Hamburg. Ulrich Wandschneider, Chef von Asklepios, über die Wachstumspläne des Krankenhausbetreibers, die Notfallambulanzen und Flüchtlinge.
Asklepios ist mit 45.000 Mitarbeitern bundesweit und 14.200 in Hamburg einer der größten Arbeitgeber der Gesundheitsbranche in Deutschland. An Alster und Elbe hat der Klinik-Konzern, an dessen Hamburger Gesellschaft die Stadt mit 25,1 Prozent beteiligt ist, einen Marktanteil von rund 40 Prozent. Jedes zweite Baby der Stadt wird in einem Asklepios-Haus geboren. Das Hamburger Abendblatt sprach mit dem Vorsitzenden der Konzern-Geschäftsführung, Dr. Ulrich Wandschneider, über Krankenhaus-Rankings, medizinische Qualität, die Widersprüche der Gesundheitspolitik und Flüchtlinge.
Hamburger Abendblatt: Die einfachste Frage vorweg: Warum ist das Essen in allen Krankenhäusern so schlecht, Herr Wandschneider?
Dr. Ulrich Wandschneider: Das kann ich nach den Erfahrungen, die ich gerade selbst gemacht habe, nicht bestätigen. Ich habe zwar auch schon besser gegessen, aber so schlecht, wie Sie das unterstellen, ist es nicht.
In den Umfragen und Rankings von Krankenhäusern wird immer das Essen bemängelt.
Wandschneider: Es mag sein, dass es hier Verbesserungsbedarf gibt, und wir nehmen Kritik, wenn sie unsere Häuser betrifft, auch sehr ernst und schaffen Abhilfe, wo immer möglich. Aber vergessen wir nicht: Die Patienten kommen ja nicht zum Essen, sondern um sich behandeln zu lassen. Und da zeigen die Umfragen, dass die Patienten mit der medizinischen, ärztlichen und pflegerischen Behandlung in der Regel zufrieden sind.
Das größte Ärgernis für Sie muss doch derzeit der Run auf die Notaufnahmen sein. Es gibt Experten-Einschätzungen, dass zwei von drei Notfall-Patienten beim niedergelassenen Arzt besser aufgehoben wären. Da kommen Leute mit Wehwehchen oder mit Rückenschmerzen in die Notaufnahme und blockieren die Kapazitäten für die wirklich schweren Fälle.
Wandschneider: Das ist in der Tat ein großes Problem, gerade in Hamburg. Hier sind wir der größte Notfallversorger. Wir haben am Hamburger Klinikstandort rund 40 Prozent Marktanteil und behandeln in unseren Häusern weit über die Hälfte aller Notfälle der Stadt. Das machen wir auch gerne. Es geht in der Notaufnahme aber nie danach, wer zuerst da war, sondern immer darum, wem am dringendsten geholfen werden muss. Das nennt sich: Triagierung. Wenn Sie mit einem verstauchten Fuß in die Notaufnahme kommen, warten Sie vielleicht ein paar Stunden, weil etliche Patienten dringlicher sind. Es kann auch vorkommen, dass immer mehr dringende Fälle auflaufen und man nach der ersten Begutachtung immer wieder vertröstet wird. Das ist für den Betroffenen nicht schön, aber unvermeidlich.
Inkognito in die Notaufnahme
Wann sind die Hoch-Zeiten in den Notaufnahmen?
Wandschneider: Am Sonnabend und am Sonntagabend. Ich habe mir das mal nachts in einigen unserer Häuser inkognito angesehen. Es ist bewundernswert, mit welcher Ruhe die Mitarbeiter dort handeln – und das, obwohl die Atmosphäre oft hochemotional ist. Mag sein, dass sich mancher Patient den Weg zum Hausarzt am Montag lieber ersparen will. Wie dem auch sei: Wir können niemanden ablehnen und kümmern uns mit aller gebotenen Gründlichkeit um jeden einzelnen Fall.
Aber es kann doch nicht sein, dass Menschen die Notfallambulanzen verstopfen, weil ihnen am Sonntag ihre Schmerzen einfallen?
Wandschneider: Die Diskussion führen Sie mal...
Krankenhauspolitik ist widersprüchlich
Die Krankenkassen haben gerade wieder ihre Beiträge erhöht. Wie lange können wir uns unser gutes, aber teures Gesundheitssystem überhaupt noch leisten?
Wandschneider: Das ist eine berechtigte Frage, aber sie betrifft beileibe nicht nur die Krankenhäuser, die im Übrigen nicht die größten Kostentreiber im Gesundheitswesen sind. Grundsätzlich sollen die Krankenhauskosten durch eine duale Finanzierung gedeckt werden. Die eine Säule, die Investitionen in Gebäude und medizinisches Gerät, liegt im Verantwortungsbereich der Länder. Die zweite Säule, die Behandlungskosten, sollen aus den Krankenkassenbeiträgen finanziert werden. Was wir in den vergangenen Jahren zunehmend feststellen mussten: Die Schere zwischen den tatsächlichen Kosten und den zur Verfügung gestellten Mitteln geht immer weiter auseinander. Zum einen ziehen sich die Länder zunehmend aus der dualen Finanzierung zurück. Hamburg ist da noch positiv hervorzuheben.
Zum anderen wachsen die Fallpauschalen für die Behandlung nicht parallel zu den Kosten. Ein Beispiel: In Hamburg sind unsere Personalkosten auch durch Erhöhungen der Tariflöhne in den vergangenen sechs Jahren um 19 Prozent gestiegen, die Rückvergütung durch die Krankenkassen über den so genannten Landesbasisfallwert aber nur um 8 Prozent. Die Differenz müssen die Krankenhäuser auffangen.
Nur wer viel operiert, sorgt für gute Qualität
Was läuft falsch in der Politik?
Wandschneider: Das neue Krankenhausstrukturgesetz ist leider wieder kein großer Wurf. Die langfristigen Finanzierungsprobleme und der hinlänglich bekannte Pflegekräftemangel werden nicht konsequent angegangen.
Das Krankenhausgesetz belohnt aber Qualität in der Medizin. Und Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sagte im Abendblatt, es werde ohnehin zu viel operiert...
Wandschneider: Die Patienten werden von Ihren Haus- und Fachärzten in die Krankenhäuser eingewiesen. Ich bezweifle, dass in Deutschland ohne wirkliche Indikation operiert wird. Das System bietet dafür auch keinen Anreiz. Zudem haben wir bei Asklepios lange vor dem Gesetzgeber ein Zweitmeinungsverfahren eingeführt, bei dem der Patient den Therapievorschlag seines Arztes noch einmal durch einen anderen überprüfen lassen kann, um mehr Entscheidungssicherheit zu haben. Sie dürften als Klinik auch gar nicht unbegrenzt operieren, weil sie auch dann ab bestimmten Fallzahlen mit deutlichen Abschlägen auf die Vergütung zu rechnen hätten. Genau darin aber liegt ein zusätzliches Problem: Qualität hat auch mit Quantität zu tun. Wer eine Operation häufiger macht, hat größere Erfahrung, bessere Routinen und wird bessere Ergebnisse erzielen. Hier besteht auch im Krankenhausstrukturgesetz ein Widerspruch.
Asklepios will wachsen und Krankenhäuser übernehmen
Wie ist die Entwicklung bei Asklepios in Hamburg?
Wandschneider: Asklepios ist wichtig für Hamburgs Gesundheitsversorgung, Wir sind der größte Krankenhausbetreiber, Arbeitgeber und Ausbilder der Stadt. Unsere Patientenzahlen wachsen jährlich, ebenso wie die Zahl unserer Mitarbeiter. Wir garantieren Spitzenmedizin und hervorragende Betreuung in unseren Häusern. Dafür haben wir jedes Jahr die Hälfte unseres Gewinnes investiert, und das wird auch weiterhin so sein. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das auf 500 Millionen Euro summiert. In Wandsbek sind wir mit dem Umbau weit. In Altona wird gebaut werden müssen, was angesichts des Denkmalschutzes und des laufenden Betriebs eine Herausforderung ist. Und in Harburg beginnt in Kürze der zweite Bauabschnitt unseres Neubaus.
Wie hoch ist die Umsatzrendite des Gesamtkonzerns, also der Anteil des Gewinns am Umsatz?
Wandschneider: Zuletzt lag die Umsatzrendite bei rund 5 Prozent, aber diese Zahl steht für uns nicht im Vordergrund. Es geht vielmehr darum, die notwendigen Mittel zu erwirtschaften, um erstens in die Weiterentwicklung unserer Häuser investieren zu können – zuletzt rund 170 Millionen Euro im Jahr. Zweitens thesaurieren wir Gewinne, um weiter wachsen zu können. Wachstum gehört zum Selbstverständnis von Asklepios.
Wie sieht dieses Wachstum aus?
Wandschneider: Wir wachsen organisch, also vor allem durch steigende Patientenzahlen in den bestehenden Häusern. Wir sind aber über unsere gesamte Firmenhistorie hinweg immer auch anorganisch gewachsen, also durch die Übernahme weiterer Kliniken. Und wir sind auch weiterhin bereit Krankenhäuser zu übernehmen. Wir sind finanziell voll handlungsfähig, auch weil wir uns am Kapitalmarkt Geld beschaffen können – obwohl Asklepios keine Aktiengesellschaft ist. Wir haben einen Privateigentümer, der den Konzern gegründet hat...
...Bernard große Broermann. Wollen Sie also Wettbewerber übernehmen, andere Krankenhäuser kaufen oder Ihren Anteil an den Rhön-Kliniken aufstocken?
Wandschneider: Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich zu solchen Fragen nicht konkret äußern kann. Als Familienunternehmen sind wir aber grundsätzlich langfristig orientiert und halten uns immer alle Gestaltungsmöglichkeiten offen.
Flüchtlinge mit Schussverletzungen werden behandelt
Wie gehen Sie mit dem allgegenwärtigen Thema Flüchtlinge um?
Wandschneider: Das war auch für uns eine gewaltige Herausforderung. Die Flüchtlinge waren plötzlich da, auch in unseren Häusern, es gab nicht ausreichend Dolmetscher, die Vergütung war unklar. Aber Hamburg hat sich im Vergleich zu anderen Bundesländern schnell dafür eingesetzt, dass die Behandlung über die Gesundheitskarte der AOK bezahlt wird. Anfangs waren vor allem die Notaufnahmen Anlaufstellen für Flüchtlinge mit akuten medizinischen Problemen. Das hat sich deutlich verbessert. Aber auch wir selbst sind sehr aktiv: Wir haben als erster Krankenhausbetreiber in Harburg auf dem Gelände Flüchtlinge aufgenommen. Wir können gerade durch den psychiatrischen Bereich einen großen Beitrag leisten, Traumatisierungen zu therapieren. Und: In Harburg gibt es eine plastische Chirurgie. Dort bieten wir seit kurzem wieder eine Sprechstunde für Patienten mit Schussverletzungen und mit Granatsplittern an – das gab es zuletzt nach dem Zweiten Weltkrieg.