Hamburg . Der frühere CDU-Bürgermeisterkandidat kämpft um den wichtigen Kreisvorsitz Nord – und um seine politische Zukunft.

Er ist einer der profiliertesten Hamburger CDU-Politiker: Dietrich Wersich war Staatsrat, Sozialsenator, Zweiter Bürgermeister, Bürgerschaftsfraktionschef und Oppositionsführer. Jetzt kämpft der CDU-Bürgermeisterkandidat 2015 um seine politische Zukunft.

In wenigen Wochen stellt sich Wersich zur Wiederwahl als Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Nord. Und da trifft er in dem rührigen Bezirksabgeordneten und Vorsitzenden des mächtigen Ortsverbands Winterhude, Christoph Ploß, auf einen sehr starken Herausforderer. „Nach jetzigem Stand wird das eine sehr klare Sache für Christoph Ploß“, sagt ein langjähriges Mitglied der CDU Nord. Die Winter­huder Christdemokraten verfügen allein über gut ein Drittel der Delegiertenstimmen auf dem Kreisparteitag, der den Vorsitzenden wählt.

Nun ist das Ehrenamt eines Kreisvorsitzenden außerhalb des engen Parteigefüges nicht wirklich bedeutend. Im Hintergrund geht es deswegen auch um weit mehr: um die Frage, wer der nächste Bundestagskandidat für den Wahlkreis Nord/Alstertal wird. Sowohl Ploß als auch Wersich werden Ambitionen nachgesagt. Beide halten sich allerdings mit Erklärungen dazu derzeit noch zurück. Klar ist: Wer Kreisvorsitzender ist, hat die strategisch günstigere Ausgangslage.

CDU-Debakel bei Bürgerschaftswahl nagt an Wersich

Christoph Ploß, Ortsvorsitzender der
CDU Winterhude
Christoph Ploß, Ortsvorsitzender der CDU Winterhude © HA | Bertold Fabricius

Wersichs Problem ist, dass er als Spitzenkandidat bei der Bürgerschaftswahl vor einem Jahr mit 15,9 Prozent das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten für die Elb-Union eingefahren hat. So ist es nicht überraschend, dass der erst 30 Jahre alte Ploß seine Kandidatur für den Kreisvorsitz mit der Zäsur der Bürgerschaftswahl begründet.

„Wir stehen als Hamburger CDU nach dem historisch schlechten Wahlergebnis vor großen Herausforderungen. Es darf kein Weiter-So geben. Wir brauchen jetzt frischen Wind“, sagt Ploß, ohne den Namen Wersich auszusprechen. „Viele Parteifreunde haben mich gebeten, als Kreisvorsitzender zu kandidieren.“ Er, Ploß, stehe „für einen neuen, kommunikativen Führungsstil“. Noch ein Seitenhieb gegen Wersich, dem nachgesagt wird, dass er viele Dinge gern mit sich allein abmacht.

Wersich lobt Herausforderer Ploß

Der 51 Jahre alte Wersich ist seit 2012 Chef der CDU Nord. „Ich mache meine Arbeit sehr gerne, und ich mache gern weiter, wenn die Mitglieder mich wählen“, sagt Wersich, dessen Urteil über seinen Herausforderer Ploß sehr positiv ausfällt: „Er ist eine der Zukunftshoffnungen des Kreisverbands.“ Allerdings warnt Wersich davor, dass die Union besonders in ihrer jetzigen Lage „durch Personalquerelen auf sich aufmerksam macht“. Einigkeit mache stark. „Ich finde, wir brauchen die Kraft zur Verständigung. Meine Hand ist für Verständigung ausgestreckt“, sagt Wersich in Richtung Ploß.

Dieses Angebot hatte Wersich auch schon beim Kandidaten-Hearing vor rund 100 Mitgliedern der CDU Nord vor einer Woche gemacht, ohne dass sein Herausforderer allerdings darauf einging. Und Wersich sagte auch nicht klar, worin eine Einigung bestehen könnte. Da Wersich zugleich auch stellvertretender Landesvorsitzender ist, wäre als Kompromiss vorstellbar, dass der eine den Kreisvorsitz übernimmt und der andere Parteivize wird.

Doch Ploß steht offensichtlich nicht der Sinn nach einem solchen Kompromiss. Hier fühlt sich einer seines Erfolges wohl schon ziemlich sicher. Und noch etwas trennt die beiden Kandidaten: Wersich kann sich durchaus vorstellen, über den Kreisvorsitz per Mitgliederbefragung zu entscheiden und hofft auf stärkeren Rückhalt der Basis. Ploß hingegen will am Delegiertenprinzip festhalten. Auch Unterstützer von Wersich sagen, dass er die Idee einer Mitgliederentscheidung längst offensiv einbringen hätte müssen. Jetzt werde die Zeit knapp.

Ploß ist ein Ziehsohn von Dirk Fischer

Vordergründig geht es bei der Wahl um einen Generationswechsel und die Nachwirkungen einer sehr heftigen Wahlniederlage. Verständlich wird die Auseinandersetzung allerdings erst vor dem Hintergrund der realen Machtverhältnisse in der CDU Nord. Wersich gehört dem relativ kleinen Ortsverband Eppendorf an und hat keine wirkliche Hausmacht. Die Winterhuder CDU dominiert den Kreisverband dagegen traditionell: Sowohl der Nord-Dauer-Bundestagsabgeordnete und Ex-Landesvorsitzende Dirk Fischer als auch der frühere Stadtentwicklungssenator und Ex-Parteichef Michael Freytag sind Winterhuder.

Auch der kurzzeitige Erste Bürgermeister Christoph Ahlhaus hat hier seine politische Heimat und war bis 2012 Nord-Kreischef. Mit seinem Namen ist eine der turbulentesten Phasen der jüngeren CDU-Geschichte verbunden: Ahlhaus trat vor vier Jahren von seinem Amt als Kreisvorsitzender zurück, nachdem die Staatsanwaltschaft aufgrund einer anonymen Anzeige Ermittlungen gegen ihn wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten beim Kauf einer Villa aufgenommen hatte. Ahlhaus vermutete eine parteiinterne Intrige gegen ihn. Letztlich wurden die Ermittlungen eingestellt, aber in der Zwischenzeit war Wersich zum Nord-Kreischef gewählt worden.

Dirk Fischer sitzt schon seit gut
35 Jahren im Bundestag
Dirk Fischer sitzt schon seit gut 35 Jahren im Bundestag © HA | Marcelo Hernandez

Für Ahlhaus bedeuteten die Ermittlungen das Karriere-Aus. Der Plan, dass er Dirk Fischer als Bundestagsabgeordneten bei der Wahl 2013 ablöst, war geplatzt. Fischer trat erneut an und sitzt nunmehr seit gut 35 Jahren im Bundestag. Wenn nun Ploß als Kreisvorsitzender kandidiert, macht der Ortsverband Winterhude damit auch seinen alten Machtanspruch wieder geltend. Mehr noch: Wie einst Ahlhaus ist nun Ploß Ziehsohn von Dirk Fischer, von dem viele sagen, dass er nach wie vor im Hintergrund die Fäden zieht.

Noch hat der 72 Jahre alte Fischer seine Absichten nicht offenbart – bis Ende November hat er Zeit. Ploß würde nicht gegen seinen Ziehvater Fischer antreten, aber der könnte großzügig verzichten, wenn sich Ploß als Kreischef durchsetzt und damit einen starken Rückhalt hätte. Das ist eine schwierige Lage für Dietrich Wersich, dem dann nur das protokollarische Amt des Ersten Vizepräsidenten der Bürgerschaft bliebe.