Hamburg . Andreas Breitner, Direktor des Verbands der Norddeutschen Wohnungsunternehmen, kritisiert schleppende Bearbeitung von Neubauprojekten.

Mal fordert ein Bezirk gleich 17 Gutachten für einen Neubau, dann streiten Kommunalpolitiker über eine Fassade oder verlangen auch für ein relativ kleines Bauvorhaben einen langwierigen Architektenwettbewerb: Rund 1100 neue Wohnungen in Hamburg können nach Recherchen des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) derzeit nicht gebaut werden, weil die Projekte in den Bezirken blockiert werden. „Da steckt viel zu viel fest, wir kommen hier einfach nicht voran“, sagte Verbandsdirektor An­dreas Breitner im Gespräch mit dem Abendblatt. „Schon merkwürdig in einer Stadt, die unbedingt bezahlbaren Wohnraum schaffen will.“

Doch bei Gesprächen mit seinen Mitgliedsunternehmen stieß der Verband auf teils „krasse Fälle“ (Breitner), in denen es die städtische Verwaltung in den Bezirken selbst ist, die auf die Bremse tritt. Bei einer generellen Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen stellte sich dann heraus, dass insgesamt rund 1100 Wohnungen auf Eis liegen, weil es in den Bezirken zu teils abstrusen Verzögerungen um etliche Monate, teils sogar Jahre kommt.

Bei der Modernisierung des „Richardtblocks“ in Altona etwa geht es um die Sanierung von 400 Wohnungen sowie um die Erweiterung und den Neubau von mehr als 100 weiteren durch eine Genossenschaft. Hier blockiere vor allem der Denkmalschutz den Bau, obwohl eine Sanierung der in ihrer Standsicherheit gefährdeten Fassade geplant sei. Seit einem Jahr kommt das Projekt nicht voran, beklagt der Verband.

In einigen Fällen gibt es Konflikte mit dem Denkmalschutz

Eineinhalb Jahre lang geschieht auch bei einem Neubauprojekt in Wandsbek nichts: Erst forderte die Politik eine Reduzierung der Geschosszahl, dann wird ein zusätzliches Verkehrsgutachten gefordert, und schließlich lässt man die Planer weiterwarten, weil es „Kapazitätsengpässe“ gebe.

Heftigen Streit gibt es zudem um einen geplanten Neubau an der Josephstraße im Bezirk Wandsbek. Die Wohnungsgenossenschaft „Hamburg-Wandsbek von 1897“ will dort an der Stelle von alten, in die Jahre gekommenen Gebäuden 66 Wohnungen errichten. 33 davon sollen Sozialwohnungen sein – also mehr als der Senat eigentlich bei Neubauprojekten verlangt.

Alle Mieter der bisherigen rund 30 Wohnungen seien bereit gewesen, vorübergehend ihre Wohnungen zu verlassen, sagt Vorstandsmitglied Detlef Siggelkow. Es habe keinen einzigen Einspruch gegeben. Diese Menschen leben jetzt in Übergangswohnungen und müssen miterleben, wie sich das Projekt Monat um Monat hinzieht. Das sei kaum akzeptabel.

Hintergrund der Verzögerung ist der Streit um den Erhalt der letzten Terrassenhäuser im Hamburger Bezirk Wandsbek mit insgesamt 24 sogenannten Kleinwohnungen. Die Genossenschaft möchte die veralteten Gebäude abreißen und hat sich durch einen Dennkmalschutzexperten bescheinigen lassen, wonach die Gebäude nicht wertvoll genug sind. Grundriss und Bausubstanz seien so schlecht, dass Gebäude nicht erhalten werden könnten.

Verband kritisiert Klimaschutzauflagen, die das Bauen verteuern würden

Das rot-grüne Bündnis im Bezirk sieht das anders und fordert den Erhalt der Gebäude, obwohl dann neue Sozialwohnungen nicht angeboten werden könnten. Um Abriss und Neubau zu verhindern, wollen Sozialdemokraten und Grüne jetzt das Instrument der Erhaltungsverordnung nutzen. Ein entsprechendes Verfahren wurde bereits gestartet.

Als Folge hat sich der Baustart verzögert. „Wir hätten mit dem Bau längst beginnen und die ersten Mieter hätten im Sommer dieses Jahres in die neuen Wohnungen einziehen können“, sagt Siggelkow. Nun könne frühestens im Jahr 2018 mit dem Neubau begonnen werden. Sollte sich Rot-Grün mit dem Plan der Erhaltungsverordnung durchsetzen, bleibe der Genossenschaft nichts anderes übrig, als vor Gericht zu gehen. „Es ist schon absurd, dass wir als Wohnungsgenossenschaft klagen müssen, um Sozialwohnungen bauen zu können.“

Die Wohnungswirtschaft würde gerne den Kleinen Grasbrook bebauen

Verbandschef Breitner, der früher Innenminister für die SPD in Schleswig-Holstein war, klagt: „Da reden wir im Bündnis für Wohnen mit dem Senat über die große Linie, aber vor Ort klappt vieles einfach nicht.“

Mehr Tempo bei der Genehmigung in den Hamburger Bezirken ist aus Sicht des VNW aber nicht das einzige Mittel, das die Stadt selbst in der Hand hätte, um mehr bezahlbare Wohnungen bauen zu können. So fordert der Verband beispielsweise auch schon einen Verzicht auf eine eigene Hamburger Klimaschutzverordnung, die das Bauen zusätzlich verteuere. Schon allein die neue Energiesparverordnung des Bundes würde eine Verteuerung um bis zu acht Prozent bringen – wobei der Effekt relativ gering sei, meint der Verband.

Andreas Breitner
ist Chef des
Verbands Norddeutscher
Wohnungsunternehmen
Andreas Breitner ist Chef des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen © picture alliance

Einer der größten Preistreiber beim Wohnungsbau in Hamburg sei aber die Steigerung der Grundstückskosten. Da müsse die Stadt ran, fordert Breitner. Statt der Mietpreisbremse müsse es daher eine Grundstückspreisbremse geben. „Dann kann man auch wieder wirtschaftlich bauen.“ Flächen gebe es genug, sagte der Verbandschef im Gespräch mit dem Abendblatt. Besonders im Osten der Stadt an Elbe und Bille, wo heute relativ stadtnah viele Kleingartenanlagen liegen. Hier dürfe es kein Tabu mehr geben, man könnte Kleingärten auch verlagern, um so bestens erschlossene Wohnbauflächen zu bekommen.

Und auch den Kleinen Grasbrook haben die Genossenschaften weiter im Blick. Dort, gegenüber der HafenCity, wollte Hamburg eigentlich sein Olympiagelände bauen, das später auch zu einem neuen Wohnstadtteil werden sollte. Nach dem Nein bei dem Olympiareferendum müsse Hamburg das Areal dennoch weiter als Stadtentwicklungsfläche betrachten, fordert An­dreas Breitner: „Das wäre für Hamburg auch ohne Olympia ein Gewinn.“