Hamburg. Bürgerschaft debattiert über die Verschlickung und andere Probleme des Hafens. Senator Horch warnt vor „Schwarzmalerei“.

Der Hafen symbolisiert die Wirtschaftskraft Hamburgs ebenso wie die Geschichte der Stadt und ihre Identität als Tor zur Welt. Dementsprechend häufig wird das Thema in der Bürgerschaft verhandelt – vor allem die Opposition nutzt naturgemäß jede Gelegenheit, dem Senat mit großer Bugwelle Unfähigkeit in der Hafenpolitik zu attestieren.

Und so überraschte es nicht, dass auch die politische Lösung eines Pro­blems – das der Verklappung von Hafenschlick in der Nordsee – die Gemüter im Parlament erregte. Unter dem Titel „Scholz und Horch ohne Konzept – Hamburger Hafenpolitik versinkt im rot-grünen Schlick“ hatte die FDP das Thema für die Aktuelle Stunde angemeldet.

Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Michael Kruse warf dem rot-grünen Senat vor, im Windschatten der Olympiabewerbung und der Flüchtlingskrise das Thema Hafen zu „verdaddeln“ und die „wirtschaftliche Zukunft Hamburgs“ aufs Spiel zu setzen. So seien die Kosten für die Infrastruktur des Hafens 2015 um fünf Prozent oder 71 Millionen Euro gestiegen, kritisierte Kruse und holte die große verbale Keule heraus: „71 Millionen Euro mehr pro Jahr – das ist die Elbphilharmonie Ihres Bürgermeisters.“

Michael Kruse, wirtschaftspolitischer Sprecher der attackierte Wirtschaftssenator Horch (parteilos)
Michael Kruse, wirtschaftspolitischer Sprecher der attackierte Wirtschaftssenator Horch (parteilos) © HA | Klaus Bodig

Horch warnt vor Schwarzmalerei

Eigentlicher Anlass für die Debatte war die Verständigung, die Hamburg und Schleswig-Holstein vor drei Wochen beim Thema Schlick erzielt hatten. Demnach darf die Hansestadt im Hafen anfallende Sedimente vor der Westküste Schleswig-Holsteins ins Meer kippen – und zwar bei der Tonne E3, die 15 Kilometer vor Helgoland liegt. Dafür zahlt Hamburg fünf Euro pro Tonne Trockengewicht in die Stiftung Nationalpark ein.

Das Geld kann unter anderem zur Stärkung der Krabbenfischerei oder „für wirtschaftlich bedeutende Projekte im Naturtourismus an der Westküste verwendet werden“, so die Vereinbarung. Außerdem verpflichtet sich Hamburg, die Baggergutmenge dauerhaft zu senken. Diese Eckpunkte gelten zunächst fünf Jahre, können aber verlängert werden.

Eine „sehr sehr gute Vereinbarung“ sei das, sagte SPD-Wirtschaftsexperte Joachim Seeler und forderte die FDP auf, das Kleingedruckte mehr zu beachten. „Nicht nur dröhnen, auch mal lesen“, rief er den Liberalen zu.

Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) warnte eindringlich vor Schwarzmalerei und verwies auf eine aktuelle Studie: „Der Hamburger Hafen bleibt einer der leistungsstärksten und wettbewerbsfähigsten der Welt.“ Zwar sei die Schifffahrt seit Jahren in der Krise, und es gebe auch keinen „Königsweg“, um aus dieser herauszukommen. Aber die Debatte darüber solle doch bitte „sachlich-kritisch“ geführt werden. Andernfalls freue sich nur die weltweite Konkurrenz.

Zusammenhang zwischen Havarien und Hafenschlick?

Angesprochen fühlen durfte sich davon vor allem Ralf Niedmers. Der CDU-Abgeordnete hatte zuvor die jüngsten Havarien des Containerriesen „Indian Ocean“ und des Frachters „Sandnes“ als „Sinnbilder für den Niedergang des Hafens“ bezeichnet. Sollten „weitere Schiffe im Schlick stecken bleiben“, könne das Tausende Arbeitsplätze kosten. Damit löste er vor allem im Regierungslager großen Protest aus.

Anjes Tjarks,, Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, fand die Argumentation der CDU „peinlich
Anjes Tjarks,, Vorsitzender der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, fand die Argumentation der CDU „peinlich © picture alliance / dpa

Einfach nur „peinlich“ sei es, einen Zusammenhang zwischen der Schlickthematik und diesen beiden Schiffen herzustellen, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks und erinnerte an die wahren Abläufe: Die „Indian Ocean“ sei wegen des Ausfalls der Ruderanlage von den Lotsen aus Sicherheitsgründen gezielt an den Rand der Fahrrinne gebracht worden – wo sie dann tagelang festhing. Und die „Sandnes“ sei schlicht im Mühlenberger Loch „zu früh abgebogen“ und aus der Fahrrinne abgekommen. „Ein nautischer Fehler des Kapitäns“, so Tjarks, der Niedmers vorwarf, seine Darstellung habe „mit der Realität nichts zu tun“ gehabt. Auch Joachim Seeler (SPD) warf der CDU vor, wer die falsche Behauptung aufstelle, eines der größten Containerschiffe der Welt sei in Hamburg im Schlick stecken geblieben, spiele nur den Gegnern des Hafens in die Hände.

Linke: „Schlickbaggerei ist nicht alles“

Wer die sind, dazu vertrat AfD-Fraktionsvize Bernd Baumann folgende Theorie: Wirtschaftssenator Horch könne für viele Probleme des Hafens gar nichts, etwa die Umsatzeinbrüche im Handel mit China oder Russland. Er schleppe aber einen „Katalog des Grauens“ mit sich herum, mit Themen wie Elbvertiefung oder Hinterlandanbindung, bei denen die Grünen „Sand ins Getriebe“ streuen würden.

Der ehemalige Manager Horch, so Baumanns Ode an den Senator, habe „draußen schon Leistung gebracht“, während einige Grüne „vom Kreißsaal über den Hörsaal in den Plenarsaal“ gekommen seien. Das griff deren Fraktionschef Tjarks, von Beruf Lehrer, genüsslich auf: „Herr Baumann, Sie haben noch den Schulsaal vergessen. Und deshalb möchte Ihnen der Studienrat Dr. Tjarks mal das Schlickproblem erklären.“ Die jetzt gefundene Lösung mit Schleswig-Holstein sei ökologisch und ökonomisch sinnvoll, weil sie die teure „Kreislaufbaggerei“ ersetze, bei der der Schlick westlich des Hafens wieder in die Elbe gekippt werde, um postwendend wieder nach Hamburg gespült zu werden.

„Schlickbaggerei ist nicht alles“, versuchte Norbert Hackbusch (Linke) einen anderen Akzent zu setzen. Er sah eine „krisenhafte Situation des Hafens“ und wollte gern über Jobs und Lohnhöhen debattieren. Vergeblich – die „Aktuelle Stunde“ war um.