Hamburg. Matthias Cantauw leitet die Küche im neuen Heritage Restaurant ganz oben im Hotel Le Méridien – mit spektakulärem Blick.

Da blickt er uns an, der Superheld. Nur irgendwas an Batman scheint nicht zu stimmen. Er hat zwar keine Falten, wirkt aber irgendwie so alt. „Das liegt an dem hanseatischen Duttenkragen, den er trägt“, sagt Matthias Cantauw, Küchenchef des Restaurants Heritage. Der 36-Jährige führt durch sein neues Reich, an dessen Eingang Batman und Robin hängen, nur nicht so wie wir sie aus Comics oder Blockbustern kennen, sondern so, wie sie ein flämischer Maler dargestellt hätte. Ikonen der Moderne inszeniert im Stil des 17. Jahrhunderts.

Die Fotokunst stammt von Sacha Goldberger, einem französischen Künstler, der für die Auftraggeber außerdem Hulk, Joker und Alice im Wunderland in Szene gesetzt hat. Die Verbindung von Gestern und Heute gefiel Cantauw sofort, weil sie so gut ins Konzept passt. Schließlich galt es, aus dem alten Restaurant ganz oben im Hotel Le Méridien etwas komplett Neues zu machen. Die Voraussetzungen sind nicht schlecht: Riesige Panoramafenster erlauben eine spektakuläre Aussicht auf die Alster. „An diesem Blick kann ich mich nicht sattsehen“, sagt Cantauw. „Diese Wasserfläche hat etwas Beruhigendes, und nach dem Umbau kann man auch abends die Lichter von Harvestehude wunderbar erkennen.“

Vorher spiegelte es sehr, jetzt reduzieren eine punktgenaue Beleuchtung und die matten Oberflächen die Reflexion auf ein Minimum. Außerdem waren die Farben im Le Ciel – so der Name des vorherigen Restaurants – kalt; im Heritage soll es wärmer zugehen. Aber muss man deshalb gleich drei Käfige über die Bar hängen? Sieht aus, als würden Tabledancerinnen gleich zur Schicht erscheinen. „Nein“, lacht Cantauw. „Da komme ich rein.“ Als 3-D-Figur. Im Ernst. In die Käfige neben ihm die Barchefin und der Restaurantchef. Alle drei zwar nicht in Lebensgröße, aber immerhin 55 Zentimeter hoch.

Das sei doch lustig, dass die drei Personen, die den Laden wuppen, für alle Gäste im Miniaturformat zu sehen seien. Allein so eine Figur der Firma 3D Generation GmbH kostet 1800 Euro, der ganze Umbau hat zwei Millionen Euro verschlungen. Drei Monate dauerte die Renovierung, die Suche nach dem neuen Namen des Restaurants fast genauso lange. Mehr als 200 Ideen wurden in den Hut geworfen, schließlich kam ein Mitarbeiter des Le Méridian mit dem Gewinner-Vorschlag um die Ecke. „Heritage“ bedeutet Erbe, und so nimmt Cantauws Team das Erbe der traditionellen, renommierten französischen Küche auf, um es mit asiatischen Einflüssen aufzupeppen. Austern kann man mit Zitrone und Schnittlauchbrot essen oder eben mit Limette und Chili servieren, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Kunst im Raum soll sich auf dem Teller widerspiegeln. „Die französische und asiatische Küche ergänzen sich perfekt“, sagt Cantauw, der acht Jahre lang in Asien arbeitete.

Seine erste Station dort war Myanmar, dabei wollte er nach der Restaurantfachschule eigentlich nach Tansania. Mit 23 Jahren galt er damals allerdings noch zu jung, um ein Restaurant in Afrika zu leiten. Da entdeckte er eine Anzeige einer Hamburger Reederei, die Personal für ihre Hotelküche in Myanmar brauchte. Cantauw bekam den Job, aber als er gerade mal drei Wochen vor Ort war, schloss das Restaurant erst mal. „Da wurde deutsche Küche serviert. Haxen mit Knödel bei tropischer Hitze, wer will den so was essen?“, fragt Cantauw und dachte sich ein neues Brasserie-Konzept aus, das besser lief.

Myanmar war eine gute Schule für den Deutschen. Das Land litt zu der Zeit noch unter der Militärdiktatur, alles war rudimentär, die Zutaten, die Möglichkeiten, also nutzte Cantauw seine Kreativität. Anschließend bekam er einen Job in Thailand, wieder eine Gegend mit dem schönsten Wetter der Welt, aber der Deutsche sieht das ganz anders: „Ich finde das Hamburger Wetter viel besser.“ Zuletzt war er sogar bei Minus sieben Grad joggen, immer von seiner Wohnung in Eidelstedt bis zur Außenalster, einmal rum und zurück. Wenn er noch eine Schleife einbaut sind das 20 Kilometer täglich.

Das Kochhemd sitzt aufgrund des disziplinierten Trainings ziemlich locker. Fast 30 Kilo hat er in den letzten drei Jahren abgenommen. Dabei ist sein Lieblingsgericht Penne Carbonara, und wenn er von den mehr als 20 verschiedenen Käsespezialitäten im „Heri­tage“ spricht, dann schmilzt der 36-Jährige wie Mozzarella auf einer Pizza. So ein profaner Käse käme natürlich nicht auf die „Heritage“-Karte, es muss schon Blauschimmelkäse in Port oder in Champagner gewaschener sieben Jahre alter Gouda sein. „Inzwischen gibt es so viele exzellente Hobbyküchen, als Restaurant sollte man in der Lage sein, sich davon abzuheben und außergewöhnliche Dinge anzubieten“, sagt Cantauw. In der Küche steht sein absoluter Schatz. Gerade erst angekommen, nur sechs Stück davon gibt es in Hamburg. „Mein neuer Ofen“, sagt Cantauw und strahlt.

Der hier präsentierte 800-Grad-Southbend-Ofen scheint für Köche so etwas zu sein wie ein Thermomix für die normale Hausfrau. Das Ding ist durch seine hohe Temperatur in der Lage, den Zuckeranteil im Fleisch zu karamellisieren. Kommt dann noch das Dry Age Beef ins Spiel, will man nie wieder etwas anderes essen. Cantauw schaut auf die Uhr, fast 18 Uhr, gleich kommt er wieder, sein Lieblingsmoment: „Wenn das Restaurant öffnet und ich gucke, ob alle Messer gewetzt sind, das ist das Schönste.“