Hamburg. Das Unternehmen stellt mit Hochfahren der A320- und A350-Produktion die Logistik um. Frachtjet Beluga wird zum Engpass.
Das Warnsignal ertönt, Lampen blinken, die riesigen Tore mit dem runden, leicht herzförmigen Loch in der Mitte bewegen sich langsam aufeinander zu und umschließen dank dieser Aussparung die 17 Meter hohe Beluga. Der vordere Teil des Frachtfliegers steht nun geschützt in der Halle von Airbus auf Finkenwerder.
„Früher konnten wir ab Windstärke acht die Ladeluke der Beluga nicht mehr öffnen“, sagt Friedrich-Wilhelm Preuss, der den Transport der Großteile bei dem Flugzeugbauer organisiert, dann ruhte die Arbeit. Dank der 2014 eingeweihten Halle wird nun selbst bei Sturm weiter beladen. Und das ist auch notwendig, um die innerbetriebliche Lieferkette aufrechtzuerhalten. Rund 2500 Sektionen wie Flügel, Cockpits und Rümpfe wurden im vergangenen Jahr mit der Beluga von und zu anderen Standorten des europäischen Flugzeugbauers geflogen. Künftig werden es durch Produktionsausweitungen mehr werden – auch auf dem Seeweg.
„Heute legen im Durchschnitt drei Schiffe im Monat mit A380-Sektionen hier ab. Ende 2017 sollen es voraussichtlich zwei pro Woche sein, dann mit Großbauteilen für alle Airbus-Typen“, sagt Preuss. Bisher werden beispielsweise Rümpfe für den Großraumjet A380 nach Toulouse verschifft und Teile für die in China endmontierten A320 von Finkenwerder nach Tollerort transportiert, wo sie auf ein Containerschiff kommen. Im französischen St. Nazaire verschwinden Cockpits für die A320-Familie derzeit noch im Bauch der Beluga. Künftig werden sie von einer Reederei in ein Frachtschiff geladen und über die Nordsee innerhalb von zweieinhalb Tagen nach Hamburg gebracht. Auf dem Rückweg sollen dann Rumpfvorderteile für die Langstreckenjets A330 und A350 in die französische Atlantikstadt und Rumpfhinterteile weiter bis ins Mittelmeer nach Toulouse verschifft werden. „Wir brauchen die Beluga-Kapazität, um die Produktion der A320-Familie und des A350 hochzufahren“, sagt der 60 Jahre alte Maschinenbauingenieur.
Airbus hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis Mitte 2019 sollen konzernweit statt derzeit 44 Kurz- und Mittelstreckenflieger der A320-Familie pro Monat sogar 60 Exemplare abgeliefert werden. Rund die Hälfte kommt aus dem Werk auf Finkenwerder, das dafür eine vierte Endmontagelinie bekommen wird. Auch beim neuen Langstreckenflieger A350, der zu 53 Prozent aus dem Zukunftsmaterial Kohlefaser-Verbundwerkstoffen besteht, wird die Produktionsrate nach und nach erhöht.
Die fünf Belugas (siehe Beistück) können das wachsende Transportvolumen nicht stemmen, obwohl sie immer länger im Einsatz sind. Statt 5000 Flugstunden wie 2011 sollen es im Jahr 2017 doppelt so viele sein. „Wir planen eine zweite Crew auf die Belugas zu setzen, um die Transportflugzeuge zweischichtig auszulasten“, sagt Preuss. 830 Frachtflieger fertigten seine insgesamt 80 Leute im vergangenen Jahr ab, 2016 sollen es 1000 werden. 90 Minuten Zeit hat die Bodencrew, um den 56 Meter langen Flieger zu entladen und wieder zu beladen. Auf Rampen werden die vorkonfektionierten Flugzeugelemente per Joysticksteuerung raus- und reingefahren.
Mitunter stößt aber selbst die mit einem Rumpfdurchmesser von 7,71 Metern riesige Beluga an ihre Grenzen. So passen die in Stade gebackenen Flügeloberschalen für den A350 zwar in den Bauch der Maschine – allerdings nur ein Exemplar. Von anderen Flügeltypen können zwei Stück pro Transport mitgenommen werden. Auch das treibt die Zahl der Flüge nach oben. Besserung ist erst im Juli 2019 in Sicht. Dann soll die neue Beluga XL zum Einsatz kommen. Sie schluckt auch zwei A350-Flügeloberschalen. Die Beluga XL basiert auf einem A330-Langstreckenflieger, das Hamburger Werk liefert für die Maschine den vorderen und hinteren Rumpf in einer Cabrioversion. Also nur die untere Hälfte, denn die obere ist eine Spezialanfertigung und verleiht dem Jet seine charakteristische Form, die an einen Buckelwal erinnert und ihm den Namen eingebracht hat.
Einen weiteren Schritt zu einer vereinfachten Logistik machte Airbus vor einigen Wochen: Das neue Südtor wurde eingeweiht. Was unspektakulär klingt, ist für den Flugbetrieb von großer Bedeutung. „Alle Großraumtransporte, die auf dem Straßenweg von Stade kommen, müssen nun nicht mehr über die Start-und-Lande-Bahn“, sagt Preuss. Entsprechend kann der Besenwagen zur Reinigung der Piste häufiger unbewegt stehen bleiben.
Auf dem Airbus-Betriebsflughafen gibt es pro Tag 27 Starts und Landungen
Das reduziert die Arbeit von Maik Gaal. Der 37-Jährige hat wohl den schönsten Arbeitsplatz bei Airbus. Der Fluglotse und Leiter Ausbildung sitzt im Tower des firmeneigenen Flughafens. Bei gutem Wetter hat er eine Sicht von rund 30 Kilometern. „Jeder, der etwas über die Piste transportieren will, muss sich beim Kontrollturm anmelden“, sagt Gaal. Weil die Start-undLande-Bahn zwischen Werksgelände und Umgehungsstraße liegt, sei das eine ganze Menge. Durchschnittlich geben er und seine Kollegen 27 Starts und Landungen pro Tag frei, auch für Test- und Auslieferungsflüge an Kunden. Maximal 35 sehe die Betriebsgenehmigung vor. Dem Startwunsch der Beluga-Crew steht er an diesem Tag allerdings lange machtlos gegenüber. Wegen einer Bombenentschärfung sind stundenlang alle Flugbewegungen untersagt – der Schiffsverkehr auf der Elbe läuft unterdessen weiter.