Hamburg. Dramatische Schilderungen aus Hamburger Kliniken. Weil Pfleger und Ärzte fehlen, drohe ein Kollaps. Auch die Krankenkassen warnen.
Mit einer Lesung von Gefährdungsanzeigen und dramatischen Schilderungen von Szenen auf den Stationen macht die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di auf die Situation in Hamburger Krankenhäusern aufmerksam. Die Pflegerinnen und Pfleger sowie die Ärzte seien chronisch überfordert angesichts von Zeitmangel und Arbeitsbelastung. Das wirke sich auf die Patienten aus, deren Gesundheit im Krankenhaus noch stärker gefährdet sei.
Anlass für die ungewöhnliche Aktion ist für Ver.di die Anhörung einer Petition im Bundestag für mehr Personal in allen deutschen Krankenhäusern. Ver.di hatte für die Petition über 180.000 Unterschriften gesammelt (50.000 sind für eine Petition notwendig). In Hamburg fehlen nach Ver.di-Angaben 4000 Stellen in der Pflege. Die Bundesregierung hat ein neues Krankenhausgesetz auf den Weg gebracht, das mehr Geld für Pfleger zur Verfügung stellt. Nach Angaben der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft wird das allerdings nur wenig am Personalnotstand ändern.
Die Hygiene in Hamburger Krankenhäusern leidet
Im Einzelnen beklagen Pfleger in Hamburger Krankenhäusern, dass sie zum Teil Patienten abfangen, die flüchten wollen, unter ihnen sind auch Demente. Weil viele Notfälle hereinkommen, sei keine normale Pflege möglich. Alarme würden zu spät beantwortet, Patienten seien immer unzufriedener, denn es gebe keine normale Pflege. Die Hygiene lasse zu wünschen übrig. Es gab Berichte, dass infektiöse Patienten, die isoliert werden müssten, mit anderen zusammen in einem Zimmer lagen.
Eine Pflegerin sagte, sie werde mit 18 Patienten alleingelassen. „Eine Kollegin, die um 10 Uhr nach Hause gegangen ist, kommt um 16.30 Uhr wieder.“ Die Patienten würden nicht richtig auf die Operationen vorbereitet, dadurch steige die Dauer der OPs und die Narkosezeit.
Eine Ärztin wurde von Patienten angegriffen
Patienten, hieß es in den Berichten, würden aggressiv. In einem Haus sei eine Ärztin angegriffen worden, die selbst behandelt werden musste und natürlich fehlte. Zwei Patienten mussten mit Medikamenten „außer Gefecht“ gesetzt werden.
In einem Haus gebe es seit Jahresbeginn 4200 Verstöße gegen die Arbeitszeitbestimmungen bei den Pflegern, fast 1700 bei den Ärzten. Zum Teil seien diese mit Bußgeld geahndet worden.
Krankenkassen: Personalschlüssel offenlegen
Ver.di schlägt vor, schnell mehr Pfleger und Ärzte einzustellen. Nach Ver.di-Berechnungen fehlen bundesweit 162.000 Stellen, darunter 70.000 Pflegekräfte. Ver.di-Bundesvorstand Sylvia Bühler sagte: „Die Zustände in den Krankenhäusern sind beschämend und sie sind gefährlich. Die schlechten Arbeitsbedingungen machen die, die sich um Kranke kümmern, selbst krank“
Auch die Krankenkassen sind in Sorge. Die Hamburg-Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (Vdek), Kathrin Herbst, sagte: „Von 1991 bis 2013 sind die Krankenhausfälle in der Hansestadt um mehr als ein Drittel gestiegen, die Zahl der Ärzte sogar um mehr als zwei Drittel. Dass die Pflegekräfte im gleichen Zeitraum nur um magere vier Prozent zugelegt haben, belegt den kontinuierlichen Abbau beim nicht-medizinischen Personal.“ Die Qualität der Patientenversorgung sei geschwächt.
„Es kann daher nicht dem Gutdünken der Krankenhausleitungen überlassen bleiben, wo Pflegepersonal aufgebaut oder eingespart wird.“ Herbst forderte, die Personalschlüssel offenzulegen.