Hamburg/Stade. Containerfrachter kann frühestens am Dienstag geborgen werden. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Seit Mittwoch liegt die „CSCL Indian Ocean“ bei Stade auf dem Grund der Elbe. Auch am Freitag konnte der Containerfrachter noch nicht freigeschleppt werden. Jetzt beschäftigt die Havarie nicht nur die Helfer, sondern bedroht auch den Ruf des Hamburger Hafens.

Wie ist der Stand der Bergungsarbeiten?

Um das Schiff für den nächsten Bergungsversuch leichter zu machen, wurden von den 2000 Tonnen Schweröl im Tank bereits 1200 Tonnen von Bunkerbooten aus abgepumpt. Das Gasöl wurde von 700 auf 570 Tonnen reduziert. Der nächste Bergungsversuch wird am Dienstag am frühen Morgen stattfinden. Dabei soll das Hochwasser durch eine Springflut ausgenutzt werden. Bis dahin sollen mehrere Spezialschiffe rund um den festsitzenden Containerriesen den Grund ausbaggern, um das Freischleppen zu erleichtern.

Warum ist es so schwierig, das Schiff vom Grund der Elbe zu befreien?

Die „Indian Ocean“ lief auf relativ ebenem Grund auf und ist nicht annähernd voll beladen – maximal kann das Riesenschiff 19.000 Standardcontainer transportieren. Der Frachter wiegt mehr als 150.000 Tonnen. Um die Last durch das Abtragen von Containern weiter zu verringern, wäre ein großer Schwimmkran nötig. Zudem ist diese Prozedur sehr zeitaufwendig.

Ist die Ursache der Havarie geklärt?

Die Ermittlungen der Wasserschutzpolizei deuten auf einen Ruderschaden hin, der die „Indian Ocean“ manövrierunfähig machte. Da die Ruderanlage aus mehreren unabhängigen Mechaniksystemen besteht, ist ein hydraulischer Defekt unwahrscheinlich. Denkbar ist ein Computerfehler oder ein technischer Ausfall.

Wie konnten die Lotsen das Schiff noch aus der Fahrrinne bringen?

Nach dem Ausfall der Ruderanlage ließ sich die „CSCL Indian Ocean“ nicht mehr wie vorgesehen lenken. Mit gezielten Rückwärtsschüben sowie dem Einsatz von Quer- und Bugstrahlern gelang es den Lotsen und dem Kapitän, das Schiff noch an den nördlichen Rand der Fahrrinne zu bringen. „In so einer Situation schubst man das Schiff an und hofft, dass es in die richtige Richtung schwenkt“, sagt Ben Lodemann, Ältermann der Lotsenbruderschaft Elbe. Es gelang perfekt, der Containerriese kam parallel zum Ufer zum Stehen und ließ Platz für den Schiffsverkehr.

Wohin soll das Schiff nach der Bergung gebracht werden?

Zunächst offenbar zu seinem ursprünglichen Ziel am Eurogate-Terminal, um die Ladung zu löschen. Wenn das Containerterminal Eurogate noch belegt ist, kann das Schiff an die Finkenwerder Pfähle verholt werden. Da diese zu kurz sind, müsste es ständig von zwei Schleppern begleitet werden. Der Unternehmensverband Hafen Hamburg (UVHH) hat 2014 den Bau zusätzlicher Dalben gefordert, an denen man ein Schiff der Kategorie ULCV (Ultra Large Container Vessel) anbinden kann. Diese gibt es bisher aber nicht.

Wie lange wird die Reparatur des havarierten Schiffs dauern?

Sowohl ein rein elektronischer als auch ein hydraulischer Defekt ließe sich vermutlich an Bord reparieren. Hätte sich dagegen das Ruderblatt verzogen oder die Hülle des Schiffes Schaden genommen, droht eine aufwendige Instandsetzung. Die nächste Werft, die ein Schiff dieser Größe aufnehmen kann, liegt auf Malta. Bei der Hamburg Port Authority (HPA) gibt es Überlegungen, das Schiff in diesem Fall in den Kaiser-Wilhelm-Hafen zu bringen, da am dortigen Kronprinzkai in nächster Zeit keine Kreuzfahrtschiffe erwartet werden. Bislang heißt es, das Schiff sei bei der Havarie nicht beschädigt worden. Taucher des Germanischen Lloyds sollen dies nun überprüfen.

Was kostet die Bergung?

Die Kosten für die Bergung wird die Versicherung der Reederei „China Shipping“ tragen. Für sämtliche Schiffe in europäischen Gewässern gilt die Pflicht einer Haftpflichtversicherung. Die betroffene Versicherung hat schon einen Experten an die Elbe geschickt.

Ist Hamburg ausreichend auf schwere Havarien vorbereitet?

Die Abläufe nach dem Ausfall an Bord der „Indian Ocean“ funktionieren seit Mittwoch reibungslos: Bereits 45 Minuten nach dem Ausfall waren sechs Schlepper vor Ort. Die Firma Port Feeder Barge kritisiert, dass an der gesamten deutschen Küste kein geeignetes Gerät zur Verfügung stünde, um etwa die oberen Containerreihen auf den Riesenfrachtern abtragen zu können. Dieser Mangel trete nun „eklatant“ zu Tage. Das Angebot, einen entsprechenden Schwimmkran zu kaufen, schlug die HHLA vor zwei Jahren aus. Die Partei Die Linke warnt, dass mit der Größe der Containerschiffe auch die Gefahr für Havarien im Hafen wachse.

Welche Folgen hat der Unfall für den Hamburger Hafen?

Im Hinblick auf das internationale Renommee sprechen Insider von einem „Desaster“. Die Bilder der andauernden Havarie gingen um die Welt. Auch deshalb arbeiten alle städtischen Stellen im Hamburger Hafen intensiv an einer Lösung. „Natürlich ist dieser Vorfall ein GAU“, heißt es zudem im Umfeld der Bergungskräfte. „Aber es besteht auch die Chance zu zeigen, dass Hamburg diesen Fall beherrschen kann – ohne austretendes Öl oder weitere Schäden. Darin wird nun alle Kraft gesteckt. “