Hamburg. Erkan U., Hamburgs Boss der Mongols, ist festgenommen worden. Eine Rotlicht-Geschichte um betrogene Freier und Hells-Angels-Kutten.
Es knallte so laut, dass viele Passanten an einen Terroranschlag mitten in einem der belebtesten Viertel Hamburgs dachten: Das Mobile Einsatzkommando (MEK) der Hamburger Polizei hat am Freitagmorgen den Präsidenten der Rockergruppe Mongols, Erkan U. (37), in einem Penthouse an der Hoheluftchaussee überwältigt und verhaftet.
Kurz nach 11 Uhr hatten die Beamten das Gebäude an der Kreuzung Eppendorfer Weg gestürmt. Ein Teil der Beamten war über die Terrasse in die Penthousewohnung eingedrungen. Danach waren in der Umgebung mehrere Explosionen von Blendgranaten zu hören. Nach Informationen des Abendblatts wurde Erkan U. ohne Widerstand überwältigt.
Wie Augenzeugen des Polizeieinsatzes dem Abendblatt berichteten, gab es zwei markerschütternde Explosionen und mindestens einen Blitz. Anwohner, Passanten und Mitarbeiter umliegender Geschäfte dachten sofort: „Das ist ein Anschlag“, wie die Kundin eines Geschäftes sagte. Die Furcht vor Terror wie in Paris oder Brüssel kroch einigen ins Mark. Andere dachten, der Krach hänge mit der nahen Großbaustelle zusammen.
"Wir waren schwer geschockt"
Dass es ein gut geplanter Polizeieinsatz war, wurde den Hunderten Menschen an diesem Freitagmorgen rund um die belebte Ecke am Eppendorfer Weg, erst bewusst, als der Verdächtige abgeführt wurde. „Wir sahen die Kamerateams, die unzähligen Polizeiwagen, insgesamt war es aber ein ruhiges, professionelles Verhalten der Polizisten. Deshalb waren wir zwar geschockt, aber erleichtert, dass nichts Schlimmeres passiert ist“, so eine Mitarbeiterin eines Geschäfts.
Sie selbst hatte miterlebt, wie vor Kurzem eine Handgranate im Hinterhof des Hauses explodiert war. „Direkt an meinem Fenster.“ Diese offensichtliche Warnung oder Einschüchterung des Mongols-Präsidenten hatte auch in dem gutbürgerlichen Viertel für Verunsicherung gesorgt.
Sicherungshaftbefehl vollstreckt
Erkan U. wurde schließlich von zwei Polizisten abgeführt. Er trug Jogginghose und Sweatshirt mit dem Mongols-Kodex: MFFM. Die Buchstaben, die für "Mongols Forever – Forever Mongols" stehen, hat er sich auch ins Gesicht tätowieren lassen.
Nach Polizeiangaben waren in der Wohnung, in der Erkan U. lebt, bei der Durchsuchung erneut eine scharfe Waffe sowie eine kleine Menge Kokain gefunden worden. Grund für die Vollstreckung des sogenannten Sicherungshaftbefehls sei nun ein "gröblicher und beharrlicher Verstoß gegen Bewährungsauflagen gewesen", erfuhr Abendblatt.de. Diesen hatte zuvor das Amtsgericht erlassen. Nun muss Erkan U. eine Restfreiheitsstrafe von zehn Monaten absitzen. Dabei soll es nach Abendblatt-Informationen um Betrugsdelikte mit EC-Karten von Freiern gegangen sein, die zuvor in einem Großbordell auf dem Kiez Kunden waren.
Lamborghini in Hotel-Garage sichergestellt
Gleichzeitig wurde auch der Lamborghini des Mongols-Präsidenten in der Tiefgarage des Fünf-Sterne-Hotels Grand Elysee an der Rothenbaumchaussee sichergestellt. Dieser wird nun kriminaltechnisch untersucht.
Vereinfacht gesagt, sollte der 37-Jährige offenbar vorläufig aus dem Verkehr gezogen werden. Möglicherweise, weil der seit Wochen schwelende Streit zwischen Mongols und Hells Angels in Hamburg sich in den letzten Tagen und Stunden zuspitzte und zu eskalieren drohte.
Streit unter Rockern in Hamburg immer schriller
Schon seit Monaten tobt dieser Streit im Hamburger Rocker- und Rotlichtmilieu. Zuletzt ging es um die Leder-Kutte von Mongols-Chef Erkan U. Bei Facebook hatte er ein Video gepostet, in dem er sich über den Diebstahl der Kutte auslässt. In dem Film, sehr dunkel und kaum zu erkennen, beschimpft U. die Männer, die zu dritt in sein Penthouse an der Hoheluftchaussee eingedrungen seien, ihn verprügelt und seine Kutte mitgenommen hätten. Die Diebe seien Abgesandte der verfeindeten Hells Angels gewesen, so der Mongols-Boss, das Ganze eine Revanche.
Parallel tauchte inzwischen ein Video im Netz auf, in dem ein Transvestit mit der Kutte des Mongols-Chefs vor Susis Show Bar an der Großen Freiheit posiert – eine maximale Demütigung für Erkan U.
Seitdem postete Erkan U. in regelmäßigen Abständen Videos bei Facebook, in denen er vermeintliche Kutten von Hells-Angels-Rockern im Hoheluft-Penthouse an einen Balken nagelte. Was den Eindruck "erbeuteter Skalps" und Vergeltung erwecken sollte, sind nach Abendblatt-Informationen ältere Mitbringsel eines Überläufers. Dennoch nahm die Polizei diese Entwicklungen sehr ernst.
Die Vorgeschichte
Erkan U. ist seit Monaten immer wieder in den Medien. Schon im Juli war das MEK beim Mongols-Präsidenten. Damals landeten die Polizisten mit einem Hubschrauber auf dem Dach des Hauses an der Hoheluftchaussee. Sie stellten eine scharfe Schusswaffe sicher.
Ende Oktober war unter dem Lamborghini des 37-jährigen Rockers, der im Hinterhof geparkt war, eine Handgranate explodiert. Splitter flogen mehrere Stockwerke hoch, verletzt wurde wie durch ein Wunder niemand.
Drei Wochen später hatten sich mehrere Mongols sowie befreundete Bandidos auf dem Kiez gezeigt. Gegenüber der Polizei sagten sie, Burger für ihren Präsidenten holen zu wollen – in ihren Kutten. Ein Tabubruch, weil der Kiez als Gebiet der Hells Angels gilt.
Die Gegenreaktion soll nun der von Erkan U. im Netz verbreitete Einbruch samt Kuttendiebstahl gewesen sein. Seine wüsten Beschimpfungen und Drohungen waren sein vorläufig letzter Auftritt in Freiheit.
Mitarbeit: mik/leo/ryb/fm