Hamburg. Biometriespezialist erhält Auftrag vom Bundesamt für Migration und lieferte bereits 1800 Geräte zur Registrierung von Flüchtlingen.
Als Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Ende vergangenen Jahres den neuen Flüchtlingsausweis vorstellte, sprach er von einem ehrgeizigen Vorhaben – „auch technisch“. Mithilfe des sogenannten „Ankunftsnachweises“ will die Regierung die Erfassung von Flüchtlingen erleichtern und Asylverfahren beschleunigen. Seit Ende Januar wird das Dokument nun schrittweise bis Mitte des Jahres bundesweit eingeführt. Wesentlicher Bestandteil bei der Registrierung ist das Scannen aller zehn Fingerabdrücke, um die erfassten Personen eindeutig identifizieren zu können.
Hinter der Technik, die dabei zum Einsatz kommt, steht die Hamburger Firma Dermalog. Der Biometriespezialist mit Sitz am Mittelweg hat für die bundesweite Registrierung von Flüchtlingen bereits knapp 1800 Fingerabdruckscanner an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geliefert. „Mit unserem ,LF10‘-Scanner lassen sich vier Finger gleichzeitig und alle zehn Finger in kürzester Zeit erfassen“, sagt Geschäftsführer Günther Mull über seine Innovation, die bereits weltweit bei Grenzkontrollen sowie in Ausländer- und Einwohnermeldebehörden genutzt wird. Zudem biete das etwa schuhkartongroße Gerät eine „integrierte Fälschungs- und Lebenderkennung“. „Spezielle Lichtquellen und optische Technologie ermöglichen den Schutz vor Täuschungsversuchen mit gefälschten Fingerabdrücken oder sogar abgetrennten Fingern“, sagt Mull. Entwickelt wurde die Methode mit Rechtsmedizinern des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE).
Das von der Bundesregierung beschlossene Datenaustauschverbesserungsgesetz regelt die einheitliche Erfassung relevanter Informationen von Flüchtlingen. Der Ankunftsnachweis enthält neben Namen und weiteren Daten wie Geburtsdatum des Asylsuchenden auch Angaben zu Schul- und Berufsausbildung sowie Informationen über Gesundheitsuntersuchungen. „Künftig erfassen alle Behörden bei der ersten Begegnung mit Flüchtlingen standardisiert Daten in einem zentralen System“, sagte de Maizière. Über einen Sofortabgleich sollen die Behörden feststellen können, ob zu einer Person bereits Daten vorhanden sind. So will man verhindern, dass sich Flüchtlinge mehrfach registrieren. Zudem sollen Straftäter leichter identifiziert werden können.
„Eventuelle Doppelregistrierung wird in weniger als drei Sekunden erkannt“
Hier setzt der Hamburger Biometrie-Hersteller an. Zum Fingerabdruckscanner bietet Dermalog auch ein Automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem (AFIS) an, das gescannte Fingerabdrücke in kürzester Zeit vergleichen kann. „Eine eventuelle Doppelregistrierung wird in weniger als drei Sekunden erkannt und gemeldet“, sagt Mull, der 170 Mitarbeiter beschäftigt, 150 davon in Hamburg.
Für die Erfindung gibt es eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten. So könne sie laut Mull etwa als Zugangskontrolle in Flüchtlingsunterkünften genutzt werden, um nur befugten Personen Zutritt zu gewähren. Auch die Auszahlung finanzieller Mittel oder die Essensausgabe lasse sich durch biometrische Überprüfung steuern. „Missbrauch und Betrug können mithilfe dieser Technologie vermieden werden“, sagt der Dermalog-Gründer.
Bislang sind die Scanner von Dermalog ohne das AFIS zur Flüchtlingsregistrierung im Einsatz. „Die Behörden nutzen seit Ende Januar ein neues Computersystem. Darin fehlt jetzt nur noch das AFIS-Modul zum Abgleich von Fingerabdrücken in Echtzeit“, sagt Mull. Er hofft darauf, dass das BAMF künftig auf die Lösung aus Hamburg setzt. „Als erstes und bisher einziges Bundesland hat das Saarland unser AFIS zur Flüchtlingsregistrierung gekauft“, so der Humanbiologe.
Dermalog machte 2015 erstmals mehr als 40 Millionen Euro Umsatz
Der Auftrag zur Flüchtlingsregistrierung lässt die Erlöse des Hamburger Unternehmens weiter wachsen. Im Jahr 2015 verzeichnete Dermalog erstmals mehr als 40 Millionen Euro Umsatz. Bereits 2014 war der Umsatz vor allem dank des bisher größten Auftrags der Firmengeschichte, der über drei Jahre in die Bilanz eingeht, um 37 Prozent auf 37,1 Millionen Euro in die Höhe geschnellt. Anfang 2014 kaufte Nigeria für 50 Millionen Dollar (45 Millionen Euro) ein System zur Identifikation aller Bankkunden per Fingerabdruck. 30.000 Scanner wurden geliefert, die seitdem in 5000 Bankfilialen stehen. Bis heute sammelten sie die Daten von 25 Millionen Bankkunden – und deckten, wie sich jetzt zeigte, Beachtliches auf.
So ergab eine Untersuchung, dass von 312.000 überprüften Beamten nahezu 24.000 ihr Gehalt unrechtmäßig erhielten oder die Personen nicht existierten, sagt Mull. Einige bezogen sogar gleichzeitig Geld aus mehreren Quellen. In der Folge strich die nigerianische Regierung zahlreiche Stellen von den Gehaltslisten. 10,5 Millionen Euro monatlich könne das Land nun sparen.
Europa und Deutschland spielen hingegen eine kleinere Rolle
In Afrika und Asien macht Dermalog sein Hauptgeschäft. Auch Lateinamerika und der Nahe Osten sind wichtige Märkte für das Unternehmen aus Rotherbaum. Europa und Deutschland spielen hingegen eine kleinere Rolle. 98 Prozent des Umsatzes werden laut Mull durch Export erzielt. „Durch den neuen Auftrag zur Flüchtlingsregistrierung ändert sich das ein wenig.“ Er schätzt, dass das Auftragsvolumen im einstelligen Prozentbereich des voraussichtlichen Jahresumsatzes liegen werde. Traditionell seien die Deutschen skeptisch gegenüber der Biometrietechnik, auch wenn es mit Datenschützern keine Probleme gebe. Doch für die Zukunft ist der 62-Jährige optimistisch: „Durch Fingerabdruckgeräte in Smartphones und Laptops nimmt die Akzeptanz von Biometrie zu“, sagt er. „Das wird das Ende der Passwörter und PINs bedeuten“, ist Mull sich sicher.
Eine weitere Neuheit präsentiert Dermalog kommende Woche neben dem Scanner zur Flüchtlingsregistrierung auf der CeBIT in Hannover. Auf der weltweit größten IT-Messe wird der sogenannte Kombiscanner „VF1“ zu sehen sein. Er kann sowohl Fingerabdrücke als auch Pässe über dieselbe Oberfläche scannen. Das Gerät eignet sich etwa für Grenzkontrollen, Banken und automatische Gates wie zum Beispiel an Flughäfen. Statt zwei Scannern wird nur einer benötigt. Nach mehr als drei Jahren Entwicklungszeit will Dermalog den „VF1“ ab Mai ausliefern. Erste Bestellungen gibt es schon. Nicht aus Deutschland, sondern aus Asien.