Hamburg. Umweltschützer befürchten, dass durch den Bau von Großunterkünften ökologisch wertvolle Flächen verschwinden.

Die Kritik an der Flüchtlingspolitik des rot-grünen Senats nimmt zu. Nachdem sich in der vergangenen Woche Bürgerinitiativen kritisch zu Wort gemeldet hatten, äußert nun auch der Naturschutzbund Hamburg (Nabu) Sorge über die Pläne, an einzelnen Standorten bis zu 800 Wohnungen für mehrere Tausend Flüchtlinge zu errichten. Am Freitagabend war zudem eine CDU-Veranstaltung, auf der im Kaisersaal des Rathauses über die Gefahr der Gettobildung diskutiert wurde, sehr gut besucht.

Der Nabu ist – wie die meisten Kritiker der Flüchtlingspolitik – in einer schwierigen Lage. So erkennen die Naturschützer an, dass für die Unterbringung der Flüchtlinge innerhalb kurzer Zeit Wohnungen gebaut werden müssen. Allerdings fürchten sie, dass dabei die Natur unter die Räder gerät.

„Wir erleben, dass vermehrt frühere Projekte aus der Schublade geholt und durch den Zuzug von Flüchtlingen legitimiert werden“, sagt Bernd Quellmalz, stellvertretender Nabu-Geschäftsführer. Er verweist auf die Ankündigung von Bausenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD), Hamburg müsse für den Bau von Flüchtlingswohnungen an seine grünen Reserven gehen.

Der Rechtsanwalt Gero Tuttlewsli wirft dem Senat Missbrauch der Gesetze vor
Der Rechtsanwalt Gero Tuttlewsli wirft dem Senat Missbrauch der Gesetze vor © picture alliance / dpa | Matthias Benirschke

Sorge bereitet den Umweltschützern besonders der Bau von Großunterkünften für Flüchtlinge. Dafür würden in Hummelsbüttel, in Öjendorf oder im neuen Bergedorfer Wohngebiet Oberbillwerder ökologisch wertvolle Flächen ohne entsprechenden Ausgleich versiegelt. Diese Pläne verstärkten eine Entwicklung der vergangenen Jahre. Seit dem Jahr 2000 seien in Hamburg 323 Bebauungspläne beschlossen worden, sagt Nabu-Chef Alexander Porschke. Davon habe es bei 69 Prozent keinen Ausgleich gegeben.

Die Naturschützer wollen Fundamentalopposition zum rot-grünen Senat vermeiden. Wenn die Nutzung einer Grünfläche unverzichtbar sei, sollten andere geschützte Gebiete aufgewertet werden, sagt Porschke. So könnten bislang kurz gemähte Parkanlagen in Wildblumenwiesen umgewandelt werden. Auch im voll besetzten Kaisersaal wurde nun deutlich, wie groß die Kritik an den Plänen ist, Tausende Flüchtlinge in Großunterkünften unterzubringen. „Die sozialräumliche Unterbringung ist der erste Schritt zur Integration“, sagte der Stadtsoziologe Prof. Jürgen Friedrich. „Das ist weit mehr als ein Dach über dem Kopf.“

Großunterkünfte könnten der Integration schaden

Zwar sei die Herausforderung der Flüchtlingskrise groß und der Bau von Großunterkünften erscheine alternativlos. „Wir wissen aber auch, dass es falsch ist.“ Nach den Worten den Wissenschaftlers ist in einer „räumlichen Isolation“ kaum Hilfe für die Flüchtlinge möglich. Stattdessen werde Integration erschwert, womöglich verhindert.

Der Verwaltungsrechtler Gero Tuttlewski, der als Anwalt einige Bürgerinitiativen vertritt, berichtete, dass viele Bürger von Behörden überrumpelt würden. „Die Sorgen der Menschen werden von der Verwaltung nicht ernst genommen.“ Der Anwalt warf dem Senat „polizeistaatliches Handeln“ vor, weil dieser für Ausnahmen geänderte Gesetze missbrauche, um „planvoll“ Großunterkünfte zu bauen.

Ex-CDU-Senator Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen. warnt davor, sozial schwierige Quartiere noch weiter zu belasten. Er kritisiert das Bundesgesetz, das den Bau von Wohnungen nur beschleunige, wenn Flüchtlinge einzögen. „Damit werden zu 100 Prozent Flüchtlingsunterkünfte produziert.“