Hamburg. Schwere Vorwürfe gegen Hamburger Spieleentwickler: Goodgame entlässt 28 Mitarbeiter, die sich für Arbeitnehmervertretung einsetzten.

Der Swimmingpool im Garten der Firma, das Freibier ab 18 Uhr, die Feiern mit bombastischem Feuerwerk – über all diesen Luxus bei ihrem Arbeitgeber können etliche Mitarbeiter der größten Hamburger Spielefirma nur noch mit dem Kopf schütteln. „Goodgame Studios lebt nur für eines, für ein gutes Image“, sagt ein Beschäftigter, ein junger Mann, der sagt, er sei von Partys und Prestige der Firma geblendet worden. Der Softwareprofi, ein begehrter Spezialist in der Internetwelt, hat zwei Jahre lang in dieser offensichtlichen Traumwelt bei Goodgame gearbeitet – und jetzt völlig überraschend seinen Job verloren.

28 Mitarbeiter sitzen am Montag im Gewerkschaftshaus bei Ver.di und können immer noch kaum fassen, was ihnen bei der vermeintlichen Vorzeigefirma passiert ist. Goodgame hat sie alle, junge Software-Entwickler, Spieledesigner und Marketingspezialisten, offenbar aus einem Grund entlassen: Sie haben sich mit der Gründung eines Betriebsrates befasst.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di vertritt die Interessen Zehntausender Beschäftigter in der IT- und Medienbranche, hat ein solch drastisches Vorgehen von Firmen gegen eigene Mitarbeiter aber praktisch noch nie erlebt. „Ich kam zur Vorbereitung der Wahlen zu Goodgame, und sah die Beschäftigten plötzlich vor der Tür stehen“, sagt Gabriele Weinrich-Borg von Ver.di. Alle 28 Betroffenen hatten an diesem Tag gleichzeitig von ihrer Kündigung erfahren. „18 Kolleginnen und Kollegen wehren sich aus gutem Grund gegen diese Kündigungen“, sagte Weinrich-Borg am Montag. Sie hätten mit der Unterstützung von Ver.di nun die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht.

Goodgame spricht von Leistungsdefiziten

Goodgame berichtet auf Anfrage des Abendblattes ebenfalls über das Geschehen, allerdings in einer anderen Version: „Nach eingehender Prüfung hat das Unternehmen entschieden, sich aus betrieblichen Gründen, wie zum Beispiel Leistungsdefiziten, von 28 Mitarbeitern aus unterschiedlichen Abteilungen mit umgehender Wirkung zu trennen“, so Sprecher Dirk Hensen.

Während der Zusammenkunft bei Ver.di berichten die Betroffenen, sie hätten an dem Tag sofort das Haus verlassen müssen. „Ich durfte nur noch kurz zu meinem Schreibtisch, um meinen Autoschlüssel zu holen“, sagt ein Programmierer. „Es tut mir leid, das ist nicht meine Entscheidung“, soll ein Teamleiter einer Angestellten gesagt, aber die Entlassung nicht weiter begründet haben. Dieses Schweigen über den Kündigungsgrund haben alle Betroffenen erlebt, dabei hatten sie einige Wochen zuvor oft noch positives Feedback vom Chef erhalten. Zugleich allerdings soll es bei Goodgame Hinweise darauf gegeben haben, dass die seit Frühjahr laufenden Weichenstellungen für eine Arbeitnehmervertretung unerwünscht sind. „Leistung reicht nicht, man muss auch die Werte der Firma leben“, hieß es in internen Mitteilungen.

Dabei existieren bei Goodgame in der Tat zwei Wahrheiten nebeneinander: Die 2009 von Kai und Christian Wawrzinek sowie Fabian Ritter gegründete Firma hat sich mit heute mehr als 1200 Mitarbeitern zum größten Spiele-Anbieter in Deutschland entwickelt. Das Unternehmen profitiert wie die gesamte Branche von dem Trend, dass immer mehr Menschen im Internet mittelalterliche Welten erforschen oder virtuelle Bauernhöfe bewirtschaften wollen. Allein im vergangenen Jahr erzielten die Hamburger einen Gewinn von 30 Millionen Euro und erreichten mit Spielen wie Goodgame Empire 240 Millionen Nutzer. Das ist die Geschichte der Erfolge bei Goodgame.

Scheinwelt einer gut gelaunten Goodgame-Familie

Die andere Geschichte erzählt von der Scheinwelt einer gut gelaunten Goodgame-Familie, bei der Hunderte junger Leute ihr Glück suchten. „Es ist einfach cool, Spiele zu entwickeln, cool, Goodgame im Lebenslauf stehen zu haben, und cool, zu einer solchen Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu gehören“, berichtet ein Softwaredesigner von seiner Motivation, vor zwei Jahren hier angeheuert zu haben. Heute wisse er, dass die Firma diese Strahlkraft gnadenlos ausnutze: Die Mitarbeiter wurden nach Angaben der Beschäftigten immer wieder mit Versprechungen gelockt, die letztlich nicht eingelöst worden seien. Alle nun gekündigten Mitarbeiter hätten sich mit 24 Urlaubstagen begnügen müssen. Wer nach dem Studium im Marketing bei Goodgame anheuerte, sollte ein Gehalt bekommen, von dem man „in Hamburg prima leben kann“, hieß es. Man sei dann aber mit 2000 Euro brutto abgespeist worden. Ver.di-Sprecher Björn Krings vergleicht diesen Tarif mit anderen Firmen: Bei H&M bekämen schon ungelernte Kommissionierer 2200 Euro.

„Wir sahen das teure Feuerwerk bei den Betriebsfeiern, hätten aber dafür lieber ein Weihnachtsgeld bekommen“, kritisiert eine Goodgame-Beschäftigte. Auch hier sei es wieder um Imagefilme für Bewerber gegangen, die Goodgame als attraktiven Arbeitgeber auf Messen oder im Internet kennenlernen sollten. Die Firma suchte ständig nach Nachwuchs, und das immer häufiger im Ausland. „Manche Kollegen kommen aus Polen oder Rumänien und geben sich mit weniger Geld zufrieden“, sagt ein Kollege.

Für Anfang der kommenden Woche will Ver.di trotz der Kündigungen zu einer Betriebsversammlung bei Goodgame einladen, um mit der Betriebsratswahl zu beginnen.