Hamburg . Hätte der langjährige Hamburger Tourismus- und Marketingchef dem Rücktritt nicht zugestimmt, wäre er wohl beurlaubt worden.
So schnell und energisch hat der Senat kaum einmal auf Vorwürfe gegen einen führenden städtischen Mitarbeiter reagiert. Nur wenige Stunden nach Erscheinen des Abendblatt-Artikels über die mögliche Verquickung persönlicher und städtischer Interessen durch den Hamburg-Tourismus-Chef Dietrich von Albedyll musste der 65-Jährige am Mittwoch in der Wirtschaftsbehörde seinen Aufhebungsvertrag unterschreiben. Damit trat der Mann, der mehr als 25 Jahre erfolgreich den Ausbau der Hamburger Tourismus-Wirtschaft vorangetrieben hatte, von allen Ämter zurück – also von den Geschäftsführer-Posten bei der Hamburg Tourismus GmbH und der Hamburg Marketing GmbH. Wäre von Albedyll nicht von sich aus gegangen, hätte der Senat ihn aller Wahrscheinlichkeit nach beurlaubt.
Vor allem zwei Umstände haben den Senat bewogen, den Spitzenmann zum Rückzug zu drängen. Erstens hatte von Albedyll laut Wirtschaftsbehörde ohne Genehmigung bereits am 11. Dezember 2015 eine eigene Albedyll Tourismus GmbH gegründet und ins Handelsregister eintragen lassen – obwohl er bei guten Bezügen (rund 220.000 Euro Jahresgehalt) noch bis Ende März in derselben Branche in Diensten der Stadt steht. Zweitens drängten sich für den Senat Fragen zum neuen privaten Geschäftspartner Albedylls auf, dem PR-Mann Wolfgang Raike. Der frühere Sprecher der Wirtschaftsbehörde hatte über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte immer wieder lukrative Aufträge der von Albedyll geführten Gesellschaften erhalten. Nun will man in der Wirtschaftsbehörde genau wissen, in welchem Umfang und wann zuletzt Raike Aufträge bekommen hat.
Schnelles Durchgreifen zur Schadensbegrenzung
Dabei stehe auch die Frage im Raum, ob es auch noch nach der (ungenehmigten) Gründung der Privatfirma zusammen mit Raike Aufträge der von Albedyll geführten Gesellschaften eben an Raike gegeben habe. Das werde nun geprüft, hieß es aus dem Senat. Nach Abendblatt-Informationen soll ein externer Wirtschaftsprüfer die von Albedyll geführten städtischen Unternehmen sehr genau durchleuchten.
Mit dem schnellen und drastischen Durchgreifen will der Senat wohl auch Schaden von sich selbst fernhalten. Aufsichtsratsvorsitzender der Hamburg Tourismus GmbH ist Staatsrat Andreas Rieckhof aus der Wirtschafts- und Verkehrsbehörde. Den Aufsichtsrat der Hamburg Marketing GmbH führt Bürgermeister Olaf Scholz. Die Stadt hatte von Albedyll kürzlich noch mit der Ausarbeitung eines Hotel-Entwicklungsplans für Hamburg beauftragt. Dabei hatte von Albedyll bereits angekündigt, nach seinem Ausscheiden bei der Stadt Ende März eine eigene Hotel-Betriebsgesellschaft zu gründen. Mögliche Interessenkonflikte hat man bis zum Mittwoch im Rathaus offenbar trotzdem nicht wahrnehmen wollen.
Kommentar: Realitätsverlust an den Spitzen
Dabei hatte Albedyll auch die geplante Gründung eines Beratungsunternehmens für die Touristikbranche mit PR-Mann Raike längst selbst öffentlich gemacht. Ein Blick ins online sehr einfach einzusehende Handelsregister hätte genügt und die Aufsichtsräte hätten gesehen, dass ihr Top-Manager diese private Firma bereits gegründet hatte. Möglicherweise hätte man auch feststellen können, dass Albedyll sich jetzt häufiger mal mit seinem Geschäftspartner traf.
Oppositionspolitiker fordern schnelle Aufklärung
„Der plötzliche Rücktritt Dietrich von Albedylls entwickelt sich zu einem Fall Rieckhof/Horch“, sagte FDP-Wirtschaftspolitiker Michael Kruse am Mittwoch. „Unklar ist, nach welchen Kriterien Staatsrat Rieckhof und die Wirtschaftsbehörde dem langjährigen Chef von Hamburg Tourismus Nebentätigkeiten und eine Vorbereitung seiner beruflichen Aktivitäten nach dem geplanten Ausscheiden erlaubt oder nicht erlaubt haben. Senator Horch sollte die ungeklärten Fragen zum überstürzten Abschied von Herrn von Albedyll in der aktuellen Sitzung des Wirtschaftsausschusses aufklären.“
Der CDU-Abgeordnete Thilo Kleibauer forderte „klare Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten“. Offensichtlich habe „Staatsrat Rieckhof als Aufsichtsratsvorsitzender viel zu lange weggeschaut“. Hier sei der Senat in der Pflicht, „die Fragen und Vorwürfe schnell aufzuklären und strukturelle Probleme zu lösen“, so Kleibauer. „Der schnelle Rückzug von Herrn von Albedyll ist konsequent und folgerichtig. Aber es muss auch verhindert werden, dass ein Geschäftsführer der Stadt Insiderinformationen aus aktuellen Projekten kurz nach seinem Ausscheiden privat vermarktet.“
Auch der Wirtschaftspolitiker der Linken, Stephan Jersch, forderte eine energische Aufklärung. „Und natürlich muss das Thema Karenzzeiten für städtische Top-Manager auf den Tisch.“
Für Albedyll ist der Abgang bitter. Die für 19. Februar geplante Präsentation der „Tourismusperspektive 2025“ mit Scholz findet nun ohne ihn statt. Den großen Empfang zum Abschied von Hamburgs „Mister Tourismus“ wird es wohl nicht mehr geben.