Paris/Hamburg. Das Unternehmen fertigt 635 Maschinen – aber weniger als Boeing. Der A320neo soll im Januar an Lufthansa gehen.
Die Worte ihres Verkaufschefs John Leahy dürften die 12.500 Airbus-Beschäftigten in Hamburg besonders gern vernommen haben. „Wir erobern die Welt im Sturm“, sagte der US-Amerikaner am Dienstag auf der Jahrespressekonferenz des europäischen Flugzeugbauers in Paris. Dabei bezog er sich auf die A320-Familie. Und die wird zur Hälfte auf Finkenwerder endmontiert. 2015 heimste Airbus Nettoaufträge für insgesamt 1036 Maschinen ein, allein 897 entfallen auf die A320-Reihe. Das sichert beim größten Arbeitgeber der Stadt die Beschäftigung.
Der Auftragsbestand umfasst nun fast eine Billion Dollar
Im Wettbewerb mit dem Erzrivalen Boeing wähnt sich Airbus auf der Siegerstraße. Die Europäer knackten bei den Bestellungen das dritte Jahr in Folge die 1000er-Marke und waren den US-Amerikanern damit um 268 Flugzeugnasen voraus. Insgesamt mussten aber beide Konzerne Rückgänge hinnehmen, bei Airbus fiel er mit 29 Prozent allerdings geringer aus als bei Boeing mit 46 Prozent. Die Kunden hielten sich wegen der unsicheren Entwicklung der Weltwirtschaft und der niedrigen Spritpreise zurück. „Die weltweite Nachfrage nach Airbus-Flugzeugen ist stabil geblieben“, sagte Airbus-Chef Fabrice Brégier. Weil die Fluggesellschaften nicht dauerhaft mit niedrigen Ölpreisen rechneten, sei auch der Bedarf an effizienteren Jets weiter gegeben.
Der Auftragsbestand stieg auf einen Wert von 996,3 Milliarden Dollar (919 Milliarden Euro) zu Listenpreisen und die Zahl der bestellten Jets auf 6787 Maschinen – eine branchenweite Höchstmarke. „Der Auftragsbestand ist in den Himmel geschossen“, sagte Leahy und kündigte eine Erhöhung der Preise im Schnitt um 1,1 Prozent an (siehe Tabelle). Das spiegele den „starken Appetit“ der Kunden rund um den Globus wider.
Für das Jahr 2015 zog Brégier ein positives Fazit: „Wir haben die meisten unserer Ziele erreicht.“ Schließlich wurden so viele Flugzeuge ausgeliefert wie nie zuvor in der Firmengeschichte. 635 Jets bedeuten die 13. Bestmarke in Folge und toppten den Rekord aus dem Vorjahr um sechs Exemplare – dennoch reichte es in der Kategorie im Branchenvergleich nur für Platz zwei. Boeing brachte 762 Jets an die Fluglinien und Leasingunternehmen.
Besonders schmerzlich war für Airbus, dass beim Absatz die Nummer 636 fehlte. Der Konzern hatte sich fest vorgenommen, noch im abgelaufenen Jahr das erste Exemplar des A320neo auszuliefern. Doch Erstkunde Qatar Airways verzichtete, weil er die Triebwerke von Pratt & Whitney wegen eines Kühlungsproblems monierte. Sie sind das Herzstück des Jets, der 15 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen soll. Die Lufthansa wollte einspringen. In die Hände bekam aber auch die größte deutsche Airline den Flieger nicht. Zwischen Weihnachten und Neujahr scheiterte die Auslieferung an der technischen Dokumentation, teilten beide Unternehmen mit. Brégier bekräftigte nun: „Der erste A320neo wird im Januar ausgeliefert, also in den kommenden zwei Wochen.“ Priorität sei, dass die Airline vom ersten Tag an ein voll funktionsfähiges Flugzeug in der Flotte habe. Für 2016 plant Airbus über alle Modelle hinweg 650 Auslieferungen.
Um die Lücke in dieser Kategorie zu Boeing zu schließen, fährt Airbus die Produktion hoch. Bei der momentanen Rate wäre die Herstellung für die nächsten zehn Jahre ausgelastet. Bei der A320-Familie sollen statt momentan 44 ab Mitte 2019 pro Monat 60 Jets fertiggestellt werden. Das Werk auf Finkenwerder erhält eine vierte Endmontagelinie, muss im Gegenzug aber auch Arbeit an den Hauptsitz Toulouse abgeben. Zu üppig plane man dabei nicht, sagte Leahy: „Wir bauen die Produktion aus, um mit dem Auftragsbestand mitzuhalten.“ Mehr als 5500 der bestellten Flieger gehören zu der Reihe, darunter sind fast 4500 Flieger der Neo-Variante. In der A320-Klasse steche man den Konkurrenten Boeing aus. Die Neo-Variante habe 2015 bei Neubestellungen einen Anteil von 67 Prozent gehabt, die Sprit sparende 737-MAX entsprechend nur 33 Prozent. Auch die Konkurrenz der neuen C-Series von Bombardier fürchtet er nicht. Das sei ein nettes Flugzeug, aber es werde schwer zu verkaufen sein, sagte Leahy.
Sorgenkind bleibt der A380, dessen Produktion gedrosselt wird
Beim neuen Großraumjet A350, der zu mehr als der Hälfte aus Kohlenfaser-Verbundwerkstoffen besteht, wurden im vergangenen Jahr 14 Exemplare an den Kunden gebracht. Eins mehr war geplant, die Auslieferung scheiterte aber an Lieferproblemen des Sitzherstellers Zodiac. In diesem Jahr sollen nun laut Brégier mindestens 50 Stück ausgeliefert werden. Das ist ein ehrgeiziger Hochlauf.
Sorgenkind bleibt das weltgrößte Passagierflugzeug, obwohl es zehn Jahre nach dem Erstflug erstmals die Gewinnschwelle erreichte. 27 Maschinen des A380 wurden 2015 ausgeliefert, künftig soll die Jahresproduktion von rund 30 auf eher 20 sinken. Zwar stehen noch Aufträge für 140 Jets in den Büchern, aber auch im vergangenen Jahr gab es wieder nur zwei Nettobestellungen. Vor einem Jahr hatte die Prognose von Leahy noch bei 25 neuen Jets gelegen. Auch wenn er das Flugzeug erneut in höchsten Tönen lobte, ein neues Verkaufsziel wollte er nicht ausgeben. Leahy: „Das könnte mich meinen Bonus kosten.“