Hamburg. Die Schlepper konnten die vor Hamburg havarierte CSCL “Indian Ocean“ am Donnerstag nicht befreien. Politiker und Umweltschützer warnen.

Vor der Insel Lühesand bei Stade (Niedersachsen) ist am Mittwochabend ein 400 Meter langes Containerschiff auf Grund gelaufen. Erste Ermittlungen haben ergeben, dass offenbar eine defekte Ruderanlage Ursache für die Havarie gewesen sei. Der Container-Riese war am Mittwoch gegen 22.20 Uhr auf die falsche Fahrrinne gekommen und dann im Elbsand stecken geblieben, wie die Hamburger Wasserschutzpolizei mitteilte.

Der Frachter CSCL "Indian Ocean" der Reederei China Shipping ist unter der Flagge Hong Kongs unterwegs. Insgesamt sechs Schlepper, darunter Sd "Dolphin", Sd "Rover" und Zp "Boxer", hatten noch in der Nacht versucht, das 59 Meter breite Schiff zu befreien. Der Versuch misslang jedoch. Am Donnerstagmittag sollte ein zweiter Versuch unternommen werden.

Aber auch der zweite Abschleppversuch sei gescheitert, teilte das Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg nach dem Mittaghochwasser mit. Die Bergungskräfte hatten gehofft, den auf Grund gelaufenen Frachter mit der Flut und der Hilfe von sieben Schleppern freizubekommen. Diese haben jeweils Zugkräfte von bis zu rund 90 Tonnen. Das Havariekommando in Cuxhaven übernehme die Einsatzleitung, teilte die Behörde mit. Die Gefahr eines Sinkens beziehungsweise einer Umweltverschmutzung habe zu keiner Zeit bestanden.

Zuvor hieß es bereits, sollte die Befreiungsaktion erneut misslingen, könnte der Frachter laut Wasser- und Schifffahrtsamt noch bis Mitte kommender Woche dort liegen. Erst dann soll die Elbe wieder genug Wasser führen. Gleichzeitig solle aber versucht werden, mit einem Schwimmkran einige der Container zu löschen. Doch da die Fracht aber rund 50 Meter über dem Wasser liegt, müsse ein spezieller Kran zum Einsatz kommen, so das Schifffahrtsamt weiter.

Die Küstenwache ist vor Ort und hat ein Teil der Fahrrinne abgesperrt. Für die Schifffahrt entstehen dadurch aber nur leichte Behinderungen, wie es hieß. Menschen wurden bei dem Unfall nicht verletzt. Treibstoff sei nicht ausgelaufen, so ein Sprecher weiter.

Die Wasserschutzpolizei hat an Bord Beweismittel gesichert, ermittelt weiterhin nach der Ursache und sichert den geplanten Einsatz mit Funkstreifenbooten ab. Das Havariekommando aus Cuxhaven hat ihr Mehrzweckschiff „Neuwerk“ an die Unfallstelle geschickt.

Niedersachsens Wirtschaftsminister: Brauchen dringend Kooperation norddeutscher Häfen

Nach dem Unfall der „CSCL Indian Ocean“ wächst die Kritik an den Riesenschiffen auf der Elbe. „Ein solcher Unfall war schon länger zu befürchten und es sind auch weitere Vorfälle dieser Art in Zukunft nicht auszuschließen“, sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). „Dieser Unfall verursacht hohen wirtschaftlichen Schaden, denn der Hamburger Hafen wird im Betrieb gestört.“ Außerdem verängstige der Vorfall tausende Bürger, die hinter den Deichen an der Elbe leben. „Die Havarie zeigt einmal mehr, wie dringend wir eine Kooperation der norddeutschen Häfen Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven brauchen.“

Der Unfall rief auch die Umweltschützer auf den Plan. „Die Havariegefahr wächst mit der Größe der Schiffe. Es ist fahrlässig, dass die politischen Entscheider dieses ökologische, nautische und finanzielle Risiko täglich in Kauf nehmen und herunterspielen“, teilte das Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe aus BUND, Nabu und WWF mit. Der Unfall sei ein weiteres Argument für eine Hafenkooperation, da die Mega-Frachter im Tiefwasserhafen Wilhelmshaven ohne Probleme abgefertigt werden könnten.

Ursache der Havarie ist nicht die Verschlickung oder die vermeintlich mangelnde Tiefe der Elbe, sondern ein Schaden an der Ruderanlage. „Das ist nicht die erste Havarie auf der Elbe, die durch einen Maschinenausfall verursacht wurde, und auch sicher nicht die letzte“, sagte Norbert Hackbusch von der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Das unterstreicht noch mal, dass Experten und auch die Linke mit Recht davor warnen, mit einer weiteren Elbvertiefung noch größere Schiffe nach Hamburg zu locken.“ Bereits ein Schiff wie die „CSCL Indian Ocean“ würde, wenn sie querab zur Elbe zum Liegen käme, den gesamten Schiffsbetrieb zum und vom Hamburger Hafen zum Erliegen bringen.

Ein solches Szenario sei extrem unwahrscheinlich, entgegnete dagegen der Ältermann der Lotsenbrüderschaft Elbe, Ben Lodemann. Der Schiffsverkehr auf der Elbe sei nicht wesentlich beeinträchtig durch den havarierten Frachter, der neben der Fahrrinne liegt. „An einer Baustelle fährt man etwas langsamer vorbei, aber das ist auch schon alles“, sagte Lodemann.

Die Lotsen hätten nach Auffassung Lodemanns umsichtig gehandelt und größere Schäden verhindert. Nach dem Ausfall der Rudermaschine hätten die Elblotsen an Bord dem Kapitän geraten, das Schiff bei der Tonne 116 an den Nordrand der Fahrrinne zu bringen, um den nahen Lühe-Fähranleger und das steinige Südufer der Elbe zu verschonen.

„Die Lotsen an Bord haben schnell reagiert und gut gehandelt. Durch das kontrollierte Handeln konnten größere Schäden verhindert und das Fahrwasser für den Zulauf auf Hamburg freigehaltenwerden“, berichtete Lodemann. Es wird derzeit versucht, mit sieben Schleppern den auf Grund gelaufenen Frachter freizuschleppen.

"So stelle ich mir die Arche Noah vor"

Am Vormittag kamen etliche Schaulustige zum Elbdeich, um den Giganten und die Rettungsmanöver zu beobachten. Die Wirtin vom Hotel „An der Elbe“, Iris Cohrs, staunte: „Sowas hatten wir hier noch nicht“, sagte sie. „So stelle ich mir die Arche Noah auf dem Berg vor.“ Eine weitere Elbanrainerin wunderte sich nicht über den Zwischenfall: „Die Schiffe werden immer größer. Irgendwann musste das passieren.“

Alster Radio 106!8 Rock'n Pop hat folgendes Video auf seiner Facebook-Seite gepostet:

Die "Indian Ocean", die im vergangenen November vom Stapel lief, gilt als eines der größten Frachtschiffe der Welt und kann rund 19.000 Container transportieren. Vor dem Unglück war das Schiff mit zwölf Meter Tiefgang vom britischen Hafen Felixstowe aufgebrochen und sollte im Hamburger Hafen am Eurogate festmachen.

Die Reedereien setzen wegen des Konkurrenzkampfs immer größere Containerschiffe ein. Deswegen soll die Elbe ein weiteres Mal vertieft werden. Dagegen streiten derzeit Umweltverbände vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Havarie der "Indian Ocean" hat nach Meinung von Experten jedoch nichts mit einem niedrigen Wasserstand der Elbe zu tun. Grund für den Ausfall der Ruderanlage könnte sein, dass auf diesen Schiffen Computer immer mehr Aufgaben übernähmen, diese seien womöglich anfälliger.