Hamburg. Im Streit um Gründung eines Betriebsrats bei Goodgame spricht Ver.di von Hinhaltetaktik. Mitarbeiter fühlen sich unter Druck.

Der Spieleentwickler Goodgame setzt seine 1200 Mitarbeiter im Streit um die Gründung eines Betriebsrats weiter unter Druck. In einer Ansprache hat die Geschäftsführung nach Abendblatt-Informationen ihre Mitarbeiter darauf einzuschwören versucht, sich gegen eine Arbeitnehmervertretung zu stellen. Zudem wurde eine Einladung zur Betriebsversammlung, die Voraussetzung für die Wahl eines Betriebsrates ist, nicht weitergeleitet. Auch einen Ort für dieses Treffen bereitzustellen war der Geschäftsführung zunächst nicht gelungen. Dabei gehört es zu den gesetzlichen Aufgaben des Arbeitgebers, diese Bedingungen zu schaffen.

„Ich bin entsetzt darüber, wie das Unternehmen mit dem Thema Betriebsrat umgeht“, sagt Gabriele Weinrich-Borg von Ver.di dem Abendblatt. In ihrer Gewerkschaftskarriere, die bis 1999 zurückreicht, habe sie ein solches Verhalten noch nie erlebt. Die Landesfachbereichssekretärin betreut bei Ver.di Firmen aus der IT-Branche.

Zum Hintergrund: Ende November waren 28 Mitarbeiter von Goodgame gleichzeitig gekündigt und im wahrsten Sinne des Wortes vor die Tür gesetzt worden. Alle diese Beschäftigten, die unmittelbar nach der Kündigung das Büro verlassen mussten, hatten sich für die Wahl eines Betriebsrates engagiert.

Obgleich die Firma mit Freibier, Swimmingpool und Partys für die Mitarbeiter wirbt, hatten sich zuletzt etliche Beschäftigte mit ihrer Situation am Arbeitsplatz unzufrieden gezeigt. Sie wollten sich zusammenschließen und gemeinsam für ihre Rechte kämpfen, um künftig nicht mehr mit niedrigen Gehältern und nur vier Wochen Urlaub abgespeist zu werden. So hatte die Firma, die mit Spielen wie Goodgame Empire immerhin Millionen verdient, vor der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns laut Ver.di zum Teil unter diesem Tarif bezahlt.

Die Kündigungen der Beschäftigten hatte die Geschäftsführung oft gar nicht oder mit Leistungsdefiziten begründet. Dabei hatten die Betroffenen mit nur einer Ausnahme zuvor keinerlei Ermahnungen oder Abmahnungen erhalten. Einige Vorgesetzte hatten die gekündigten Programmierer, Tester oder Marketingexperten zuvor noch ausdrücklich gelobt. Die meisten der 28 Mitarbeiter, die zum Ende Dezember arbeitslos sein werden, haben nun Kündigungsschutzklage eingereicht. „Das Arbeitsgericht wird prüfen, ob berechtigte Gründe für die Kündigung vorliegen“, sagt Gabriele Weinrich-Borg. Außerdem ist die Gewerkschafterin sicher, dass sich nach wie vor etliche der verbleibenden Beschäftigten bei Goodgame für einen Betriebsrat einsetzen wollen. „Wir planen für Mittwoch (heute, d. Red.) ein informelles Treffen, um die Diskussion zu versachlichen“, sagt Weinrich-Borg über die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer Arbeitnehmervertretung.

Die Gründer von Goodgame stellen sich offenbar als Opfer dar

Für die Geschäftsführung ist das Thema Betriebsrat offenbar auch nach dem Eklat um die Kündigungen eine Sache, die es zu verhindern gilt. So heißt es aus der Firma gegenüber dem Abendblatt, Kai und Christian Wawrzinek, Gründer der Firma, hätten sich in einem emotionalen Auftritt vor gut 100 Mitarbeitern als Opfer dargestellt. Zwar sei die Art der Kündigungen falsch gewesen, sollen die Brüder eingeräumt haben. Andererseits sprachen sie davon, dass sie von außen auf das Übelste attackiert worden seien, erfuhr das Abendblatt aus der Versammlung. Es solle niemand die Feinde unterstützen, die von außen die Goodgame-Familie zerstören wollten, forderte die Geschäftsführung. Auch die Presse versuche, das Unternehmen zu zerfleischen. Das Diktat von außen müsse unterbunden werden, soll das Management in der Ansprache gefordert haben.

„Jetzt fühlt man sich bei uns wie in einem schlechten Spionagefilm“, heißt es aus verlässlicher Quelle aus der Belegschaft. Niemand wisse mehr, mit wem er über welche Themen sprechen dürfe. Goodgame wollte sich auf Abendblatt-Anfrage nicht zu der Ansprache äußern, es habe sich um eine „interne Veranstaltung“ gehandelt. Die Formalitäten, die zur Gründung eines Betriebsrates nötig sind, waren bei Goodgame zugleich schwierig zu organisieren gewesen. So hatte die Geschäftsführung die Einladung zur Betriebsversammlung, auf der ein Wahlvorstand für den Betriebsrat gewählt werden sollte, für ungültig erklärt. Das Schreiben sei nur in deutscher Sprache verbreitet worden und damit für die internationale Belegschaft nicht geeignet gewesen. Auch ein Ort, wo die 1200 Mitarbeiter die Wahl hätten abhalten können, wurde kurzfristig von der Firma nicht gefunden. Erst für den 19. Januar gibt es einen Terminvorschlag.

Ver.di-Vertreterin Weinrich-Borg sieht diesen Planungshorizont allerdings als Hinhaltetaktik. Die gekündigten Mitarbeiter verlieren zum 31. Dezember ihren Arbeitsplatz. Im Januar werden sie nicht mehr an der Versammlung teilnehmen können. Für den Betriebsrat einer Firma dieser Größe werden sich zudem noch einmal 15 Beschäftigte zur Wahl stellen müssen. „Ich bin fest überzeugt, dass die Mitarbeiter sich nach wie vor für eine Arbeitnehmervertretung einsetzen“, sagt Weinrich-Borg. Sie würden sich nun bewusst werden, dass sie nur gemeinsam ihre Rechte durchsetzen könnten, anstatt als einzelne Beschäftigte in Verhandlungen der Willkür der Geschäftsführung ausgesetzt zu sein.

Weinrich-Borg sieht einen Grund für die wenig ausgeprägte Mitsprachekultur in Internetfirmen in der jungen Belegschaft. In der gesamten Hamburger Gamesbranche habe nur Bigpoint einen Betriebsrat. „Die Leute kommen direkt nach dem Abitur oder dem Studium in die Firmen und haben wenig Erfahrung mit der Frage, wie sie ihre Rechte durchsetzen können“, sagt Weinrich-Borg. Außerdem würden sie sich leicht von einer scheinbar wenig hierarchischen Führung beeinflussen lassen. Nach dem Motto: Wenn der Chef neben mir im Großraum sitzt und wir uns duzen, kann er mir nichts Böses wollen. Die Illusion einer großen Familie wird zur Beruhigungspille selbst für rebellische Gemüter.

Probleme mit dem Betriebsrat auch bei Xing

Auch beim Hamburger Internetportal Xing soll sich das Management nach Aussage von Ver.di gegen die Mitbestimmung gestellt haben. „Der Arbeitgeber hat argumentiert, ein Betriebsrat sei oldfashioned“, sagt Weinrich-Borg. Stattdessen hätten die Kollegen nun eine Art Mitarbeitervertretung gegründet. Dieses Gremium sei in der Regel aber weder rechtlich noch von der Durchsetzungskraft her einem Betriebsrat gleichgestellt. „Nur durch einen echten Betriebsrat können alle einklagbaren Rechte und der Informationsfluss für die Belegschaft gewährleistet werden“, sagt Weinrich-Borg. „Gerade in einer jungen Branche muss den Beschäftigten klar sein, dass sie ohne die Wahl eines Betriebsrates darauf verzichten, bei wichtigen Anliegen wie Arbeitszeiten oder Kündigungen ein Wörtchen mitzureden“.