Hamburg. Viele Handwerksbetriebe finden nicht mehr genug Auszubildende. Innung lädt deshalb Flüchtlinge in die Lehrwerkstatt nach Harburg ein.

Sonia, 13, aus dem Irak, Benjamin, 17, aus Hamburg und Johannes, 15, aus Ecuador kannten sich bislang nicht. Am Donnerstag standen sie mit mehlbestäubten Händen nebeneinander an einem großen Holztisch und formten Zöpfe aus Teig. Benjamin, Bäckerauszubildender im ersten Lehrjahr, zeigte, wie man einen kleinen Batzen Teig am besten zu einem länglichen Strang ausrollt und den mit zwei anderen verflicht. Danach durften die beiden anderen ran.

Sonia und Johannes leben noch nicht lange in Deutschland, nehmen am sogenannten Internationalen Vorbereitungskurs in der Stadtteilschule Süderelbe teil und waren für einen halben Tag in die Lehrwerkstatt der Hamburger Bäcker-Innung im Elbcampus in Harburg gekommen. Statt Deutschunterricht in der Schule zur Abwechslung mal Einblicke ins Berufsleben zwischen Backblechen und heißen Öfen. „Werkstattunterricht“, nennt Lehrer Andreas Schweitzer so etwas.

Er war mit einer ganzen Klasse von 13 bis 17 Jahre alten Flüchtlingen und Aussiedlern in die Lehrbackstube gekommen, in der an diesem Tag auch Auszubildende im ersten Lehrjahr Brotteig kneteten. 22 junge Leute haben in diesem Jahr eine Bäckerlehre in den knapp 30 Mitgliedsbetrieben der Innung begonnen. „Fünf bis sechs Ausbildungsplätze sind unbesetzt geblieben“, sagt Obermeister Jan-Henning Körner. Wie vielen anderen Gewerken auch fällt es den Bäckern schon seit Jahren schwer, ausreichend Berufsnachwuchs zu finden. „Wir müssen das Handwerk bekannter machen“, sagt Körner. Und dabei sind Flüchtlinge eine zunehmend wichtige Zielgruppe.

Vier junge Leute, die erst seit Kurzem in Deutschland sind, haben in den vergangenen Wochen eine Bäckerausbildung in Innungsbetrieben begonnen. Derzeit bekommen sie noch hauptsächlich Sprachunterricht, schon bald aber werden sie in die Lehrbetriebe wechseln.

Der Besuch der Flüchtlingsklasse in der Lehrbackstube war ein erstes Hineinschnuppern ins Handwerk. „Wir sind sicher, dass unter den Flüchtlingen gute Leute für unser Handwerk sind. Wir geben den Jugendlichen daher gerne praktische Einblicke in unseren Beruf“, sagt Michael Rothe von der Bäcker-Innung.

Die Handwerkskammer geht diesen Weg bereits seit mehreren Jahren zielstrebig. In dem mit Geld von der EU geförderten Projekt Integrierte Nachwuchsgewinnung im Handwerk (INa) werden Schülerinnen und Schüler von den 8. bis 12. Klassen an die Berufspraxis herangeführt. Das Projekt gibt es seit 2010 in einer ganzen Reihe von Gewerken. „Die Attraktivität des Handwerks soll schon in der Schule erkannt werden“, sagt INa-Projektleiterin Johanna von Blanc. Mehr als 9000 Jugendliche haben mittlerweile an den Praxiskursen teilgenommen. Johanna von Blanc sagt: „Ob Jugendliche mit Migrationshintergrund oder ohne – im Handwerk ist jeder willkommen.“