Hamburg . Der 42-Jährige räumt ein, dass die Partei ein Frauenproblem hat. Er hält sich auch eine neue Kandidatur für Bundestag offen.

Seit fast einem Jahr ist der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Roland Heintze nun Vorsitzender der Hamburger CDU. Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt zieht er eine Bilanz seiner Amtszeit und sagt, was die Partei anders machen will, um nach dem 15,9-Prozent-Debakel bei der Bürgerschaftswahl von 2015 wieder Fuß zu fassen.

Hamburger Abendblatt: Herr Heintze, wie viele Mitglieder sind eigentlich schon wegen der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel ausgetreten?

Roland Heintze: Das lässt sich nicht genau beziffern, da viele Austritte nicht begründet werden. Ich denke, es war etwa jeder fünfte. Wir haben derzeit 7300 Mitglieder und verzeichnen seit Februar wieder mehr Eintritte als Austritte. Merkels Durchhaltevermögen wird allmählich positiv bewertet.

Der Partei hat Merkels Flüchtlingspolitik eher geschadet als genützt, oder?

Heintze: Geschadet haben vor allem die Querschüsse mancher prominenter Parteifreunde. An der Basis hat das schwierige Thema Flüchtlinge zu kon­troversen, aber fruchtbaren Diskussionen und einer neuen Kultur der Lebendigkeit geführt.

Das haben Sie schön gesagt. Wie steht es denn so um die Kultur der CDU Hamburg. Wie fällt Ihre Bilanz nach fast einem Jahr Landesvorsitz aus?

Heintze: Der Job ist fordernder als gedacht. Aber er macht auch deutlich mehr Spaß als erwartet. Als Erstes mussten wir uns nach der Wahlniederlage strukturell neu aufstellen. Wir mussten Personalstärke und Organisation an den neuen Finanzrahmen anpassen ...

... also Stellen streichen, weil es weniger Mitglieder, weniger Beiträge und durch die Wahlniederlage weniger Staatsgeld gibt.

Heintze: Ja, so ist die Lage. Wir mussten in der Parteizentrale Stellen abbauen und haben die Kosten insgesamt um etwa ein Viertel reduziert. Außerdem haben wir die Digitalisierung vorangetrieben, Internetauftritte vereinheitlicht und wickeln die Kommunikation jetzt noch stärker digital ab. Wir wollen die Parteizentrale auch stärker öffnen, für Diskussionen zwischen Bürgern und Politikern und Experten.

Inhaltlich wird die Partei offenbar kaum wahrgenommen. Bei einer Umfrage stand die CDU kürzlich noch schlechter da als 2015 und nur noch einen Prozentpunkt vor der AfD.

Heintze: Davon lasse ich mich nicht Bange machen. Es ist doch klar, dass wir nach dem Generationswechsel erst einmal Fuß fassen müssen. Die Fehler, die Olaf Scholz und Rot-Grün zunehmend machen, werden dafür sorgen, dass wir unsere Chance bekommen. Das ist offensichtlich.

Gerade in der traditionell für die Partei wichtigen Wirtschaftspolitik spielt die CDU kaum eine Rolle. Von dem angeblichen wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion habe ich noch nie etwas gehört oder gelesen. Wie heißt er gleich?

Heintze: Jens Wolf ist inhaltlich genau der Richtige und an der Sichtbarkeit, nicht nur in diesem Thema, arbeiten wir. Wir kümmern uns als Landesvorstand intensiv um die Wirtschaft. Ich habe mich im vergangenen Jahr bestimmt mit rund 50 Unternehmern getroffen. Die Kontakte in die Wirtschaft sind gut und werden intensiver. Bei unserem anderen Kernthema, der Inneren Sicherheit, sind wir auch sehr gut aufgestellt. Das ist auch wichtig, denn die jüngsten Zahlen haben gezeigt, dass Rot-Grün in diesem Bereich erschreckend schwach ist. Die rasant steigenden Einbruchszahlen sind eine Kata­strophe für Hamburg. Ein anderes Thema ist die Familienpolitik.

Das ist nun nicht unbedingt ein Landesthema.

Heintze: Nein, aber wir haben als Hamburger CDU die Bundespolitik beim Thema Einwanderungsgesetz mit geprägt und jetzt einen viel beachteten Vorschlag in die Bundesdebatte getragen, nach dem das Ehegattensplitting reformiert worden soll. Ehegatten mit Kindern wollen wir stärker entlasten, solche ohne Kinder dafür weniger stark. Wir werden uns in Hamburg bei einem Parteitag am 22. März mit dem Thema befassen.

Wie soll die Reform konkret aussehen? Was hat wer davon?

Heintze: Statt mit einem Faktor 1,0 sollen Erwachsene bei der Feststellung der steuerlich relevanten Personenzahl in einem Haushalt nur noch mit dem Faktor 0,8 bewertet werden. Dafür sollen Kinder mitzählen, und zwar mit einem Faktor 0,5. Das würde bedeuten, dass ein kinderloses Paar nur noch einen sogenannten Splittingfaktor von 1,6 hätte statt bisher 2,0 – eine Familie mit zwei Kindern dafür aber den Faktor 2,6 statt 2,0.

Hat die Hamburger CDU beim Thema Familie oder Frauen nicht selbst ein Problem? Immer wieder springen erfolgreiche Frauen Ihnen ab, zuletzt Friederike Föcking. Bis auf eine Handvoll prominenter Frauen scheint die CDU ein Männerclub zu sein.

Heintze: Ganz so ist es nicht. Fast 40 Prozent unserer Mitglieder sind Frauen. Aber es stimmt: Wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen. Deswegen setze ich mich auch dafür ein, dass die Frauen Union ihr Mentoring-Programm verstärkt.

Im Juni stehen die Neuwahlen des Hamburger Parteivorstands auf der Agenda. Treten Sie erneut als Chef an?

Heintze: Ja, ich möchte die CDU in Hamburg auch in den kommenden zwei Jahren weiter in die Modernisierung führen.

Sie sind 2015 trotz Spitzenplatzes überraschend aus der Bürgerschaft geflogen und 2014 als Europakandidat gescheitert. Wollen Sie trotzdem erneut für ein Parlamentsmandat antreten? Vielleicht 2017 für den Bundestag?

Heintze: Klar ist, ich möchte auch in Zukunft gerne wieder Politik in einem Parlament gestalten. Wie und wann und wo steht nicht fest – darüber reden wir in der Hamburger CDU frühestens nach den Vorstandswahlen im Juni.