Hamburg. Für drei Millionen Euro wird die „Bleichen“ derzeit grundsaniert – mit einer Technik, die schon in den 50er-Jahren als altmodisch galt.

Vielleicht hört man hier mal eine Flex kreischen oder ein metallisches Scheppern, wenn von einem Kran Stahlplatten abgelegt werden. Doch das extrem laute Hämmern, das derzeit von der Norderwerft am Reiherstieg dröhnt, klingt heute ungewohnt im allgemeinen Hafensound. Dort wird zurzeit der Hamburger Museumsfrachter „Bleichen“ grundsaniert. Mit Verfahren und Werkzeugen, wie sie in den Hamburger Werften wohl zuletzt in den 50er-Jahren zum Einsatz gekommen sind. Teilweise stammen sie sogar aus dem Museum, wie es bei der Stiftung Hamburg Maritim heißt, zu deren Flotte das 1958 gebaute Schiff gehört.

Mit Bundesmitteln in Höhe von drei Millionen Euro soll die „Bleichen“ in den nächsten Wochen wieder so hergerichtet werden, dass sie mit offizieller Genehmigung auch auf Fahrt gehen kann. Als schwimmendes Denkmal, das die Hamburger Schifffahrt der unmittelbaren Nachkriegszeit dokumentiert. Im September wurde die „Bleichen“ daher zur Werft geschleppt, jetzt steht dort die Sanierung des Rumpfes an, der stellenweise von innen arg angerostet war. Normalerweise würde man heute an solchen Stellen schweißen. Doch bei der „Bleichen“ hatte man seinerzeit teilweise noch die Platten mit Nieten verbunden. Und gerade im sichtbaren Bereich seien die Nietnähte optisch sehr präsent, schreibt die Stiftung jetzt in einem Zwischenbericht zur Sanierung. Eine Schweißnaht hätte da das historische Erscheinungsbild „deutlich beeinträchtigt“. Also engagierte man alte erfahrene Schiffbauer, die heute ehrenamtlich im Hafenmuseum arbeiten. Vormann der Nieter-Truppe ist Jonny Lührs, ein 64 Jahre alter Maschinenbau-Ingenieur, der sich auf die Instandsetzung historischer Technik spezialisiert hat. Wozu das Nieten zweifellos gehört. Schon in den 50er-Jahren befand sich die Schweißtechnik zwar auf dem Vormarsch, schreibt die Stiftung, die in Hamburg eine Reihe von historischen Schiffen betreut. Doch damals hätten manche Reeder noch Vorbehalte gegen die neue Technik gehabt. Bestimmte Teile wurden daher weiter genietet – auch weil man dachte, der Rumpf wäre dann im schweren Seegang elastischer.

Parade der Traditionsschiffe

Die „Schaarhörn“ wurde 1908 als Vermessungs- und Repräsentationsschiff gebaut
Die „Schaarhörn“ wurde 1908 als Vermessungs- und Repräsentationsschiff gebaut © Michael Schwartz | Michael Schwartz
Das Polizeiboot „Ottenstreuer“ war in den 50er-Jahren im Einsatz und konnte auch bei Eisgang fahren
Das Polizeiboot „Ottenstreuer“ war in den 50er-Jahren im Einsatz und konnte auch bei Eisgang fahren © B.Nicolaisen | B.Nicolaisen
Das Feuerlöschboot „Feuerwehr IV“ wurde 1930 gebaut und 1980 erst außer Dienst gestellt
Das Feuerlöschboot „Feuerwehr IV“ wurde 1930 gebaut und 1980 erst außer Dienst gestellt © B.Nicolaisen | B.Nicolaisen
Der 1907 gebaute Besan-Ewer „Moewe“ trägt zwei Masten, der hintere ist der Besan-Mast
Der 1907 gebaute Besan-Ewer „Moewe“ trägt zwei Masten, der hintere ist der Besan-Mast © Till F. Braun | Till F. Braun
Die „Johanna v. Oevelgönne“ wurde 1910 gebaut und in Holland als wendiges „Milchboot“ betrieben
Die „Johanna v. Oevelgönne“ wurde 1910 gebaut und in Holland als wendiges „Milchboot“ betrieben © Peter Schmidtke | Peter Schmidtke
Der Segler „Anthea“ ist ein sehr seegängiges Lotsenboot: ein Bootstyp, der in Norwegen entwickelt wurde
Der Segler „Anthea“ ist ein sehr seegängiges Lotsenboot: ein Bootstyp, der in Norwegen entwickelt wurde © Ristow | Ristow
Die „Süderelbe“ ist ein 1937 gebautes Inspektionsschiff, schlank aber gut für die Niederelbe geeignet
Die „Süderelbe“ ist ein 1937 gebautes Inspektionsschiff, schlank aber gut für die Niederelbe geeignet © © michael schwartz photographie | © schwartz photographie
Das Feuerlöschboot „Repsold“ fuhr bis 1984 für die Feuerwehr, neu ist der hintere Aufbau
Das Feuerlöschboot „Repsold“ fuhr bis 1984 für die Feuerwehr, neu ist der hintere Aufbau © Michael Kummer | Michael Kummer
Der 1883 gebaute, äußerst seetüchtige Lotsenschoner „Elbe No 5“ wurde in der Elbmündung eingesetzt
Der 1883 gebaute, äußerst seetüchtige Lotsenschoner „Elbe No 5“ wurde in der Elbmündung eingesetzt © Michael Schwartz | Michael Schwartz
Das Rettungsboot des Museumsfrachters „Cap San Diego“ nimmt als Stellvertreter seines Mutterschiffs teil
Das Rettungsboot des Museumsfrachters „Cap San Diego“ nimmt als Stellvertreter seines Mutterschiffs teil © Jens Weber | Jens Weber
„Präsident Freiherr von Maltzahn“, ein 1928 gebauter Finkenwerder Fischkutter
„Präsident Freiherr von Maltzahn“, ein 1928 gebauter Finkenwerder Fischkutter © Till F. Braun | Till F. Braun
Die „Hoop op Welvaart“ ist eine niederländische Tjalk und damit vergleichbar mit deutschen Ewern
Die „Hoop op Welvaart“ ist eine niederländische Tjalk und damit vergleichbar mit deutschen Ewern © Till F. Braun | Till F. Braun
Die „Karl“ fuhr als Inspektionsschiff des Hamburger Hafenkapitäns noch vor wenigen Jahren auf der Elbe
Die „Karl“ fuhr als Inspektionsschiff des Hamburger Hafenkapitäns noch vor wenigen Jahren auf der Elbe © Andreas Wenzel | Andreas Wenzel
Die Barkasse „Joh. H. Wiechern“ fährt heute als Seelsorger-Schiff der Flussschifferkirche im Hafen
Die Barkasse „Joh. H. Wiechern“ fährt heute als Seelsorger-Schiff der Flussschifferkirche im Hafen © M.Jahnke | M.Jahnke
Die Dampf-Pinasse „Mathilda“, Pinassen waren größere Beiboote, beispielsweise von Kriegsschiffen
Die Dampf-Pinasse „Mathilda“, Pinassen waren größere Beiboote, beispielsweise von Kriegsschiffen © B.Nicolaisen | B.Nicolaisen
Früher fuhr das Schiff für die Hadag als Fähre im Hafen, heute ist die „Großer Michel“ ein Eventschiff
Früher fuhr das Schiff für die Hadag als Fähre im Hafen, heute ist die „Großer Michel“ ein Eventschiff © © michael schwartz photographie | © schwartz photographie
Die 1957 gebaute „Marxen“ war für die Hamburger Hafenlotsen als Versetzboot auf der Elbe unterwegs
Die 1957 gebaute „Marxen“ war für die Hamburger Hafenlotsen als Versetzboot auf der Elbe unterwegs © Heino Schlichting | Heino Schlichting
Die in den 1940er-Jahren gebaute „Jonne“ ist eine typische Werft-Barkasse ihrer Zeit
Die in den 1940er-Jahren gebaute „Jonne“ ist eine typische Werft-Barkasse ihrer Zeit © B.Nicolaisen | B.Nicolaisen
Der Dampfeisbrecher „Elbe“ wurde 1911 an der Havel gebaut und war auf der Oberelbe im Einsatz
Der Dampfeisbrecher „Elbe“ wurde 1911 an der Havel gebaut und war auf der Oberelbe im Einsatz © Jan Hennings | Jan Hennings
Das Feuerschiff „Elbe 3“ ist das größte Schiff der Parade und liegt sonst als Wahrzeichen in Oevelgönne
Das Feuerschiff „Elbe 3“ ist das größte Schiff der Parade und liegt sonst als Wahrzeichen in Oevelgönne © Jan Hennings | Jan Hennings
Die „Friedrich“ ist ein typisches, offenes Arbeitsboot der Hamburger Festmacher aus den 60er-Jahren
Die „Friedrich“ ist ein typisches, offenes Arbeitsboot der Hamburger Festmacher aus den 60er-Jahren © Jan Hennings | Jan Hennings
Die „Landrath Küster“ wurde 1889 in Cranz gebaut und fuhr 80 Jahre lang zum Fischfang auf die Nordsee
Die „Landrath Küster“ wurde 1889 in Cranz gebaut und fuhr 80 Jahre lang zum Fischfang auf die Nordsee © © michael schwartz photographie | © schwartz photographie
Der Dampfschlepper „Tiger“ wurde 1910 gebaut und war bis 1978 im
Der Dampfschlepper „Tiger“ wurde 1910 gebaut und war bis 1978 im © Michael Schwartz | Michael Schwartz
Die „Frieda“ ist ein typischer Frachtensegler aus Finkenwerder, der jetzt sogar als Denkmal eingetragen ist
Die „Frieda“ ist ein typischer Frachtensegler aus Finkenwerder, der jetzt sogar als Denkmal eingetragen ist © Jan Hennings | Jan Hennings
Der Holz-Fischerewer „Catarina“ führt die Parade an. Er wurde 1889 am Köhlbrand für einen Elbfischer gebaut
Der Holz-Fischerewer „Catarina“ führt die Parade an. Er wurde 1889 am Köhlbrand für einen Elbfischer gebaut © Michael Kummer | Michael Kummer
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Heute wie damals sind vier Mann notwendig, um eine einzelne Niet zu setzen: Der „Nietenkocher“ sorgt für das Erhitzen der Niete in einer Esse im Schiffsinneren. Sobald das Metall rot aufglüht, greift ein weiterer mit einer speziellen Zange zu und steckt es durch das vorbereitete Loch. Augenblicklich setzt der dritte Mann, der „Gegenhalter“, ein 20-Kilo-Gegengewicht auf den Nietkopf – und von Außen setzt der vierte der Truppe seinen Pressluft-Niethammer an. Wegen des Lärms kann sich die Truppe durch die geschlossene Bordwand nur per Klopfzeichen verständigen. „Schaut man heute beim Nieten zu, dann verwundert nicht nur, wie elend laut so ein Presslufthammer ist, sondern auch wie flott es geht“, beschreibt die Stiftung in ihrem Bericht den Vorgang. 500 Nieten müssen so bei der „Bleichen“ gesetzt werden. Wobei es wohl gar nicht so einfach war, solche alten, 22 mal 44 Millimeter großen Befestigungsmetalle zu bekommen. Erst nach langer Recherche konnte die Stiftung bei einer Werft in Südnorwegen Restbestände kaufen.

Gebaut wurde die „Bleichen“ 1958 bei der Nobiskrug-Werft in Rendsburg. Sie fuhr zunächst für die damalige Hamburger Reederei H.M. Gehrckens und transportierte vor allem Holz aus Finnland für die Hamburger Verlagshäuser. Später wurde das Schiff verkauft und fuhr zuletzt als „Old Lady“ für eine türkische Reederei. 2007 wurde es von der Stiftung gekauft und wird seitdem Stück für Stück saniert.