Hamburg . In einem Modellversuch haben sechs Standorte die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Erziehern verbessert.
Fünf Jahre nach dem Beginn der Einführung der ganztägigen Bildung und Betreuung (GBS) an Hamburgs Grundschulen haben in den vergangenen Monaten zwölf Jugendhilfeträger und Schulen die Zusammenarbeit gekündigt. Eine echte Kooperation kam dort nicht zustande. Beteiligte Träger vermissten unter anderem die Wertschätzung ihrer Arbeit durch die Schulleitung. Wie Lehrer und Erzieher gemeinsam Schule machen können, zeigt nun die Initiative des Paritätischen Wohlfahrtsverbands „Wir gehen aufs Ganze“. Dafür, das ist ein Ergebnis des zweijährigen Modellversuchs an sechs Standorten, benötigen Lehrer und Erzieher mehr gemeinsame Zeit. Nur wenn sich beide Professionen auf Augenhöhe begegnen, ist eine Kooperation möglich.
Eine zentrale Schnittstelle der Initiative des Paritätischen Wohlfahrtsverbands an den Grundschulen auf der Uhlenhorst, in Tonndorf, am Traberweg, Turmweg, der Lohkampstraße und am Arp-Schnitger-Stieg ist eine „gemeinsame Stunde“. Statt wie bislang um 13 Uhr die Kinder ohne Übergabe zu übernehmen, kommen die Erzieher früher in den Unterricht und gestalten eine Stunde mit den Lehrern. Für die Kinder, sagt Rita Jansen, bei der Rudolf-Ballin-Stiftung für GBS zuständig, sei der Übergang in den Nachmittag somit nahtlos, Schule werde als Ganzes gesehen.
„Erzieher und Lehrer bilden ein Tandem“, sagt Inge Schröder vom Hamburger Schulverein von 1875 e. V. und als Standortleiterin an der Grundschule Traberweg in Farmsen-Berne für den Nachmittag zuständig. „Die Kollegen können sich besser austauschen und Verständnis füreinander entwickeln. Es ist ein Miteinander.“ Üblicherweise könnten sich Lehrer und Erzieher nur alle 14 Tage für eine Stunde treffen, um gemeinsam über die Kinder zu sprechen, über Probleme oder Erziehungsfragen. „Mehr Zeit sieht das Lehrerarbeitszeitmodell nicht vor“, sagt Jörg Behnken, Leiter der Grundschule Traberweg. Durch die Verzahnung des Vor- und Nachmittags sei eine Zusammenarbeit überhaupt erst möglich: „Die Inhalte vom Vormittag, zum Beispiel beim Thema Gewichte und Maßangaben, können von den Erziehern am Nachmittag in der Praxis aufgegriffen und etwa beim Kochkurs angewandt werden“, sagt Behnken. Weitere Ergebnisse des Modellversuchs: Die Übergabe der Kinder vor dem Mittagessen ist weniger hektisch, die Kinder erleben den Wechsel nicht mehr als Stress, Lehrer und Erzieher sprechen sich über Regeln und Vorkommnisse ab, sind auf demselben Kenntnisstand.
An den sechs Standorten finden Konferenzen, Ausflüge, Feste oder Klassenreisen mit Lehrern und Erziehern statt. Das ist nicht überall selbstverständlich. Schulleiter Behnken: „Ohne Verzahnung von Vor- und Nachmittag ist der Ganztag mehr Betreuung und weniger Bildung.“ Auch Cathrin Pape, stellvertretende Schulleiterin an der Grundschule Turmweg, ist zufrieden: „Es ist eine Wertschätzung auf Augenhöhe entstanden. Lehrer und Erzieher führen auch gemeinsam Elterngespräche.“
Um die Verzahnung zu ermöglichen, haben die Schulen und Jugendhilfeträger sich die Kosten geteilt. Rein rechnerisch ist das pro Kind und Schultag ein Euro. Die Träger haben die zusätzliche Arbeitsstunde für die Erzieher übernommen. Der Versuch läuft zum Schuljahresende aus, sofern die Behörde das Modell nicht finanziert. „Es wäre ein Wunsch, die gemeinsame Stunde Schritt für Schritt an allen 125 Standorten auszubauen“, sagt Harald Clemens von der Rudolf-Ballin-Stiftung. Der Landeselternausschuss (LEA) fordert, die Erfahrungen aus dem Modellversuch anzuerkennen. „Die konsequente Verbesserung der Ganztagsschulen sollte angesichts der zahlreichen Kündigungen oberste Priorität haben“, sagt Tobias Joneit aus dem LEA-Vorstand.