Haspa-Vorstandssprecher über die Geschäftsentwicklung, das geringe Interesse der Hamburger an Aktien und Flüchtlinge als Praktikanten.
Die Haspa blickt auf ein insgesamt gutes Jahr 2015 zurück. Mehr Kunden, höhere Einlagen und ein konstanter Jahresüberschuss. Dennoch ist Vorstandssprecher Harald Vogelsang nicht mit allem zufrieden. Er hält die geplante europäische Einlagensicherung für einen Fehler und kann die Zurückhaltung der Hamburger beim Aktienkauf nicht verstehen.
Hamburger Abendblatt: Die Kapitalmarktexperten der Haspa haben im vergangenen Februar noch einen DAX-Stand bis Ende des Jahres von 13.000 Punkten für möglich gehalten. Davon ist das wichtigste deutsche Börsenbarometer derzeit weit entfernt. Was ist schiefgelaufen?
Harald Vogelsang: Schiefgelaufen ist aus meiner Sicht gar nichts. Wir haben zwar die 13.000 Punkte nicht erreicht, waren aber im Frühjahr deutlich über 12.000 Zählern. Zudem waren die 13.000 Punkte nur ein mögliches Szenario für eine Übertreibungsphase an der Börse. Unsere Detailprognose für Ende 2015 lag Anfang des Jahres bei 10.500 bis 11.000 Punkten - und das kann der DAX auch noch erreichen. Das könnte eine Punktlandung werden. Die Anleger müssen ohnehin am Aktienmarkt mit sehr viel stärkeren Schwankungen bei den Kursen als früher rechnen. Dennoch kann man auch 2016 - über das gesamte Kalenderjahr gesehen - wieder eine Rendite von gut acht Prozent erwirtschaften.
Mit Blick auf die niedrigen Sparzinsen hört sich diese Rendite verlockend an. Allerdings sind Aktien auch immer mit einem hohen Risiko verbunden - bis hin zum Totalverlust des Kapitals.
Vogelsang: Deshalb sehen wir Aktien als eine langfristige Geldanlage an. Und man sollte sein Kapital an der Börse möglichst breit streuen. Wir raten zum monatlichen Aktiensparen. Der Kunde sollte kontinuierlich kleine Beträge investieren. Da reichen schon 25 oder 50 Euro im Monat. Bei dieser Strategie hätte man eben auch im vergangenen Sommer gekauft als die Kurse so stark gesunken waren – und sich jetzt über die wieder gestiegenen Kurse gefreut.
Die Deutschen insgesamt sind eher Aktienmuffel. Die Haspa-Kunden auch?
Vogelsang: Es gibt zwei Entwicklungen bei uns: Die Kundeneinlagen sind noch mal gestiegen – um 1,2 Milliarden auf gut 24 Milliarden Euro. Gleichzeitig hat auch das Wertpapier-Sparen zugenommen – und zwar vor allem in Aktien. In Relation zur Kundenanzahl und dem Gesamtvermögen der Haspa-Kunden ist es aber immer noch viel zu wenig. Nur etwa jeder zehnte Girokontobesitzer bei der Haspa spart im Depot. Wer sein Vermögen langfristig mehren möchte, kommt aus meiner Sicht bei den extrem niedrigen Sparzinsen aber an Aktien nicht vorbei.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Sparzinsen? Werden wir nie wieder Werte von vier, fünf Prozent – wie in früheren Zeiten üblich – erreichen?
Vogelsang: In den nächsten drei Jahren wird sich aus meiner Sicht am aktuell niedrigen Zinsniveau wenig ändern. Das liegt vor allem an den längerfristig ausgerichteten Anleihe-Kaufprogrammen der Europäischen Zentralbank. In fünf Jahren könnten wir durchaus wieder ein normaleres Zinsniveau erreicht haben. Und in zehn Jahren sind sogar Zinsen wie in früheren Zeiten möglich.
Wie hat sich die Zahl der Kunden bei der Haspa im laufenden Jahr entwickelt?
Vogelsang: Wir gehen für 2015 von einem Kundenplus in Höhe von rund 70.000 auf dann 1,8 Millionen aus. Der größte Teil der zusätzlichen Kunden hat ein Joker-Konto. Die Zahl dieser Konten liegt nun bei etwa 645.000.
Wie entwickelt sich bei der Haspa die Baufinanzierung?
Vogelsang: Dort erwarten wir 2015 ein Plus von mindestens 30 Prozent. Dabei handelt es sich vorrangig um Privatkunden, aber auch das Geschäft mit Firmenkunden läuft sehr gut. Die positive Entwicklung führen wir auch auf unsere neue Regionalstruktur mit 27 Regionen und starken Beiräten zurück. Das sind fast 300 Kunden, die uns wertvolle Impulse geben.
Hat sich etwas am Filialnetz der Haspa 2015 geändert?
Vogelsang: In diesem Jahr gab es keine Schließungen oder Neueröffnungen. Wir haben weiterhin 150 Filialen und insgesamt rund 200 Standorte in Hamburg.
Und im nächsten Jahr?
Vogelsang: Bleibt die Zahl stabil. Wenn überhaupt wird es maximal eine oder zwei Schließungen geben.
Auch am Schulterblatt in der Schanze, wo Ihnen regelmäßig bei Mai-Krawallen die Scheiben eingeschlagen werden?
Vogelsang: Davon lassen wir uns nicht vertreiben, wir wollen die Filiale in der Schanze auf jeden Fall halten.
Bekommen Sie für diese Filiale überhaupt noch eine Versicherung?
Vogelsang: Ja, aber die Selbstbeteiligung ist schon sehr hoch.
Für Bank- und Sparkassenkunden wird Online-Banking immer wichtiger. Wie läuft dieser Bereich bei der Haspa?
Vogelsang: Das Herzstück unseres Multikanalauftritts sind die Filialen. Aber wir investieren auch stark in unsere digitalen Angebote und haben bereits rund 350.000 Onlinebankingnutzer. In den ersten neun Monaten verzeichneten wir 37.000 Neuabschlüsse über das Internet – ob Spareinlage oder Kredit. Zudem statten wir alle Haspa-Filialen mit WLAN aus. Jeder Hamburger ist hier willkommen, nicht nur unsere Kunden.
Zurück zum allgemeinen Geschäft: Wie entwickeln sich der Zins- und Provisionsüberschuss?
Vogelsang: Der Zinsüberschuss ist weiterhin leicht gesunken, der Provisionsüberschuss steigt dagegen etwas. Wir sind zudem sehr diszipliniert auf der Kostenseite. So dass wir insgesamt unseren Jahresüberschuss auf dem Vorjahresniveau von 80 Millionen Euro erwarten.
Was bedeutet diszipliniertes Verhalten auf der Kostenseite konkret? Werden Arbeitsplätze abgebaut?
Vogelsang: Nein. Die Zahl der Stellen wird mit rund 5000 etwa konstant bleiben. Zudem freuen wir uns über engagierten Nachwuchs, denn die Übernahmequote bei unseren rund 250 Auszubildenden liegt bei etwa 80 Prozent.
Kommen wir zum Schluss zu zwei übergeordneten Themen: Seitens der EU wird eine europäische Einlagensicherung geplant. Dann müssten die deutschen Sparer mit ihren Einlagen auch für mögliche Bankenpleiten in anderen EU-Ländern gerade stehen. Was halten Sie davon?
Vogelsang: Ich lehne dieses Vorhaben - wie viele Kollegen in Deutschland – ab. Aus meiner Sicht haben wir hierzulande das sicherste Einlagensicherungssystem weltweit. Das neue System würde bedeuten, dass deutsche Sparer für Pleiten von Banken in anderen Ländern zur Verantwortung gezogen werden, die zuvor überhöhte Zinsen gezahlt haben. Das ist nicht in Ordnung. Ich bin überzeugter Europäer. Aber im Moment habe ich den Eindruck, in Europa gilt immer mehr: Jede schlechte Idee ist eine gute Idee, so lange die Deutschen sie bezahlen. Wir sind auf dem Weg in eine Transferunion. Das ist gefährlich. Denn mit solchen Entscheidungen wie bei der Einlagensicherung wird die Begeisterung der Deutschen für Europa abnehmen.
Das zweite große Thema neben der europäischen Einigung sind die Flüchtlinge. Die Haspa gibt als eines von wenigen Geldinstituten Flüchtlingen ohne Probleme ein Konto. Warum?
Vogelsang: Wir halten es als Bank für alle Hamburger für selbstverständlich und auch notwendig in unserer sich verändernden Gesellschaft, dass Flüchtlinge problemlos ein Konto bekommen. Wir machen das aus Überzeugung. Viele unserer Mitarbeiter engagieren sich zudem ehrenamtlich für Flüchtlinge – zum Beispiel in den Verteilzentren für Kleidung. Auch erste Praktikumsplätze für Flüchtlinge bieten wir an. Ob Deutschland insgesamt den Flüchtlingszustrom meistern kann, das weiß ich nicht. Die Integration wird auf jeden Fall eine immens große Herausforderung für unsere Gesellschaft.