Hamburg. Um den Bandenkrieg zwischen Hells Angels und Mongols einzudämmen, werden sogar Beamte von der Soko “Castle“ abgezogen. Verbotsprüfung.
Durch eine 56 Beamte starke Sonderkommission soll der aufgeflammte Rockerkrieg zwischen den Hells Angels und den Mongols eingedämmt werden. Unter Leitung des stellvertretenden Leiters der Abteilung gegen Organisierte Kriminalität, Mirko Streiber, werden die Beamten bereits heute ihre Arbeit aufnehmen. Neben Ermittlern werden zahlreiche operative Kräfte, darunter Beamte der Festnahmeeinheit der Bereitschaftspolizei (BFE) der Soko angehören.
Mit aller Macht will die Polizei gegensteuern, nachdem ein bereits Monate schwelender Konflikt zwischen den Mongols und Hells Angels eskalierte. „Es besteht die Befürchtung, dass sich sonst ein dauerhafter Konflikt zwischen den Hells Angels und Mongols auf Hamburger Boden entwickelt“, sagt ein Beamter. „Die Sonderkommission hat drei Zielrichtungen“, erläutert Polizeisprecher Jörg Schröder. „Sie wird repressiv vorgehen und die bislang begangenen Taten aufklären. Sie soll präventiv wirken. Das heißt, dass es Razzien, Durchsuchungen von Örtlichkeiten und Überprüfungen von Personen geben wird, die dem Rockermilieu zugerechnet werden.“ Der dritte Ansatz: Die Soko soll Erkenntnisse zusammentragen, die Grundlage für ein Verbot der Mongols werden.
Für die Rocker-Soko werden sogar zwei Beamte aus der Soko „Castle“ abgezogen, der Sonderkommission, die die weiter ansteigende Einbruchskriminalität in Hamburg bekämpft und bislang oberste Priorität genoss. Zudem werden auch die zehn Beamten des Milieudezernats dabei sein, die an der Dienststelle eine interne Ermittlungsgruppe gebildet hatten, die sich zunächst ausschließlich mit den Mongols beschäftigte. Mit Mirko Streiber ist ein Kriminalist an die Spitze der Sonderkommission gesetzt worden, der zur Führungsriege des Landeskriminalamtes gehört.
MEK stürmt Wohnungen nach Rockerschießerei
Der Grund der blutigen Rocker-Fehde ist bekannt. Die Mongols, eine Gruppierung, die sich hauptsächlich aus Mitgliedern mit Migrationshintergrund zusammensetzt, wollen etwas vom Rotlicht-Kuchen abhaben. Das wollen die Hells Angels mit aller Macht verhindern. Hamburg gilt als Deutschlands lukrativste Rotlichtszene. Zwischen Weihnachten und Neujahr war die Rockerfehde zum offenen Rockerkrieg geworden. Hells Angels passten Mongols ab, die sich im Schweinske auf der Reeperbahn getroffen hatten. Drei Mongols flüchteten in ein Taxi auf der nahen Holstenstraße. Ohne Rücksicht auf Dritte feuerten die Verfolger auf das Fahrzeug. Sieben Kugeln zerlöcherten den Wagen. Der Fahrer, 46, hatte großes Glück. Er blieb unverletzt. Auch der neue Hamburger Mongol-Präsident Kevin S., 27, der in das Taxi geflüchtet war, kam ohne Verletzungen davon. Rocker Aleks M., 28, erlitt eine Schussverletzung im Rücken. Mongol Hidayet G., 26, wurde auch angeschossen.
Der 26-Jährige war es auch, der in der ersten Nacht des neuen Jahres erneut Opfer wurde. Zwei Prostituierte hatten ihn in Horn in eine Gartenlaube gelockt. Als sich der Mann mit den Frauen vergnügte, stürmten sechs maskierte Männer herein, die ihn packten und mit einem Messer am Bein und im Gesicht verletzt. Dann zerrten sie den Mongol in ein Auto, fuhren mit ihm ein paar Straßen weiter und warfen ihn aus dem Fahrzeug.
Die offensichtliche Einschüchterungsaktion löste einen größeren Polizeieinsatz aus. Zuvor waren die beiden Prostituierten festgenommen und durch Ermittlungen fünf mögliche Beteiligte an der Tat ermittelt worden. Es sind Personen, die nicht zu den der Hells Angels gehören, aber dem weiteren Umfeld zugerechnet werden.
Bereits am Abend des 2. Januar stürmten Beamte des Mobilen Einsatzkommandos sieben Wohnungen im Hamburger Stadtgebiet. In Harburg wurde der Sauna-Club „Atmos“ durchsucht, der zum Einflussgebiet der Hells Angels gezählt wird. Dort wurden zwar 49 Gäste und 19 Prostituierte angetroffen und überprüft. Rocker waren aber nicht dabei. Ebenso waren die Durchsuchungen der Wohnungen erfolglos.
Erst 2014 hatten sich die Mongols in Hamburg gegründet. Zunächst fielen die Mitglieder mehr wegen starker Sprüche und Geprotze auf. Nachdem der erste Präsident der Mongols, Erkan U., 37, eine Frau mit einer Waffe bedroht hatte, nahm das Mobile Einsatzkommando ihn in einer Wohnung an der Hoheluftchaussee fest. Für einen Haftbefehl reichte es nicht. Später war der 37-Jährige Opfer: Ende Oktober explodierte eine Sprengfalle an seinem Lamborghini. Er blieb unverletzt. Kurz darauf wurde er zusammengeschlagen und seine Kutte geraubt. Später tauchte ein Video im Internet auf, das einen Transvestiten mit dem Kleidungsstück zeigte. Das galt als höchst mögliche Beleidigung der Mongols.
Erkan U. sitzt mittlerweile in Haft. Eine ältere Bewährungsstrafe wegen Betruges war widerrufen worden. Es war eine Notbremse, um den in Polizeikreisen auch wegen seines Kokainkonsums als „unberechenbar und brandgefährlich“ geltenden Mann aus dem Verkehr zu ziehen. Mittlerweile gibt es einen neuen Präsidenten und vor allem einen Vize, Reza J., 34, der als der „starke Mann“ der Gruppierung gilt. Dem Ex-Hells-Angel werden beste Kontakte in die Rockerszene nachgesagt. Er steht hinter der „Kriegserklärung“ an die Hells Angels, die nach dem Kutten-Raub ausgesprochen wurde. Von 200 Mongols, die „in Hamburg einfallen“, war die Rede. Die Hells Angels, so ein Insider, hatten daraufhin ein Treffen der Club-Präsidenten einberufen. Einbezogen waren auch die Supporter-Clubs, die gern für das „Grobe“ eingesetzt werden.
Chronologie des Rockerkriegs in Hamburg