Hamburg. Weder Videoüberwachung noch mehr Polizei hätten laut Experten die Übergriffe auf St. Pauli verhindern können.

Innensenator Michael Neumann (SPD) hat die Entscheidung der Polizei von 2011 verteidigt, auf die vom Oberverwaltungsgericht nur unter strengen Auflagen erlaubte Videoüberwachung auf St. Pauli ganz zu verzichten. „Der damalige Polizeipräsident Werner Jantosch hat mir gesagt, dass wir uns die Überwachung unter den strengen Auflagen sparen können, weil sie nichts mehr bringt“, sagte Neumann dem Abendblatt am Wochenende. Er, Neumann, habe der Einschätzung der Polizei nicht widersprochen. Die zwölf auf dem Kiez installierten Kameras dürften nicht geschwenkt und gezoomt werden. Ebenfalls nicht erlaubt sei es, in Hauseingänge zu blicken. „Speicherungen von Dauerüberwachungen sind außerdem gesetzlich verboten, sodass eine Nutzung zur Strafverfolgung nicht möglich ist“, so der Senator.

CDU-Innenexperte Dennis Gladiator hatte Neumann vorgeworfen, die damalige Entscheidung gegen die visuelle Überwachung habe dazu geführt, „dass die Ermittlung der schamlosen Täter in der Silvesternacht ohne Videoaufnahmen deutlich erschwert wird, eine Abschreckung der Täter nicht stattfinden konnte“. Neumann wies darauf hin, dass auf der Großen Freiheit, wo es zu den meisten sexuellen Übergriffen gekommen war, ohnehin keine Videokameras installiert seien. Gleichwohl hatte Neumann als Konsequenz aus den Ereignissen der Silvesternacht angekündigt, die Videoüberwachung auf St. Pauli wieder zu verschärfen, unter anderem mit mobilen Kameras.

Der Innensenator wies auch den Vorwurf zurück, in der Silvesternacht hätten mehr Polizeibeamte eingesetzt werden müssen. „Die eingesetzten Beamten haben mir gesagt, der Einsatz von mehr Kräften hätte auch nicht geholfen, weil es zu voll war. Wer mehr Personal für erforderlich hält, müsste mit diesen Übergriffen gerechnet haben“, sagte Neumann. Wenn sich CDU und Polizeigewerkschafter jetzt „auf Türsteher als Kronzeugen berufen, ist das eine schnittige Datenbasis“.

Nach Ansicht von Neumann ist das Ausmaß der Übergriffe zu keinem Zeitpunkt von der Polizei heruntergespielt worden. In der ersten Pressemitteilung der Polizei hatte es noch geheißen, „Tausende feiern friedlich den Jahreswechsel“, obwohl in einer internen Meldung der Davidwache an das Polizeipräsidium von „diversen Anzeigenerstattungen ... bezüglich sexueller Belästigungen ... im Bereich Große Freiheit“ die Rede gewesen war. Dazu Neumann: „Eine Nachfrage an der Wache hatte ergeben, dass es sich um vier bis sechs Anzeigen handelte, was für St. Pauli nicht ungewöhnlich ist, so schlimm das auch ist.“

Der SPD-Politiker ist besorgt wegen der Zunahme extremer Reaktionen. „Wir müssen wieder die innere Mitte suchen und finden, damit uns die Gesellschaft nicht um die Ohren fliegt. Der Sport als größte Bürgerbewegung der Stadt kann hier einen riesigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten“, sagte Neumann beim Neujahrsempfang des SV Eidelstedt. Je erfolgreicher der Sport bei der Integration nicht nur von Flüchtlingen sei, desto weniger habe er als Innensenator zu tun.