Hamburg . Korruptionsabteilung der Dienststelle Interne Ermittlungen schaltet sich ein. 20.000-Euro-Auftrag ging an seinen Geschäftspartner.
Die Auftragsvergaben der Hamburg Tourismus (HHT) und Hamburg Marketing GmbH (HMG) werden nach dem Rücktritt des früheren Geschäftsführers Dietrich von Albedyll nun auch von der Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) überprüft. Laut Nana Frombach, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg, hat die Korruptionsabteilung Vorermittlungen aufgenommen. Ob ein formales Ermittlungsverfahren eingeleitet werde, sei noch offen.
Von Albedyll war Anfang Februar auf Druck des Senats zurückgetreten, nachdem das Abendblatt darüber berichtet hatte, dass er bereits im Dezember 2015 zusammen mit Wolfgang Raike, einem Hamburger PR-Unternehmer und regelmäßigen Auftragnehmer der von Albedyll geführten HHT und der HMG, eine eigene Tourismus-Firma gegründet hatte, obwohl er noch in Diensten der Stadt stand.
Mittlerweile ist bekannt geworden, dass die von Albedyll geführte HMG auch nach der gemeinsamen Firmengründung noch einen gut dotierten Auftrag an Raikes Firma vergeben hat: Im Januar bekam Raike den Zuschlag für eine „Tagestourismuskampagne“ für 20.000 Euro. Der Auftrag wurde „freihändig“, also ohne Ausschreibungsverfahren vergeben. Das ergibt sich aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Thilo Kleibauer.
„Justiziabler Vorgang“
„Es ist ein klarer Regelverstoß, dass der Interessenkonflikt nicht offengelegt wurde. Dass von der Hamburg Tourismus im kritischen Zeitraum Aufträge an den privaten Geschäftspartner von Herrn von Albedyll gegangen sind, muss vollständig aufgeklärt werden“, fordert der CDU-Politiker. „Offenbar ist der Senat seiner Kontrollfunktion nicht genug nachgekommen. Darauf deutet auch die vorschnelle Entlastung als Geschäftsführer der Hamburg Travel GmbH vor Abschluss der laufenden Prüfung hin.“
Noch deutlicher wird Linken-Wirtschaftspolitiker Stephan Jersch. „Eine Vergabe eines Auftrags über 20.000 Euro an einen Geschäftspartner hat nicht mehr nur ein Geschmäckle – das ist ein justiziabler Vorgang, dem nachgegangen werden muss und der Konsequenzen verlangt“, so Jersch. „Angesichts dieses Vorgangs stellt sich auch die Frage, seit wann die gemeinsame Firmengründung geplant war und eventuell weitere Vergaben unter diesem Vorzeichen erfolgten.“
Die Auflistung in der Senatsantwort zeigt, dass Albedylls neuer Geschäftspartner Raike, der auch Vizechef und Schatzmeister des Tourismusverbands Hamburg ist, seit Anfang 2014 Aufträge von fast genau 400.000 Euro von städtischen Unternehmen bekommen hat – neben HHT und HMG etwa auch vom Flughafen oder der Hamburg Port Authority (HPA). Ins Auge springt bei der Betrachtung der Liste ein Großauftrag über 245.000 Euro für „Kommunikationsberatung“, den die HPA 2014 an Raikes Firma vergeben hatte. Interessantes Detail in diesem Zusammenhang: Erst im Jahr zuvor hatte der Pressesprecher der HPA, Alexander Schwertner, seinen Job bei der Hafenbehörde aufgegeben und war bei Raike als Geschäftspartner ins Agenturgeschäft eingestiegen.
„Auch dies wirft die Frage nach dem genauen zeitlichen Ablauf auf, hier zwischen dem Wechsel von Alexander Schwertner von der HPA in eine gemeinsame Unternehmung mit Herrn Raike und der Vergabe des Auftrags“, sagte Linken-Politiker Jersch. „Anscheinend haben in beiden Fällen die Kontrollmechanismen völlig versagt. Dass diese Vorgänge jetzt ans Licht kommen und die Stadt erst auf Hinweise hin ermittelt, ist kein gutes Zeichen für die Wirksamkeit des hanseatischen Corporate Governance Kodex.“ Der Senat müsse nun „alle Wechsel in den letzten Jahren von Führungskräften in die freie Wirtschaft auf Basis der neuen Erkenntnisse konsequent untersuchen“.
Wirtschaftsprüfer untersuchen jetzt alle Reise- und Spesenabrechnungen
Der Senat gibt sich angesichts der neuen Erkenntnisse zurückhaltend. Der Behörde sei bei der Vergabe des 20.000-Euro-Auftrags an Raike im Januar 2016 noch nicht bekannt gewesen, dass Albedyll bereits eine Firma mit Raike gegründet und ins Handelsregister hatte eintragen lassen, sagt Wirtschaftsbehörden-Sprecherin Susanne Meinecke. Zudem habe die Überprüfung mittlerweile ergeben, dass trotz freihändiger Vergabe alle formalen Regeln beachtet worden seien.
Der Großauftrag der HPA an Raike sei ebenfalls korrekt vergeben worden – angesichts des großen Umfangs im Rahmen eines „EU-Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb“. HPA-Sprecherin Sinje Pangritz betont, dass sich vor der Vergabe „das Antikorruptionsgremium der HPA mit der Fragestellung befasst“ habe, „ob die Firma eines ehemaligen Mitarbeiters der HPA sich an der Ausschreibung beteiligen darf“. Nach Einschätzung des Gremiums hätten keinerlei Bedenken bestanden.
Die vom Senat beauftragten Wirtschaftsprüfer der Firma MDS Möhrle, die seit Anfang Februar die HMG und die HHT durchleuchten, überprüfen derweil nach Abendblatt-Informationen auch sämtliche Reisen und Spesenabrechnungen des früheren Geschäftsführers von Albedyll. Dabei solle geklärt werden, ob alle Reisen in vollem Umfang dienstlich gerechtfertigt gewesen seien, hieß es.