Kleiner Grasbrook. Der 1958 gebaute Holz-Frachter wird in der Norderwerft grundsaniert. Kommendes Jahr soll er wieder seetüchtig sein.
Darauf hat mancher an Bord gut acht Jahre gewartet: So lange liegt der alte HolzFrachter schon fest an der Pier des Hamburger Hafenmuseums an den historischen 50er Schuppen. Am gestrigen Dienstag, früh um sieben Uhr, sollten die Festmacherleinen nach dieser langen Pause endlich wieder fallen, die 1958 gebaute „Bleichen“ wieder einmal ablegen. Doch zunächst klemmte die Gangway, die all die Jahre fest installiert war und sich nun nicht mehr aus der Halterung an Deck lösen ließ. Dann schließlich entschied man sich bei der Stiftung Hamburg Maritim, der Eigentümerin der „Bleichen“, das Stahlgerüst einfach an Bord zu lassen. Denn weit war diese Fahrt nicht: Der betagte Dampfer wurde von zwei kleinen Schleppern quasi um die Ecke zur Norderwerft geschleppt, wo er in den kommenden Wochen grundsaniert wird.
Drei Millionen Euro hatte die Bundesregierung dafür kürzlich bewilligt – wodurch das auf viele Jahre angelegte Sanierungskonzept einen großen Schub bekommen hat. „Im nächsten Jahr ist sie wieder seetüchtig“, sagt Carsten Höpfner, 74, Vorstandsmitglied des „Bleichen“-Freundeskreises, der gut 180 Mitglieder zählt. Einige davon sind in den 50er- und 60er-Jahren auf dem Schiff der früheren Hamburger Reederei H. M. Gehrckens selbst gefahren. Und auch Höpfner, der eigentlich Bauingenieur ist, hat eine besondere Beziehung zu der „Bleichen“, die am Hafenmuseum heute die Epoche der Stückgutfrachter aus der Zeit vor den Containerschiffen repräsentiert. Sein Vater war Mitinhaber der später verkauften Reederei, er selbst ist viele Male als Student auf der „Bleichen“ mitgefahren, die damals vor allem Holz aus Finnland für die Hamburger Zeitungsdruckereien transportierte. Zu ihrer Zeit galt die „Bleichen“ als sehr modernes Schiff und war einer der ersten Neubauten nach dem Krieg. Schwesterschiffe hießen „Baumwall“, „Burstah“ und „Borgesch“ – alles Straßen in der Innenstadt. Sie waren deutlich schneller als die alten Schiffe und robust gebaut. Die „Bleichen“ konnte beispielsweise aus eigener Kraft bis zu 40 Zentimeter dickes Eis in der Ostsee brechen.
Längst sind solche Frachter mit eigenen Ladenbäumen aus dem Hafenbild verschwunden, das heute von Containern bestimmt wird. Aber durch ungewöhnliche Umstände blieb die „Bleichen“ erhalten. Unter dem Namen „Old Lady“ fuhr sie später für einen türkischen Reeder im Schwarzen Meer, der offensichtlich viel Sinn für alte Technik hatte. „Die war supergepflegt und zu großen Teilen in Originalzustand“, sagt Carsten Höpfner. Die Hamburger Stiftung erfuhr 2007 schließlich von Verkaufsplänen der Türken. Das Schiff erschien ideal, um in Hamburg die damalige Hafenszenerie abzubilden. Im Abendblatt las Carsten Höpfner von den Übernahmeplänen, spendete Geld und gewann weitere Sponsoren, sodass man das Schiff nach Hamburg holen konnte.
Die Inneneinrichtung ist inzwischen ausgebaut und wird zwischengelagert, den Mittelaufbau mit Brücke und Offizierskammern hat die ehrenamtliche Crew weitgehend selbst restauriert. Gut 40 Mann arbeiten dazu jeden Mittwoch auf dem Frachter, der längst ein viel besuchtes Museums- und Eventschiff geworden ist.
In der Norderwerft wird nun das hintere Deckhaus komplett abgesägt und separat in einer Halle aufgearbeitet. Durchgerostete Ecken an Deck und Rumpf sollen später im Dock saniert werden. Alles Arbeiten, die so am Kai des Hafenmuseum kaum zu leisten gewesen wären.
Allerdings konnte die ehrenamtliche „Bleichen“-Crew die 1800 PS starke Deutz-Maschine wieder in einen Topzustand bringen, wie Höpfner sagt. Nach der großen Überholungskur in der Norderwerft dürfte dem großen Ziel bald nichts mehr im Wege stehen: Die „Bleichen“ soll wieder ihre „Klasse“ erhalten, eine Art Schiffs-TÜV, damit sie wieder offiziell fahren kann. Mit Chartergästen soll es dann nach Cuxhaven, zum Nordostseekanal oder nach Kiel gehen, um so die laufenden Kosten zu finanzieren. „Das ist unsere große Motivation“, sagt Carsten Höpfner. Und wie sich das anfühlt, wenn sich die „Bleichen“ bewegt, wenn sie an HafenCity und Landungsbrücken vorbeizieht – das konnte die Crew am Dienstag schon einmal erleben. Wenn auch nur für eine halbe Stunde.