Hamburg. Der Konflikt zwischen Mongols und Hells Angels wird zum Rockerkrieg. Auf der Reeperbahn wird ein Taxi beschossen. Drei Männer verletzt.
Es hatte sich in den vergangenen Wochen schon angebahnt, in der Nacht zum Dienstag ist es nun passiert. Auf dem Kiez haben sich, während Tausende Nachtschwärmer auf den Beinen waren, Angehörige der Hells Angels und der Mongols offen bekriegt. Zwei Mongols, die zusammen mit ihrem Präsidenten Kevin S. auf der Holstenstraße in ein Taxi geflüchtet waren, erlitten Schussverletzungen. Am Taxi zählte die Polizei später sieben Einschusslöcher. Beamte nahmen kurz nach den Schüssen zwölf Männer aus dem Umfeld der Hells Angels fest. Das Milieudezernat hat die Ermittlungen übernommen.
Seit Monaten gibt es Spannungen zwischen Hells Angels und Mongols
Von einem Rockerkrieg mochte in Hamburg in den vergangenen Monaten niemand reden. Auch wenn es in der Szene immer wieder zu spektakulären Vorfällen kam. So explodierte Ende Oktober in einem Innenhof an der Hoheluftchaussee eine an dem Lamborghini des damals amtierenden, mittlerweile in Haft sitzenden Mongols-Präsidenten Erkan U. angebrachte Handgranate. Der Fall ist ungeklärt. Später wurde Erkan U. in seiner Wohnung überfallen und zusammengeschlagen. Als Täter verhaftete die Polizei einen Mongols-Rocker, der vermutlich zu den Hells Angels überlaufen wollte, sowie zwei Helfer.
Chronologie des Rockerkriegs in Hamburg
Jetzt die Eskalation. Am Montagabend traf sich ein Dutzend Mongols im Restaurant Schweinske an der Reeperbahn. Hells Angels sollen sich, so hieß es in der Szene, zusammengerottet haben, um die Mongols im Lokal zu stellen. Der Auftritt der verfeindeten Rocker im „Wohnzimmer“ der „Höllenengel“ dürfte als Provokation angesehen worden sein. Als drei der Mongols, darunter der neue Präsident Kevin S., vor die Tür gingen, um zu rauchen, kamen wohl die Hells Angels.
Die drei Rocker rannten quer über die große Kreuzung am Ende der Reeperbahn in Richtung Endo-Klinik an der Holstenstraße. Dort sprangen sie in ein Taxi, dessen Fahrer gerade seine „Kiezrunde“ machte. Der Mann sah sich unversehens im Kugelhagel. Aus nächster Nähe feuerte ein noch unbekannter Schütze mindestens sieben Schüsse auf die Beifahrerseite des Taxis ab, die die hintere und die Beifahrertür des Fahrzeugs durchschlugen. Eine Kugel traf den Mongol Hidayet K. in den Rücken im Bereich der Niere. Unter Notarztbegleitung wurde der 28-Jährige ins Krankenhaus gebracht. Lebensgefahr besteht für ihn nicht.
Ein zweiter Mongol, 26, erlitt einen sogenannten Prellschuss. Die Geschwindigkeit der Kugel war nach dem Durchdringen der Autotür so weit abgeschwächt, dass der Mann lediglich einen dicken blauen Fleck erlitt. Kevin S. und der Taxifahrer blieben unverletzt. Ein dritter Mongol wurde verletzt, als er mit seinen Kumpels aus dem Schweinske flüchtete – er brach sich beim Überspringen eines Zauns ein Bein.
Aussagen der beteiligten brachte die Polizei kein Stück weiter
46 Polizeiwagen rückten zur Fahndung aus. Binnen weniger Minuten konnten drei Fahrzeuge gestoppt werden, in denen Hells Angels saßen. Weitere Angehörige der Rockergruppe, die zu Fuß weggelaufen waren, wurden ebenfalls gestellt. Insgesamt nahm die Polizei zwölf Männer fest, von denen zehn einwandfrei als „Member“ der Hells Angels identifiziert wurden. In einem Auto an der Schomburgstraße wurde eine scharfe Schusswaffe gefunden. An der Holstenstraße stellten Polizisten ein Messer sicher.
Danach wurde es für die Polizei schwierig. Keiner der Festgenommenen machte gegenüber den Ermittlern eine Aussage. Die Polizei weiß nicht, wer der Schütze ist. Die Mongols, in diesem Fall als Opfer geführt, machten ebenfalls keine Angaben. Auch die Aussage des unter Schock stehenden Taxifahrers brachte die Polizei nicht weiter.
Am Dienstagnachmittag hieß es im Polizeipräsidium, dass die festgenommenen „Höllenengel“ wieder auf freien Fuß gesetzt werden müssen. „Das werden langwierige Ermittlungen“, sagte ein Beamter. Jetzt stehen kriminaltechnische Untersuchungen an. Bereits in der Nacht war der Tatort mit einem 3-D-Scanner vermessen und die Umgebung akribisch abgesucht worden. Die gestoppten Autos der Hells Angels sind ebenfalls sichergestellt worden und sollen untersucht werden.
Die Rockerclubs
Milieu-Experte rechnet mit Rache der Mongols
Das Motiv für die Schüsse ist unklar. In der Rockerszene wurde eine Schlägerei in einem Schnellrestaurant auf dem Kiez als möglicher Grund für die jetzt noch brutaler verlaufende Auseinandersetzung genannt. Ermittler schließen nicht aus, dass der Einsatz einer Pistole eine „Kurzschlusshandlung“ war. Vor allem, wenn es um die Hells Angels geht. Sie gelten auf dem Kiez als Strippenzieher, die in vielen einträglichen Geschäften des Rotlichtmilieus mitmischen. Sie haben etwas zu verlieren.
Fakt ist auch, dass die Mongols am Montagabend vorgeführt wurden. Damit sei klar, dass sich die Gruppe rächen werde, sagt Milieu-Experte Jürgen Roth in Frankfurt. "Das wäre das erste Mal, wenn das nicht passieren würde."
Schüsse auf Abtrünnige rief schon 2005 die Polizei auf den Plan
Im Milieu war es seit 2005 ruhiger geworden. Damals ging es um Carsten Marek und seine 85 Köpfe starke Marek-Bande, die um die 150 Frauen kontrolliert und 27 Millionen Euro Umsatz innerhalb weniger Jahre auf dem Kiez gemacht haben soll. Schüsse auf Abtrünnige hatten die Polizei damals auf den Plan gerufen. Innerhalb kurzer Zeit gab es immer wieder Razzien. Die Gruppierung wurde zerschlagen. Carsten Marek kam mit einer Bewährungsstrafe davon und zog sich vom Kiez zurück. Jetzt ist er in seriöser Mission zurück. Als Pächter der legendären Kiezkneipe Zur Ritze.