Hamburg. Flugzeughersteller will bei Fertigungsrate und Flughöhe Bestmarken aufstellen. Aktie legt 2015 kräftig zu und erreicht Spitzenwerte.

Noch gut zwei Tage verbleiben Airbus, um ein wichtiges Ziel des Jahres zu erreichen: Die Erstauslieferung des A320neo. Der europäische Flugzeugbauer will den mit sparsameren Triebwerken und nach oben gebogenen Flügelspitzen (Sharklets) ausgestatteten Kurz- und Mittelstreckenjet unbedingt noch 2015 an die Lufthansa übergeben. Es wäre der Schlussakkord auf ein Jahr, das für den größten Arbeitgeber in Hamburg viele Hochs und ein jähes Tief brachte.

Der Absturz des A400M

Das für den Konzern schlimmste Ereignis passierte im Mai. In der Nähe von Sevilla stürzte ein für die Türkei bestimmter Militärtransporter vom Typ A400M unmittelbar nach dem Start ab und zerschellte am Boden. Vier Menschen – alles Mitarbeiter von Airbus – starben, zwei wurden schwer verletzt. Softwareprobleme sollen dafür gesorgt haben, dass drei von vier Triebwerken „eingefroren“ sind. Nach kurzzeitigen Flugverboten durfte der A400M wieder starten. Rund ein Dutzend Turboprop-Transporter liefert Airbus dieses Jahr ab. Die Bundesluftwaffe bekam kurz vor Weihnachten ihren dritten Flieger, der die in die Jahre gekommene Transall ersetzen soll. Insgesamt bestellte die Bundeswehr 53 Flugzeuge im Wert von 7,1 Milliarden Euro.

Der zweimalige Produktionshochlauf

Die guten Nachrichten für den Standort Hamburg kamen scheibchenweise. Die größte Aufgabe für das Unternehmen sei der Ausbau der Fertigungskapazitäten, sagte Airbus-Group-Chef Tom Enders im Februar. Und so beschloss der Vorstand, die Monatsrate von damals 42 Flugzeugen der A320-Familie im Jahr 2017 auf 50 Maschinen zu erhöhen. Rund die Hälfte davon stammen aus dem Hamburger Werk, das das Kompetenzzentrum für den Kurz- und Mittelstreckenflieger ist. Ende Oktober wurde die Zielmarke deutlich aufgestockt. Bis Mitte 2019 soll die Rate auf 60 Flieger pro Monat steigen. Das wäre Weltrekord. Schritt für Schritt solle „die höchste Produktionsrate in der Geschichte der Zivilluftfahrt“ erreicht werden, sagte der für alle Flugzeugprogramme zuständige Airbus-Vizepräsident Didier Evrard. Umgerechnet soll dann pro Tag ein Flieger von Finkenwerder an die Fluglinien ausgeliefert werden. Um das zu erreichen, erhält das Werk eine vierte Endmontagelinie. Eine Aufstockung des Personals sei im nächsten Jahr nicht vorgesehen, heißt es von Airbus. Gesucht würden allenfalls Spezialisten für bestimmte Themenfelder. Mitarbeiter sollen aus Fertigungslinien von anderen Jettypen in die A320-Endmontage wechseln. Und bei der A320-Familie geht auch Arbeit verloren, weil die Kabinen für in Toulouse endmontierte Maschinen künftig dort und nicht mehr in Hamburg ausgestattet werden. Insgesamt meldete der einstige Jobmotor mit 12.500 Personen dem Abendblatt in seiner Umfrage sogar 200 Mitarbeiter weniger als vor einem Jahr. Das ergebe sich „aus den normalen Personalschwankungen in einem Großunternehmen“, teilte der Konzern mit, der südlich der Elbe auch noch 2000 Leiharbeiter beschäftigt.

Fortschreitende Internationalisierung

Es wird noch ein paar Wochen dauern, dann wird es das erste Airbus-Flugzeug „made in USA“ geben. Im Frühjahr soll der Billigflieger JetBlue in dem im September eröffneten Werk in Mobile/Alabama seine Maschine abholen. „Für einen internationalen Konzern wie Airbus ist es sinnvoll, in den Schlüsselmärkten vor Ort zu sein“, sagte Airbus-Chef Fabrice Brégier. Dazu gehören Europa, die USA und China. Anfang 2018 soll die Fertigungsrate auf vier Jets pro Monat steigen und dann genau so hoch sein wie derzeit in Tianjin. Im Reich der Mitte werden seit 2008 A320-Jets endmontiert, die Teile für beide Standorte kommen aus Hamburg und werden hier verschifft. Künftig sollen in Tianjin auch Langstreckenflieger vom Typ A330 lackiert werden und ihre Kabinenausstattung bekommen, wurde im Sommer verkündet. Der Konzern erwartet, dass durch jeden in Mobile und Tianjin zusammengeschraubten Flieger vier Jobs in der Hansestadt gesichert werden. Ob diese Größenordnung stimmt, bezweifelt der Betriebsrat. Eine Gefahr für die Stellen in Deutschland sieht er aber nicht.

Remis mit dem Rivalen BoeingIm Wettlauf auf dem Weltmarkt für Passagierflugzeuge sieht es nach einem Unentschieden aus. Bis Ende November erhielten die Europäer 1007 Nettobestellungen, Boeing meldete 568. Bei den Auslieferungen lag hingegen der US-Rivale mit 709 zu 556 Maschinen in den ersten elf Monaten vorn.

Aktie im Höhenflug

Für Aktionäre war 2015 ein ausgesprochen gutes Jahr. Der Kurs der Airbus-Group-Titel legten auf Jahressicht um rund 50 Prozent auf gut 60 Euro zu. Ende November markierte die Aktie bei 68,50 Euro sogar ein Allzeithoch. Die meisten Banken sind für die Papiere weiterhin zuversichtlich und stufen sie als Kauf ein. So hob die Deutsche Bank das Kursziel von 77 auf 88 Euro an und zählt Airbus zu den Topwerten im Luftfahrt- und Rüstungssektor.

Der Ausblick

Im kommenden Jahr will Airbus in neue Höhen vorstoßen. Das Segelflugzeug Perlan 2 soll im Sommer über Argentinien bis zum Rand des Weltraums aufsteigen, eine Höhe von 27.400 Metern erreichen und damit höher fliegen als jemals ein Flugzeug zuvor. Die Zwei-Mann-Crew wird über ein Kreislauftauchgerät mit reinem Sauerstoff versorgt. Das Ziel der Mission ist neben Erkenntnissen für Höhenflug und Weltraumforschung auch das Sammeln von Daten über den Klimawandel. Für den Konzern aus wirtschaftlicher Sicht relevant ist aber der erfolgreiche Hochlauf der Serienfertigung bei gleich mehreren Flugzeugen: dem Militärtransporter A400M. Dem weitgehend aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen bestehenden A350, der im Finnair-Design im Herbst das erste Mal auf dem Flughafen in Fuhlsbüttel gelandet ist. Und natürlich der für Hamburg so wichtigen A320-Familie – deren Neo-Version noch gut zwei Tage Zeit hat, um ein Airbus-Ziel des Jahres 2015 zu erfüllen.