird laut den Dachverbandsgründern eine schlechte Zusammenarbeit mit dem städtischen Unternehmen „Fördern & Wohnen“ als Betreiber vieler Unterkünfte kritisiert, oft scheitere es schon an der Kommunikation. Zudem seien die Standards beispielsweise in den Unterkünften von Standort zu Standort unterschiedlich. Eine Vereinheitlichung würde laut Scheide die Arbeit vieler Ehrenamtlicher deutlich erleichtern.

Um die Kommunikation zu verbessern, setzt „Hamburg integriert“ auf die Bildung von Integrationsbeiräten auf Stadtteil und Bezirksebene. Sie sollen als Vermittler zwischen den Flüchtlingshelfern auf der einen Seite und Politik und Verwaltung auf der anderen Seite dienen. „Wir sind eine außerparteiliche Interessensvertretung, die sich an der Planung neuer Unterkünfte beteiligten wird“, betont der Vorsitzende.

Scheide engagiert sich in Rissen auch als Chef des Bürgervereins. Bei „Hamburg integriert“ stehen ihm zudem zur Seite: Claus Grötzschel, Vorsitzender des Rissener Sportvereins, sowie Christian Kohler, der sich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Auch er stammt aus Rissen. Dass die Keimzelle des Dachverbands dort liegt, ist kein Zufall. Denn in diesem Stadtteil hat die Initiative gegen Großunterkünfte ihre Wurzeln. Der Sprecher des Dachverbands, Klaus Schomacker, stammt ebenfalls aus Rissen.

Die Arbeit von ihm und seinen Mitstreitern haben Scheide und Co. lange und kritisch beobachtet. Von einem Volksentscheid für oder gegen Großunterkünfte halten sie überhaupt nichts. Die Gruppe lehnt grundsätzlich Volksbegehren zu Fragen der Integration und Unterbringung als ungeeignet und nicht angemessen ab. „Unsere Aufgabe muss es sein, solche Volksbegehren durch unsere Arbeit überflüssig zu machen“, sagt Gründungsmitglied Kohler. Und Scheide ergänzt: „Beim angestrebten Volksentscheid geht es am Ende um die Frage: Für oder gegen Flüchtlinge? Das ist völlig am Thema vorbei“, kritisiert Scheide. „Dieser Art, die Gesellschaft zu spalten, muss etwas entgegengesetzt werden.“

Schomacker als Sprecher der Hamburger Bürgerinitiativen, die sich gegen Großunterkünfte wehren, weist diesen Vorwurf zurück: „Die Spaltung geht von denen aus, die Großunterkünfte befürworten, ohne Integration zu gewährleisten.“ Laut Schomacker seien die Bürger durchaus in der Lage, zwischen Großunterkunft und Flüchtlingsfrage zu unterscheiden. Abgesehen davon begrüßt Schomacker die Gründung des Dachverbands „Hamburg integriert“. „Die Initiative kommt zum richtigen Zeitpunkt, wenn sie die Aufgabe übernehmen kann, die Integration der Flüchtlinge für die nächsten zehn Jahre zu gewährleisten“, sagt er.

Denn ein weiteres Ziel von „Hamburg integriert“ soll es sein, den Helfern ein Forum zu bieten, Öffentlichkeit zu schaffen, aufzuklären, Begrifflichkeiten zu erklären. Man sei gegen Polarisierung und für eine bessere Integrationsarbeit in Hamburg, so die Initiatoren. Dazu zähle auch, aktiv am Auswahlprozess City Scope mitzuwirken, bei dem es darum gehe, Standorte für neue Unterkünfte zu benennen – auch in Blankenese, wo es bislang keine Unterkunft gibt. Gegen den Bau eines Pavillondorfs für 192 Menschen am Björnsonweg erwirkten Anwohner einen Baustopp. Angesichts solcher und anderer Entwicklungen warnt Grötzschel: „Hamburg bezeichnet sich als Tor zur Welt. Wir müssen aufpassen, dass nicht irgendeine Gruppe dieses Tor schließt.“

Interessierte können sich an den Dachverband per E-Mail wenden: kontakt@hamburgintegriert.de Eine Internetseite ist im Aufbau.