Hamburg. Wenn Einsätze in Flüchtlingsunterkünften anstehen, ist die Polizei stark gefordert. Ältere Beamte sollen nun den Ruhestand aufschieben.
Die starke Zuwanderung von Flüchtlingen nach Hamburg belastet auch die Polizei der Hansestadt. Die Einsätze in Flüchtlingsunterkünften machten zwar nur ein Prozent aller Einsätze aus, sie müssten aber von den Kommissariaten zusätzlich bewältigt werden, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Gerhard Kirsch. „Ein Prozent ist schon eine Hausnummer.“
Im Jahr 2014 zählte die Hamburger Polizei mehr als 480.000 Einsätze nach Notrufen oder Anzeigen in den Wachen. Im Oktober hatte der Senat erklärt, die Polizei sei in den ersten neun Monaten 2015 mehr als 1000 Mal in Erstaufnahmeeinrichtungen gerufen worden. In einigen Fällen wie Massenschlägereien seien bis zu 40 Funkstreifen im Einsatz gewesen. Zur Hamburger Polizei gehören 7700 Beamte, insgesamt liegt die Mitarbeiterzahl bei 9700.
Ältere Beamte sollen weiter arbeiten
„Natürlich ist die Belastung der Polizei wie auch der Feuerwehr und der Rettungsdienste gestiegen“, räumte der Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter, ein. Die Behörde will nun reagieren. 50 ältere Beamte sollen freiwillig ihren Ruhestand aufschieben und als Ansprechpartner in Flüchtlingsunterkünften arbeiten. Innensenator Michael Neumann (SPD) erklärte, die Beamte sollten sich darum kümmern, Ängste und Sorgen bei Flüchtlingen und Anwohnern abzubauen.
Die Zahl der Überstunden bei der Polizei war in diesem Sommer erstmals über eine Million gestiegen, wie Kirsch und sein Kollege von der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, sagten. Ein Maßnahmenpaket des Innensenators sieht vor, dass zwei Millionen Euro zur Bezahlung der Überstunden zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollen die Schichtdienstzulagen erhöht und jährlich 350 statt 250 Polizisten neu eingestellt werden.
Die Polizeigewerkschafter bekräftigten dennoch ihre Forderung nach mehr Personal. Im Polizeivollzugsdienst fehlten 300 Beamte, im Polizeidienst, dessen Hauptaufgabe der Objektschutz ist, seien es 60 Angestellte zu wenig, sagte Lenders. Der Krankenstand liegt nach Angaben von Kirsch bei 10,4 Prozent, deutlich mehr als in den meisten anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Auf dem Vormarsch seien vor allem psychische Erkrankungen infolge von hohem Arbeitsdruck und schlechtem Arbeitsklima.
Privates Sicherheitsgewerbe wächst
Lenders kritisierte die Übertragung neuer Aufgaben. In einer großen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge an der Schnackenburgallee im Stadtteil Bahrenfeld sei vor einigen Wochen eine dauerhafte Polizeipräsenz eingerichtet worden. Er äußerte die Befürchtung, dass dieses Modell auch auf die übrigen fast 30 Standorte der Erstaufnahme ausgeweitet werden könnte. „Es ist klar, dass wir da nicht in die Hände klatschen.“
Reschreiter wies die Befürchtung zurück. Es gehe um eine nur vorübergehende Maßnahme, die den Umständen geschuldet sei. Es habe in der Unterkunft immer wieder Spannungen gegeben, weil ein Teil der Bewohner in Zelten wohnen musste, während die anderen feste Behausungen haben. „Wir planen jetzt, die Zeltunterbringung aufzulösen.“
Neben der Landespolizei hat auch die Bundespolizei in Hamburg mehr zu tun. Genaue Zahlen konnte eine Sprecherin aber nicht nennen. Belastend sei vor allem, wenn Kollegen zur Hilfe in andere Bundesländer geschickt würden. „Die fehlen dann natürlich auch hier“, sagte die Sprecherin. Ein wichtiger Einsatzort ist derzeit die bayerisch-österreichische Grenze.
Angesichts der Überlastung der Polizei braucht sich das private Sicherheitsgewerbe keine Sorge um die Zukunft zu machen. Die Zahl der Beschäftigten stieg in diesem Jahr bundesweit um fünf Prozent auf über 200 000, wie aus einer Statistik des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) hervorgeht. In Hamburg wuchs die Zahl der Mitarbeiter um zwei Prozent auf über 9000.